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EU-finanzierte Studie lässt auf bessere Behandlung des frühkindlichen Diabetes hoffen

Aus einer EU-finanzierten Forschungsarbeit wird deutlich, dass die bei vielen Patienten mit frühkindlichem Diabetes anzutreffende Muskelschwäche nicht etwa durch die Muskeln selbst, sondern durch Funktionsstörungen im zentralen Nervensystem hervorgerufen wird. Dank der Erkennt...

Aus einer EU-finanzierten Forschungsarbeit wird deutlich, dass die bei vielen Patienten mit frühkindlichem Diabetes anzutreffende Muskelschwäche nicht etwa durch die Muskeln selbst, sondern durch Funktionsstörungen im zentralen Nervensystem hervorgerufen wird. Dank der Erkenntnisse aus dieser Studie, die in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurden, könnten neue und bessere Behandlungsmethoden für dieses Leiden entwickelt werden. Die EU unterstützte die Forschungsarbeiten über das BIOSIM-Projekt ("Biosimulation - a new tool in drug development"), das unter der Maßnahme "Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der Gesundheit" des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) finanziert wird, sowie über das EDICT-Projekt ("European drug initiative on channels and transporters"), das seinerseits über den Themenbereich "Gesundheit" des Siebten Rahmenprogramms Fördermittel erhält. Beim frühkindlichen Diabetes handelt es sich um eine Erbkrankheit, die gewöhnlich in den ersten sechs Lebensmonaten auftritt. Neben Schwierigkeiten bei der Einstellung des Blutzuckers haben viele Patienten auch geschwächte und schlaffe Muskeln, Gleichgewichtsprobleme sowie Störungen, die die sprachliche und kognitive Entwicklung beeinträchtigen. Bisher waren diese Patienten dazu verurteilt, zur Behandlung ihrer Krankheit ihr Leben lang Insulin zu spritzen. Dies änderte sich jedoch im Jahre 2004, als der Gendefekt ermittelt wurde, der für den frühkindlichen Diabetes verantwortlich ist. Man fand heraus, dass bei den Patienten eine Genmutation vorliegt, die die Produktion einer überaktiven Version eines Proteins hervorruft, das KATP-Kanäle (ATP-sensitive Kaliumkanäle) in Zellmembranen bildet. Unter anderem wird durch die KATP-Kanäle die Freisetzung von Insulin aus den Betazellen der Bauchspeicheldrüse geregelt. Wird das KATP überaktiv, blockiert es diese Freisetzung und führt zur Diabeteserkrankung. Dank dieser Entdeckung konnten Patienten ihre Insulininjektionen einstellen und auf Sulfonylharnstofftabletten umstellen, die eine Schließung der geöffneten KATP-Kanäle bewirken und so die Freisetzung von Insulin anregen. "Bei etwa einem von fünf Kindern mit frühkindlichem Diabetes ist nicht nur die Insulinabsonderung gestört, diese Kinder neigen auch zu einer unterdurchschnittlich langsamen Entwicklung und zu Problemen beim Laufen- und Sprechenlernen", erklärt Prof. Frances Ashcroft von der Universität Oxford im Vereinigten Königreich. "Der Sulfonylharnstoff hat bei der Behandlung dieser Kinder eine Revolution ausgelöst, denn nun können sie ihren Diabetes mit Tabletten unter Kontrolle bekommen und müssen dafür nicht mehr Insulin spritzen. In vielen Fällen hilft das Präparat auch bei der Bewältigung ihrer neurologischen Schwierigkeiten. So haben einige Kinder kurz nach der Umstellung auf die Medikamentenbehandlung angefangen zu laufen bzw. zu sprechen." Bei den meisten Patienten hat der Sulfonylharnstoff gut angeschlagen. Einige leiden jedoch auch nach der Umstellung an Muskelstörungen. Zudem besteht die Sorge, dass der Wirkstoff das Herz schädigen könnte. In dieser aktuellen Studie haben die Wissenschaftler versucht, dem Problem der Muskelschwäche auf den Grund zu gehen. Dazu haben sie zwei Gruppen genetisch modifizierter Mäuse gezüchtet. Bei einer Gruppe wurde das mutierte KATP-Gen in die Muskelzellen der Mäuse eingebracht, bei der zweiten Gruppe hingegen in die Nervenzellen. Anschließend wurde die Muskelfunktion dieser beiden Mäusegruppen mit der gesunder, unbehandelter Mäuse verglichen. Die Leistung der Mäuse mit der Mutation in den Muskeln war ähnlich gut wie die der gesunden Mäuse. Anscheinend wurden ihre motorischen Fähigkeiten und ihr Gleichgewicht nicht beeinträchtigt. Im Gegensatz dazu schnitten die Mäuse mit der Mutation in den Nervenzellen in sämtlichen Muskelfunktionstests schlecht ab. Zudem litten sie an Gleichgewichtsstörungen. Interessant ist auch, dass die Mäuse mit der Mutation in den Nervenzellen zudem Zeichen von Hyperaktivität aufwiesen. Zwar gilt Hyperaktivität nicht als charakteristisches Merkmal bei frühkindlichem Diabetes, aber schon mehrfach wurde eine ausgeprägte Hyperaktivität bei Kindern mit dieser Krankheit beobachtet. "Unsere Ergebnisse aus den Mäuseversuchen lassen darauf schließen, dass dies möglicherweise auf die Überaktivität der KATP-Kanäle zurückzuführen ist und als Symptom für den [frühkindlichen Diabetes] deklariert werden kann", heißt es in der Studie. "Unsere Ergebnisse weisen darauf hin", erklärt Rebecca Clark von der Universität Oxford, "dass die Muskel- und Koordinationsstörungen, an denen Patienten mit frühkindlichem Diabetes leiden, nicht in den Muskel-, sondern in den Nervenzellen entstehen. Dies hat Auswirkungen darauf, wie wir die Behandlung dieses Leidens verbessern könnten." Die meisten Patienten mit frühkindlichem Diabetes werden derzeit mit einem Sulfonylharnstoffpräparat behandelt, das die KATP-Kanäle sowohl in den Muskel- als auch in den Nervenzellen beeinflusst. "Die neuen Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass zur Behandlung der motorischen Störungen Medikamente eingesetzt werden müssen, die in den Nerven- und nicht in den Muskel-KATP-Kanälen wirken", halten die Forscher fest. Darüber hinaus müssen die Medikamente auch ins Gehirn gelangen können. Daher sollte den Forschern zufolge der Schwerpunkt der Bemühungen auf der Suche nach einem Medikament liegen, das die Blut-Hirn-Schranke leicht durchqueren kann. Mit Blick in die Zukunft plant das Forscherteam nun, genaue Untersuchungen darüber anzustellen, welche Bereiche des Hirns von dem überaktiven KATP-Kanal betroffen sind und wie der Gendefekt die häufig bei dem frühkindlichen Diabetes auftretenden kognitiven Störungen herbeiführt.

Länder

Vereinigtes Königreich

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