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Inhalt archiviert am 2024-05-24

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Aus Bioabfall wird Wasserstoff

Das HYTIME-Projekt arbeitet an einem neuartigen Erzeugungsverfahren, bei dem umweltfreundlicher Wasserstoff aus Gras, Stroh und Rückständen aus der Nahrungsmittelindustrie erzeugt wird.

Während wasserstoffbetriebene Fahrzeuge wohl das kommende große Ding in einer immer umweltbewussteren Gesellschaft zu sein scheinen, stecken nachhaltige Methoden zur Erzeugung von Wasserstoff jedoch noch in den Kinderschuhen. Das HYTIME-Projekt arbeitet an einem neuartigen Erzeugungsverfahren, bei dem umweltfreundlicher Wasserstoff aus Gras, Stroh und Rückständen aus der Nahrungsmittelindustrie erzeugt wird. Wird über Nachhaltigkeit und Biowirtschaft diskutiert, dann sind die Worte 'Wasserstoff' und 'Biomasse' in der Regel nicht weit entfernt - obwohl sie nur selten in ein und demselben Satz erwähnt werden. Doch was wäre, wenn Wasserstoff direkt aus Biomasse der zweiten Generation erzeugt werden könnte? Nachdem das niederländische Projekt 'Hydrogen from biomass' im Jahr 2000 auf den Weg gebracht und über das RP5 und RP6 weiterfinanziert worden war, hat Pieternel Claassens Streben nach einem effizienten, vermarktbaren Wasserstofferzeugungsverfahren aus biologischem Abfall nun einen neuen Höhepunkt erreicht. HyTIME (Low temperature hydrogen production from second generation biomass), ein mit EU-Finanzmitteln unterstütztes Projekt, das im Dezember abgeschlossen sein soll, will die Produktivität der fermentativen Wasserstofferzeugung erhöhen und damit seine Einführung in Industrieverfahren beschleunigen. Die Latte liegt hoch: In der EU fallen derzeit jährlich 118 bis 138 Millionen Tonnen Bioabfall an. Mit der HyTIME-Technologie könnten diese in 0,34 Millionen Tonnen Wasserstoff konvertiert werden und damit einen wesentlichen Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen der EU leisten0 .In einem Exklusivinterview mit research*eu magazine erklärt Dr. Claassen, Forscherin an der UR Food & Biobased Research in Wageningen, wie die Kombination des Fachwissens der neun Projektteilnehmer in den Bereichen Biomasselogistik und Vorbehandlung, thermophile Wasserstofferzeugung und Gasaufbereitungstechnologien HyTIME dazu befähigen werden, über den Stand der Technik der aktuellen fermentativen Wasserstofferzeugung hinauszuwachsen. Welche Hauptziele verfolgt das Projekt? Heute stammt umweltfreundlicher Wasserstoff nur aus zwei Quellen: Biomasse und Elektrolyse mithilfe umweltfreundlichen Stroms. HyTIME konzentriert sich auf ersteres, insbesondere auf Biomasseressourcen mit einem hohen Feuchtigkeitsgehalt, bei denen bestehende Technologien wie die Vergasung ineffizienter sind. Wir verfolgen zwei Hauptziele. Erstens wollen wir die Wasserstofferzeugung aus Biomasse der zweiten Generation von 1 auf 10 kg pro Tag erhöhen. Dies ist eine eher symbolische Menge - die den Strombedarf von vier Haushalten decken würde - doch wir hoffen, dass diese Menge ausreicht, um die Stakeholder davon zu überzeugen, dass die Wasserstofferzeugung in einem größeren Maßstab durch Bakterien möglich ist. Anschließend streben wir die Senkung der Markteinführungszeit für Wasserstoff durch eine Kombination dieses Erzeugungsverfahren mit 'anaerober Fermentation' an. Dieses erlaubt die Umwandlung von Nebenprodukten, vor allem organischer Säuren, in CH4 (und CO2), die dann ihrerseits einen Teil des Energiebedarfs des Wasserstofferzeugungsprozesses decken sollen. Was ist neu oder innovativ an diesem Ansatz der Wasserstofferzeugung? In natürlichen anaeroben Fermentierungssystemen wird Biomasse in Biogas (CH4 und CO2) durch eine Ansammlung von Mikroorganismen konvertiert, die zusammen arbeiten. Manchmal erzeugen diese Mikroorganismen organische Säuren und Wasserstoff, doch dieser wird sofort von anderen hydrogenotrophen Bakterien verbraucht, die ihn in Methan oder Essigsäure umwandeln. Diese Bakterien sind unsere Feinde und die Innovation von HyTIME besteht darin, mit extrem thermophilen Bakterien zu arbeiten - die einen höheren Ertrag bringen -, um ihnen das Leben so schwer zu machen, dass sie nicht überleben und den Wasserstoffertrag senken können. Wie funktioniert der Wasserstofferzeugungsprozess? In anoxischen, d.h. sauerstofffreien, Umgebungen fermentieren Bakterien Zucker zu CO2 und reduzierten Verbindungen, wie Wasserstoff, oder in organisch reduzierte Metaboliten, wie Äthanol oder Butanol. In der Natur wird Wasserstoff jedoch sofort durch methanogene oder hydrogenotrophe Organismen verbraucht und lässt nur Methan zurück. Unser Ziel ist es, die Wasserstofferzeugung vom Wasserstoffverbrauch abzukoppeln, indem wir eine Umgebung schaffen, in der Wasserstoff konsumierende Organismen nicht überleben können. In welchen Geschäftszweigen glauben Sie, wird Ihre Technologie in der Zukunft eingesetzt werden? Ein mögliches Interesse könnte von Stakeholdern kommen, die an der Stromerzeugung beteiligt sind, und aus der Chemie sowie von Biomassebesitzern. Das Problem ist, dass das Schicksal des Wasserstoffs im Energiesektor an jenes der Brennstoffzellen gekoppelt ist. Sobald der Durchbruch bei den Brennstoffzellen da ist, wird auch das Interesse an Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen steigen. Forschung und Entwicklung von HyTIME wird auch Spin-Off-Technologien liefern, die den Markt schneller erreichen können als das Gesamtverfahren. Dazu gehören Sensoren für gasförmige Bestandteilen (H2, H2S usw.) - die oft bei der Erzeugung von Biogas abfallen - sowie die Automatisierung des Fermentationsmanagements dank unserer online Überwachungs- und Steuerungssysteme. Wir gehen auch davon aus, dass Biomassebesitzer daran interessiert sein werden, neue Anwendungen für ihre organischen Abfälle zu finden. Agroindustrielle Unternehmen, wie etwa die kartoffelverarbeitende Industrie und Bierproduzenten könnten unsere Technologie für sinnvoll erachten, um Wasserstoff zu erzeugen und zu verkaufen oder um damit den eigenen Strombedarf zu decken. Wie sehen die nächsten Schritte für das Projekt selbst und nach dessen Abschluss aus? Der nächste Schritt wird die Demonstration des Erzeugungsprozesses sein, wenn alle Betriebseinheiten physikalisch angeschlossen sind. Das bedeutet die Vorbehandlung und Hydrolyse der Biomasse, um den für die Wasserstofffermentation vor Ort notwendigen Zucker bereitzustellen. In diesem letzten Schritt wird das Gas direkt bei seiner Erzeugung abgefangen und die Abwässer werden direkt in einen anaeroben Faulbehälter gepumpt. Die Größe des Wasserstofffermentierers und des anaeroben Faulbehälters müssen angepasst werden, um eine kontinuierliche Strömung der Flüssigkeiten zu erhalten. Was erwarten Sie von diesem Projekt im Hinblick auf die Marktauswirkungen? Die Auswirkungen auf den Markt sind bedeutend. Wie bereits gesagt, wird Wasserstoff allgemein als chemischer Stoff eingesetzt. Die derzeitige Aussicht bedeutet für die Gesellschaft einen Schritt in die Richtung einer biobasierter Wirtschaft und Wasserstoff kann in vielen Unternehmen eingesetzt werden, die auf umweltfreundliche Technologien umstellen möchten. Die neuen Überwachungs- und Steuerungsvorrichtungen und Systeme des Projekts können in bestehenden Anlagen für die anaerobe Faulung und Abwasserbehandlungssystemen eingesetzt werden und sollen ihre Effizienz verbessern. Das Konzept für die Gasaufbereitung auf der Grundlage eines niedrigen Energiebedarfs ist innovativ und wird zur Entwicklung nachhaltigerer Gasabscheideverfahren beitragen.Weitere Informationen sind abrufbar unter: HYTIME http://www.hy-time.eu/ Projektdatenblatt: http://cordis.europa.eu/projects/rcn/101993_de.html

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