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Inhalt archiviert am 2022-12-07

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Kommission ernennt Sachverständigenausschuß zur Biotechnologie

Der europäische Kommissar für Forschung, Philippe Busquin, hat eine Gruppe bedeutender Biowissenschaftler zu Beratern der Europäischen Kommission ernannt. Der Kommissar hatte seinen Entschluß, eine hochrangige Expertengruppe zu Biowissenschaften einzurichten, bei der Vorstellu...

Der europäische Kommissar für Forschung, Philippe Busquin, hat eine Gruppe bedeutender Biowissenschaftler zu Beratern der Europäischen Kommission ernannt. Der Kommissar hatte seinen Entschluß, eine hochrangige Expertengruppe zu Biowissenschaften einzurichten, bei der Vorstellung der vorläufigen Ergebnisse einer Eurobarometer-Studie über die Einstellung der europäischen Bürger zur Biotechnologie aus dem Jahr 1999 bekanntgegeben. "Die Biowissenschaften stehen für eine Revolution unserer Denkweise in der Europäischen Union. Sie beinhalten Wissenschaft, Wirtschaft und Ethik. Ich hielt es daher für eine gute Idee, auf EU-Ebene eine Gruppe erstklassiger Wissenschaftler zur Beratung der Kommission und der Gesellschaft insgesamt einzurichten", so Herr Busquin. Fachkenntnisse und die Bereitschaft zum Gedankenaustausch mit Laien waren für die Auswahl der Mitglieder dieser Gruppe ausschlaggebend. Der organisatorische Aufbau der Gruppe steht noch nicht genau fest, da sie bisher erst einmal zusammengekommen und derzeit noch mit der Festlegung der Parameter für ihre Arbeit beschäftigt ist. Die wichtigste Aufgabe der Experten sei jedoch nach Angaben der Kommission die "Untersuchung der breitgefächerten Herausforderungen und Fragen, denen sich die Gesellschaft im Zusammenhang mit der Entwicklung der Biowissenschaften gegenübersieht". "Europa darf auf dem Gebiet der Biotechnologie nicht auf der Stelle treten und sollte eine allgemeine Strategie anwenden, indem die Ansichten der Wissenschaftler über die Chancen und Risiken im Zusammenhang mit den Biowissenschaften stärker berücksichtigt werden", so Herr Busquin. Zunächst wird die Gruppe das Gespräch mit allen interessierten Parteien suchen. Dazu gehören das Europäische Parlament, der Rat, die Industrie, Nicht-Regierungsorganisationen (NRO), Verbraucher und Medien. Sie wird auch einen "Biowissenschaftsgipfel" vorbereiten; dabei soll es sich um ein Forum zu "Biowissenschaften und die Gesellschaft" handeln, das für November dieses Jahres geplant ist. Die Kommission ist der Ansicht, daß die Förderung und Pflege eines ständigen Dialogs zum Thema Biotechnologie zwischen Wissenschaft und Gesellschaft von entscheidender Bedeutung ist. Während die Biowissenschaften den Wissenschaftlern einerseits unvorstellbare Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensqualität der europäischen Bürger an die Hand geben, werfen sie andererseits emotionale und ethische Probleme auf, die zur Verunsicherung der Öffentlichkeit und der Politiker - wie auch anderer Wissenschaftler - beitragen. Die erste Eurobarometer-Studie zur Biotechnologie im Jahr 1991 zeigte deutliche nationale Unterschiede hinsichtlich der Akzeptanz, der Risiken und der Wahrnehmung der Biotechnologie. Die neueste Studie spiegelt eine nachhaltige und wachsende Besorgnis der Öffentlichkeit wider und zeigt insbesondere einen Vertrauensverlust quer durch alle Berufsorganisationen, insbesondere bei den NRO im Umweltbereich und bei Akademikern. So wurde beispielsweise die Aussage "Ich fühle mich ausreichend zum Thema Biotechnologie informiert" nur von elf Prozent aller Befragten bejaht. 81 Prozent verneinten diese Aussage, neun Prozent antworteten mit "weiß nicht". Die mit der Eurobarometer-Studie befaßten Forscher waren insbesondere überrascht, wie gering das Grundwissen der Europäer im Bereich Biotechnologie ist. "Etwa 33 Prozent der Europäer bejahten die Aussage "Gewöhnliche Tomaten enthalten keine Gene, im Gegensatz zu genetisch veränderten Tomaten"; 30 Prozent antworteten mit "weiß nicht", so daß anscheinend lediglich 35 Prozent wissen, daß in allen Tomaten Gene vorhanden sind." Die Eurobarometer-Studie zeigt ferner, daß die Europäer zwar nicht technikfeindlich, aber dennoch "von der Biotechnologie nicht begeistert" sind - nur die Kernenergie stößt auf noch mehr Mißtrauen. Die Schweden, Spanier, Portugiesen und Belgier stehen der Biotechnologie optimistischer gegenüber als ihre europäischen Nachbarn. Unter den Bürgern Griechenlands, des Vereinigten Königreichs und Italiens herrscht die größte Skepsis. Darüber hinaus ist die Einstellung der Europäer je nach den unterschiedlichen Anwendungen der Biotechnologie verschieden. Während man beispielsweise Gentests zur Feststellung von Erbkrankheiten oder zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung für moralisch vertretbar hält, stößt das Klonen menschlicher Zellen oder von Zellgewebe zu medizinischen Zwecken oder zur Übertragung von Genen von einer Pflanzenart auf eine andere eher auf Ablehnung. "Sobald der offensichtliche Nutzen geringer wird, rechnen die Leute mit einem erhöhten Risiko, und die moralische Unterstützung läßt nach", so Professor Gaskell von der London School of Economics, der die Ergebnisse der Eurobarometer-Studie vorstellte. "Der Nutzen liegt den Bürgern Europas offensichtlich besonders am Herzen und bestimmt den Grad an Unterstützung für die unterschiedlichen Arten der Forschung auf dem Biotechnologie-Sektor." Die Kommission hofft, daß die neue Gruppe zum Thema Biowissenschaften sie bei der Lösung dieses Problems unterstützen wird. "Sie wird die Fortschritte der Biotechnologie und ihre Auswirkungen aus einer wissenschaftlichen Perspektive erhellen und Ratschläge erteilen, wie die Wissenschaftler sich besser in den notwendigen Dialog mit der Gesellschaft einbringen können." Sie soll außerdem auf Anforderung des Kommissars Stellungnahmen abgeben sowie nach eigenem Ermessen Stellungnahmen zu Themen ihrer Wahl erarbeiten. Professor Kahn, der vor kurzem zum Vorsitzenden der hochrangigen Biowissenschaftsgruppe ernannt wurde, betont die Notwendigkeit eines ständigen Dialogs zwischen Wissenschaftlern und Gesellschaft. "Die Einrichtung dieses Forums durch die Kommission ist von entscheidender Bedeutung", sagte er. "Derzeit ist die Rede vom Abschluß des Human Genome Project, das zur Bekämpfung von HIV und anderen Viren beitragen wird. Aber die Biotechniker fürchten die Ablehnung durch die Gesellschaft. Die Gesellschaft hat ein unmittelbares Interesse an der Wissenschaft und fragt sich: Was ist gerechtfertigt? Was nicht? Und welche Risiken sind damit verbunden?" "Die Wissenschaftler verfolgen das menschliche Ziel, auf dem Wege der Erkenntnis fortzuschreiten - und niemand hat das Recht, ihnen das zu verbieten. Es ist ein grundlegendes Menschenrecht. Und sie arbeiten im Namen der Gesellschaft - oft mit Hilfe von Beiträgen der Gesellschaft wie z.B. den EU-Fonds. Wenn kein besserer Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zustande kommt, sind die Zukunftsaussichten unter Umständen nicht allzu rosig. Hinsichtlich der gemeinsamen Werte darf die Art und Weise, in der Wissenschaft und Gesellschaft Einfluß auf die Zukunft ausüben können, nicht vernachlässigt werden." Während er die hochrangige Biowissenschaftsgruppe der Presse vorstellte und sich bei ihr für die Übernahme ihrer Aufgabe bedankte, wies Kommissar Busquin auf die kommenden Herausforderungen hin. "Diese Probleme werden wir nicht auf der Stelle ein für allemal lösen können. Ich möchte einen echten Dialog über die Biowissenschaften in Europa in Gang bringen. Es handelt sich um einen Prozeß zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Der Europäische Forschungsraum (European Research Area, ERA) soll der Gesellschaft Stimme verleihen und ihr helfen, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen. Dies ist ein erster Kontaktpunkt." Die hochrangige Biowissenschaftsgruppe (Biosciences High Level Group, BHLG) besteht aus folgenden Mitgliedern: Sir Tom Blundell (University of Cambridge, GB); Professor Patrick Cunnigham (Trinity College, IRL); Professor Axel Kahn (Institut Cochin de Génétique Moléculaire, FRA); Professor Leonardo Santi (Centro di Biotecnologie Avanzate, ITA); Professor Hans Wigzell (Karolinska Institute, SWE); Professor Rolf Zinkernagel, CHE); Professor Derek Burke (Cambridge, VK); Professor Victor de Lorenzo (Centro Nacional de Biotecnologia, ESP); Professorin Anne McLaren (Wellcome CRC Institute, GB); Professor Marc Van Montagu (Universität Gent, BEL) und Professor Ernst Ludwig Winnacker (Deutsche Forschungsgemeinschaft, DE). Die Kommission wies insbesondere darauf hin, daß die hochrangige Biotechnologiegruppe (BHLG) nicht als Ersatz für die Beratergruppe für ethische Fragen (EGE - European Group on Ethics) gedacht ist, die ihrerseits ihre Arbeit fortsetzen wird. Professorin McLaren ist das einzige Mitglied der BHLG, das auch beratend für die EGE tätig ist. Es liegen bereits Stellungnahmen der EGE zum Klonen von Menschen und zur medizinischen Ethik vor. Derzeit diskutiert sie über die Ethik in der Informationsgesellschaft und erörtert u.a. wie sich das genetische Screening auf die Einstellungsverfahren in Europa auswirken wird.