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Inhalt archiviert am 2023-01-13

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Sozioökonomische Forschung ist der Schlüssel zum wissenschaftlichen Fortschritt

Die Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften wird das Verhältnis zwischen dem wissenschaftlichen Fortschritt und seinem gesellschaftlichen Nutzen verbessern, meinte Jean-François Marchipont, der Direktor der Direktion K (Wissensgesellschaft und wissensgestützte Wirts...

Die Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften wird das Verhältnis zwischen dem wissenschaftlichen Fortschritt und seinem gesellschaftlichen Nutzen verbessern, meinte Jean-François Marchipont, der Direktor der Direktion K (Wissensgesellschaft und wissensgestützte Wirtschaft) in der GD Forschung der Europäischen Kommission in einem Interview mit CORDIS-Nachrichten. Im neuen Sechsten Rahmenprogramm (RP6) ist die Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften der Schwerpunkt des vorrangigen Themenbereichs "Bürger und modernes Regieren in einer wissensbasierten Gesellschaft". Auf welchem Stand ist die Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften zurzeit, und warum hat sie für die Kommission eine hohe Priorität? Marchipont ging auf diese Fragen ein und erläuterte, warum er der Auffassung ist, dass dieser Tätigkeitsbereich künftig noch wichtiger wird. Auf die Frage, warum Europa sich in der Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften engagieren sollte, sagte Marchipont, solche Initiativen stellten die entscheidende Verbindung zwischen Wissenschaft und Politik dar. "Durch solche Maßnahmen werden sich die wissenschaftlichen Grundlagen der Politik auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene stark verbessern", sagte er. Während die medizinische Forschung etwa neue Impfstoffe hervorbringen könnte, könnten gesellschaftswissenschaftliche Forschungsprojekte zu effektiven politischen Maßnahmen zum Nutzen der Gesellschaft führen. Auch die sozioökonomische Forschung spiele eine entscheidende Rolle für das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft: "Das Tempo des wissenschaftlichen Fortschritts ist im Moment sehr hoch, aber wir sind noch nicht so weit, die gesellschaftlichen Folgen dieser Entwicklung zu bewerten. Dank der Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften lassen sich die Folgen genau abschätzen. Sie ist daher unabdingbar, wenn wir unseren eigenen Fortschritt weiterhin beherrschen wollen", betonte Marchipont. Die Rolle der sozioökonomischen Forschung für die Vorhersage der Folgen des Wandels stehe in enger Verbindung mit ihrer Entwicklung zu einem Instrument der Zukunftsforschung, d.h. der Bestimmung wissenschaftlicher Tendenzen, die eine Richtschnur für die Entscheidungsfindung und die Setzung von Prioritäten darstellen sollen. Die Vorausschau-Komponente werde von entscheidender Bedeutung sein, um der Öffentlichkeit und der Wissenschaft zu zeigen, was durch allgemeine wissenschaftliche Fortschritte alles erreicht werden kann, so Marchipont. Die sozioökonomische Forschung erhielt im RP6 einen eigenen vorrangigen Themenbereich, da die Bedeutung dieses Forschungszweigs erkannt wurde. Dies gilt auch für das Budget der entsprechenden Maßnahmen, das von 147 Millionen Euro für "gezielte sozioökonomische Forschung" im RP5 auf 225 Millionen Euro für die Priorität "Bürger und modernes Regieren" des RP6 stieg. Berücksichtigt man die Mittel, die in anderen nichttechnologischen vorrangigen Themenbereichen für bestimmte sozioökonomische Forschungsmaßnahmen vorgesehen sind, erhöht sich das Gesamtbudget im RP6 auf rund 355 Millionen Euro. Die Summe aller sozioökonomischen Tätigkeiten einschließlich jener, die in anderen technologischen vorrangigen Themenbereichen stattfinden, liegt sogar noch höher. Wie Marchipont im Gespräch mit CORDIS-Nachrichten sagte, begrüße er diese Entwicklung. Gleichzeitig geht er davon aus, dass die Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften künftig ein noch zentraleres Anliegen der Programme der Gemeinschaft darstellen wird: "Die Politik ist auf dem richtigen Weg, das Interesse an diesem Bereich nimmt zu, aber die Unterstützung entspricht immer noch nicht seiner Bedeutung", sagte er. Was die Geschwindigkeit des Wandels betrifft, ist er realistisch. Es würde z.B. nicht von Nutzen sein, die Förderung so weit zu erhöhen, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft sie nicht vollständig aufnehmen und umsetzen kann. Marchipont geht davon aus, dass eine Umstrukturierung der Geistes- und Sozialwissenschaften erforderlich ist, damit sie ihr volles Potenzial erreichen können. "Sozialwissenschaften sind breit gestreut und werden oft als "weniger wissenschaftlich" als z.B. die Naturwissenschaften angesehen. Die Schaffung des Europäischen Forschungsraums (EFR) wird den Sozialwissenschaften einen bedeutenden Impuls geben, sich neu zu organisieren." Um eine solche Umstrukturierung zu fördern, hat die Kommission für ihre Priorität "Bürger und modernes Regieren" eine Beratergruppe eingerichtet, die von der ehemaligen portugiesischen Ministerin Maria João Rodrigues geleitet wird. Die Ziele der Gruppe sind die Analyse der Gründung eines EFR für die Sozialwissenschaften und die Bewertung der Rolle der sozioökonomischen Forschung an sich und im Verhältnis zu anderen Politikbereichen. Da solche Maßnahmen nun auf europäischer Ebene in Gang gekommen sind, glaubt Marchipont, dass es nun auch an der Zeit für eine Umstrukturierung der sozioökonomischen Forschung auf einzelstaatlicher Ebene wäre. Wie er gegenüber CORDIS-Nachrichten sagte, sollten die Mitgliedstaaten zwei Aktionslinien ins Auge fassen, nämlich die Öffnung nationaler Programme in der sozioökonomischen Forschung für Teilnehmer aus anderen Ländern und die Vertiefung der Zusammenarbeit in der sozioökonomischen Forschung auf europäischer Ebene. Die Kommission werde ihrerseits die Bedeutung der sozioökonomischen Forschung unterstreichen, indem sie die Methoden der Folgenabschätzung solcher Maßnahmen verbessert. Während eine solche Bewertung in früheren Rahmenprogrammen nach Abschluss einer Maßnahme stattgefunden habe, werde der Prozess laut Marchipont im RP6 "kontinuierlicher sein und ständig aktualisiert werden". Indem sie den wirtschaftlichen und sozialen Nutzen der sozioökonomischen wie auch der eher allgemeinen Forschung besser verdeutlichen kann, hofft die Kommission zudem, dass die Mitgliedstaaten und die private Wirtschaft ihre Forschungsaufwendungen erhöhen und das in Barcelona gefasste Ziel von drei Prozent des BIP in Reichweite kommt. In einer weiteren praktischen Initiative hat die Direktion K eine Reflexionsgruppe aus hochrangigen Wissenschaftlern eingerichtet, die einen Bericht über den Zustand der Geistes- und Sozialwissenschaften in Europa unter besonderer Berücksichtigung der Beitrittskandidaten aufstellen wird. Diese Maßnahme basiert auf einer Methodik, die von Maurice Godelier im Rahmen einer Initiative der französischen Regierung ausgearbeitet wurde. Wenn erst der Nutzen der Sozialforschung deutlich werde und eine europaweite Umstrukturierung der Geistes- und Sozialwissenschaften stattgefunden habe, werde Marchipont zufolge die Qualität der Ergebnisse besser, die Glaubwürdigkeit steigen und der relative Vorrang der Sozialwissenschaften noch größer. Diese Verbesserungen sind für ihn von entscheidender Bedeutung, denn "dieser Forschungsbereich wird jeden Tag wichtiger".

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