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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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"Ein fantastischer Moment": Neuer Teilchenbeschleuniger am CERN in Betrieb genommen

Am CERN, der Europäischen Organisation für Kernforschung, wurde in der Schweiz mit dem Large Hadron Collider (LHC) das weltweit größte physikalische Experiment aller Zeiten gestartet. Als der erste Protonenstrahl am Morgen des 10. September sich seinen Weg durch den 27 km lang...

Am CERN, der Europäischen Organisation für Kernforschung, wurde in der Schweiz mit dem Large Hadron Collider (LHC) das weltweit größte physikalische Experiment aller Zeiten gestartet. Als der erste Protonenstrahl am Morgen des 10. September sich seinen Weg durch den 27 km langen Teilchenbeschleuniger bahnte, brandete in LHC-Kontrollraum Applaus auf und die Wissenschaftler, von denen viele schon seit Jahren auf diesen Tag gewartet haben, zeigten sich erleichtert. Das Ereignis ebnet den Weg für eine neue Ära von Entdeckungen auf dem Gebiet der Teilchenphysik. Untere anderem soll der LHC Wissenschaftlern dabei helfen, einige Schlüsselfragen über das Universum zu beantworten: Woraus besteht dunkle Materie? Was passierte direkt nach dem Urknall? Wie viele Dimensionen gibt es? "Dies ist ein fantastischer Moment", sagte Projektleiter Lyn Evans. "Wir können uns nun auf eine neue Ära des Verstehens der Ursprünge und der Entwicklung des Universums freuen." Der LHC besteht aus einem riesigen Ring aus supraleitenden Magneten, der einen Umfang von 27 km hat und 100 Meter unter der Erde an der französisch-schweizerischen Grenze bei Genf liegt. In diesem Ring werden zwei Strahlen aus Teilchen (sogenannte Hadronen) in entgegengesetzte Richtungen beschleunigt. Dabei wird den Partikeln der Weg von starken Magneten gewiesen. Diese konzentrieren die Strahlen vor dem Zusammentreffen, um die Wahrscheinlichkeit einer Kollision zweier Teilchen zu erhöhen. Dem CERN zufolge bedeutet die extrem kleine Größe der beteiligten Teilchen, dass eine Kollision so wahrscheinlich ist, wie "zwei Nadeln aus einer Entfernung von10 km so aufeinander abzufeuern, dass sie sich auf halben Weg treffen". Um den Ring herum befindliche Versuchseinrichtungen werden ermitteln, was passiert, wenn Teilchen kollidieren. Ihre Beobachtungen werden hoffentlich den Wissenschaftlern helfen, eine große Bandbreite an Schlüsselfragen zum Aufbau des Universums zu beantworten. Die zwei größten Experimente sind ATLAS ("A toroidal LHC apparatus") sowie CMS ("Compact muon solenoid"). Beide werden die Teilchen untersuchen, die bei der Kollision erzeugt werden, und versuchen, sie zu identifizieren und ihre Laufbahnen und Energien zu messen. Die Experimente wurden unabhängig voneinander entwickelt und basieren auf sehr unterschiedlichen Technologien. Damit kann jede Entdeckung, die mit einem der Detektoren gemacht wird, mit dem jeweils anderen gegengeprüft werden. Eines der größten Geheimnisse, dass man mit dem LHC zu enthüllen hofft, betrifft die Natur der Masse. Genauer gesagt wissen wir nicht, warum einige Teilchen ein bestimmtes Gewicht haben und warum andere Teilchen überhaupt keine Masse zu haben scheinen. Wissenschaftler glauben, ein Teilchen mit der Bezeichnung Higgs-Boson könnte eine Erklärung bereithalten. Das Problem ist nur, dass niemand ein Higgs-Teilchen bisher gesehen hat, sodass seine Existenz noch unbewiesen ist. Am LHC werden sowohl das ATLAS- als auch das CMS-Experiment nach Hinweisen auf dieses mysteriöse Teilchen suchen. Der LHC wird auch die dunkle Materie untersuchen. Obwohl diese Substanz rund 96% des Universums ausmacht, wissen wir nur sehr wenig darüber. Mithilfe von ATLAS und CMS werden Theorien über den Aufbau dunkler Materie überprüft werden. An anderer Stelle des LHC wird das LHCb-Experiment ("Large Hadron Collider beauty") die Unterschiede zwischen Materie und Antimaterie erforschen und versuchen herauszufinden, warum die Natur die Materie der Antimaterie vorzuziehen scheint. Das ALICE-Experiment ("A large ion collider experiment") wird dagegen die Bedingungen studieren, die im Zeitraum direkt nach dem Urknall herrschten. Schließlich werden alle diese Detektoren versuchen, Hinweise auf weitere, versteckte Dimensionen des Weltraums zu finden. "Dies ist ein historischer Moment für die Wissenschaft; der Höhepunkt Jahrzehnte langer Arbeit", erklärte Keith Mason, Leiter des britischen Science and Technology Facilities Council, der am LHC beteiligt ist. "Wissenschaftler wollen mit dem LHC die größten Fragen der modernen Wissenschaft stellen. Ob wir nun die erhofften Entdeckungen machen oder unsere Theorien komplett neu schreiben müssen, die Physikbücher werden nie wieder die gleichen sein." Die Experimente werden zusammen eine riesige Datenmenge hervorbringen - grob geschätzt 15 Millionen Gigabyte pro Jahr. Diese Daten werden mithilfe eines riesigen Computergrids verwaltet und analysiert. Die Daten werden erstmals am CERN verarbeitet, bevor sie an elf große Rechenzentren auf der ganzen Welt verteilt werden. Diese Zentren werden die Daten an 120 weitere Zentren weiterleiten. Letztere verfügen über ausreichende Rechenleistung, um den Großteil der Daten zu speichern und komplexe Analysen auszuführen. Wissenschaftler auf der ganzen Welt werden dann in der Lage sein, auf diese Daten von Rechnerverbünden oder sogar von einzelnen PCs aus zuzugreifen. Der Durchlauf der ersten Strahlen am LHC ist ein lang erwarteter Moment für viele Wissenschaftler; die Idee zum Bau des LHC wurde erstmals in den frühen 1980er Jahren vorgebracht. In den folgenden Jahren diskutierten Arbeitsgruppen die Art von Fragen, die eine solche Maschine beantworten könnte. Nachdem der CERN-Council 1994 dem Projekt grünes Licht gab, ging die Arbeit an dem Projekt ständig voran, bis Anfang dieses Jahres die letzten Komponenten der LHC-Experimente an ihrem Platz installiert wurden. Schließlich wurde die gesamte Struktur auf Temperaturen im Bereich des absoluten Nullpunkts abgekühlt. Im August schickten Wissenschaftler erfolgreich Partikelstrahlen durch kurze Abschnitte des Beschleunigers in beide Richtungen. Die Arbeit von CERN wird von seinen 20 Mitgliedstaaten gelenkt. Die Europäische Kommission hat Beobachterstatus in der Organisation.

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