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Interview
Inhalt archiviert am 2024-04-18

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Wie man das Gehirn mit Neuroimaging repariert

Die meisten denken, dass Bildgebungsverfahren in der Medizin zur Diagnose von Krankheiten gebraucht werden, oder um sie zu entdecken bevor die ersten Symptome auftreten. Das Projekt BRAINTRAIN geht anders vor und nutzt funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT), um Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen und psychischen Krankheiten dabei zu helfen, ihr eigenes Gehirn zu steuern.

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Das Konzept von BRAINTRAIN („Integrative neuroscience school on brain function and disease“) baut auf Neurofeedback-Training auf: Patienten können ihre Hirnaktivität auf einem Bildschirm verfolgen, bestimmte Strategien der Steuerung ausprobieren und die Ergebnisse selbst sehen. Professor David Linden, Projektkoordinator und Leiter der Arbeitsgruppe Neuropsychiatrische Bildgebung der Cardiff University, glaubt, dass diese Lösung Patienten helfen könnte, die von Alkoholabhängigkeit, Autismus, posttraumatischer Belastungsstörung oder sogar Parkinson betroffen sind. Warum denken Sie, dass Neuroimaging im Kampf gegen psychische Störungen eine Schlüsselrolle spielen könnte? Neuroimaging und nicht-invasive Neurophysiologie – Elektroenzephalografie, Magnetenzephalografie usw. – sind gegenwärtig die einzigen Techniken, mit denen wir in vivo Einblicke in die Funktion des menschlichen Gehirns bekommen können. Sie sind also ein einzigartiges Fenster in den menschlichen Geist. Dieses Fenster können wir nutzen, um die neuronalen Mechanismen hinter psychiatrischen Symptomen wie zum Beispiel Halluzinationen oder Drogensucht besser zu verstehen und auch um die neuronale Wirkung von (psychologischen oder pharmakologischen) Therapien zu evaluieren. Zu guter Letzt können sie auch für neue Behandlungsmethoden, besonders Neurofeedback, genutzt werden, was im Kontext von BRAINTRAIN am wichtigsten ist. Was ist Ihrer Meinung nach so innovativ an diesem Einsatz von Neuroimaging? Bei BRAINTRAIN kommen führende Experten des Echtzeit-fMRT zusammen – das ist eine Technik der funktionellen Bildgebung, mit der die Aktivität bestimmter Hirnregionen und Netzwerke mit hoher räumlicher Auflösung im Millimeterbereich und zeitlicher Auflösung im Sekundenbereich gezeigt werden kann. Prof. Nikolaus Weiskopf vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig ist ein Experte für ultraschnelles MRT, während Prof. Rainer Goebel von Braininnovation ein Experte für die Echtzeitanalyse von MRT-Daten ist. Wenn wir diese Methoden kombinieren, können wir fMRT-Daten in einem Messbereich sammeln und analysieren, der feiner ist als die Sekundenskala, und können das Signal an den Teilnehmer zurückgeben, was die Grundlage für das Training der Selbststeuerung ist. Es geht darum, dass Patienten diese Signale entsprechend bestimmter Protokolle nutzen können, um ihre Hirnaktivität zu verändern, was wiederum positive Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit hat. Das wäre die erste therapeutische Anwendung des Neuroimaging. Wie sieht das Verfahren genau aus, das zur Behandlung des Patienten eingesetzt wird? Der Patient ist im MRT-Gerät und bekommt über Projektionen auf einem Computerbildschirm (oder über auditive Signale) Feedback zu seiner Hirnaktivität. Auf dem Bildschirm könnte nur die Stärke der Aktivität zu sehen sein, zum Beispiel in Form eines Thermometers oder einer ähnlichen Darstellung, oder das Feedback könnte durch die Veränderung eines krankheitsrelevanten Stimulus oder einer entsprechenden Szene dargestellt werden, zum Beispiel mit einem Nahrungs- oder Alkoholreiz wie in einer der BRAINTRAIN-Studien, die wir zu Heißhungerattacken durchgeführt haben. Der Teilnehmer/Patient wird dann gebeten, die Hirnaktivität in eine gewünschte Richtung zu ändern (z. B. hoch- oder herunterregulieren) und er sieht dann anhand der Veränderungen im Reiz, ob er erfolgreich war, zum Beispiel wenn das angezeigte Bild vom Nahrungsmittel kleiner wird. Das Lernen kann per Versuch und Irrtum ablaufen, aber mehrere Studien haben auch Vorschläge für potenzielle Strategien ergeben. Was denken Sie welche Wirkung das auf die Patienten haben wird? Eine Studie in Cardiff hat jüngst gezeigt, dass sich Depressionssymptome bei Patienten substanziell verbesserten, die die Hochregulierung der Regionen trainierten, in denen positive affektive Reize verarbeitet werden – und auch in einer Kontrollgruppe, die die Hochregulierung eines visuellen Areals trainierte. In einer anderen Studie unserer Partner an der Universität Coimbra wurde die Machbarkeit eines Trainingsprogramms für soziale Aufmerksamkeit bei Patienten mit Autismus getestet. Dazu wurden EEG-Signale in Echtzeit verarbeitet und ausgegeben, um die Aufmerksamkeit der Patienten zu verfolgen. Dieses Protokoll schulte die Patienten in sozialer Interaktion in verschiedenen Kontexten, die für das Funktionieren der Autismuspatienten im Alltag relevant sind, wie zum Beispiel ein Getränk in einer Bar zu bestellen oder mit einem Lehrer zu sprechen. Obwohl das Schulungsprogramm keine Verbesserungen in der Aufmerksamkeit herbeiführen konnte, haben sich Verbesserungen bei mehreren klinischen Nebenzielen ergeben, besonders im Bereich Depression. Gibt es noch andere Beispiele von Störungen, die mit dieser Methode gelindert werden konnten? Neben den oben genannten Beispielen (Depression und Autismus) beschäftigen wir uns mit der posttraumatischen Belastungsstörung, Alkoholabhängigkeit und Angststörungen im Kindesalter. In anderen Projekten haben wir auch erstmals Neurofeedback zur Neurorehabilitation eingesetzt (Parkinson). Wie wollen Sie das zum Patienten bringen? Weil Neurofeedback per se nicht invasiv ist, gibt es kaum Hindernisse für die Anwendung am Patienten, sobald die Wirksamkeit demonstriert ist. Natürlich ist man durch die Verfügbarkeit und Kosten von MRT eingeschränkt, aber für die meisten Protokolle, die wir testen, sind nur wenige Sitzungen notwendig (1-6), was die Kosten im Rahmen hält. Wie war das bisherige Feedback aus der Praxis? Die Fachleute waren dankbar, dass sie ihren Patienten unsere Studien vorstellen durften. Es mangelt in der Psychiatrie generell an klinischen Studien und viele Patienten wollen sehr gern neue nicht-invasive Behandlungsmöglichkeiten ausprobieren, besonders bei Störungen, die sonst nur schwer behandelbar sind (z. B. Alkoholabhängigkeit oder Autismus). Für Neurofeedback muss der Patient wirklich aktiv mitarbeiten und seine eigenen personalisierten Strategien für erfolgreiche Selbstregulierung entwickeln, deswegen ergibt sich ein aktiver Lernprozess. Fachleute aus der Praxis haben uns gesagt, dass sie das sehr gern an ihre Patienten weitergeben und mehr Informationen über die verwendeten Strategien bekommen würden. Aktuell überlegen wir, wie man diese Strategien erfassen und in den therapeutischen Prozess einbinden könnte.

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