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Umweltfreundlichere feste Raketentreibstoffe?

Mitglieder des EU-finanzierten GRAIL-Projekts haben in den letzten drei Jahren die Realisierung eines umweltfreundlichen Festtreibstoffs für Trägerraketen untersucht. Ihre unerwarteten Erkenntnisse könnten dazu führen, dass alternative Flüssigtreibstoffe der einzige realisierbare Weg zu umweltfreundlichen Starts ins All sind.

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Der Fall des Einsatzes von Festtreibstoffen in der Raumfahrtantriebstechnik ist leicht zu beurteilen: Sie sind derzeit die kostengünstigste, konkurrenzfähigste und zuverlässigste Lösung auf dem Markt. Es gibt jedoch ein Element in diesen Treibstoffen, das zunehmend in die Negativschlagzeilen gerät: Ammoniumperchlorat (AP). Neben seinen negativen Auswirkungen auf die Umwelt – es bewirkt insbesondere den Abbau von Ozon und die Bildung von saurem Regen – wurde AP auch mit Schilddrüsenstörungen in Verbindung gebracht. Bei jedem Start der Ariane 5 landen nicht weniger als 270 Tonnen konzentrierter Salzsäure in der Atmosphäre. Zwar hat das im globalen Maßstab vernachlässigbare Auswirkungen auf die Umwelt, was jedoch auch für jeden anderen umweltverschmutzenden Industriesektor gilt. Somit ist dieses Argument kein gutes Beispiel für den verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt. Auch die Tatsache, dass Ammoniumperchlorat in europäischem Gemüse gefunden wurde, wirft mit Sicherheit einige Fragen auf. Leider gibt es nur sehr wenige Alternativen zu AP. Andere Oxidationsmittel wie Ammoniumdinitramid (ADN) und Ammoniumnitrat (AN) könnten möglicherweise umweltfreundlicher sein, aber sie allein können AP nicht ersetzen. „Perchlorat verfügt über viele gute Eigenschaften. Es hat eine hohe Dichte, brennt in geeigneter Weise und ist relativ sicher zu handhaben. ADN hat eine sehr hohe Leistungsfähigkeit, verbrennt aber zu schnell, um in einem großen Raketentriebwerk Einsatz zu finden, während AN zu langsam verbrennt und sehr schlechte Leistungseigenschaften aufweist“, sagt Dr. Niklas Wingborg, stellvertretender Forschungsdirektor der schwedischen Verteidigungsforschungsagentur und Koordinator von GRAIL. Grundgedanke des GRAIL-Projekts war, eine Kombination aus ADN und AN zu verwenden. Man hoffte, mit der richtigen Mischung ein umweltfreundliches Oxidationsmittel mit Eigenschaften ähnlich wie Ammoniumperchlorat zu finden. Leider haben sich die Verbrennungseigenschaften von ADN und AN als sehr schlecht erwiesen, aber dieser Rückschlag konnte das Projektteam nicht davon abhalten, einen anderen Weg in seiner Forschung einzuschlagen. „Wir haben versucht, das Problem mit verschiedenen Zusatzstoffen zu lösen, hatten aber keinen Erfolg“, erinnert sich Dr. Wingborg. „Außerdem stellten wir fest, dass ADN explosiver war, als wir erwartet hatten, so dass wir es in dem Treibstoff nicht in den Mengen einsetzen konnten, wie wir es uns erhofft hatten. Infolgedessen haben wir uns für die Entwicklung eines umweltfreundlicheren Treibstoffs anstelle einer ganz und gar umweltfreundlichen Variante entschieden. Wir haben ADN und AP gemischt, um einen Treibstoff zu erhalten, der leistungsfähiger und 25 % umweltfreundlicher als die gängigen Treibstoffe auf AP-Basis ist.“ Bedeutet das, dass ein wirklich umweltfreundlicher Festtreibstoff außer Reichweite bleibt? Vorerst scheint es so zu sein. Dr. Wingborg weist darauf hin, dass man zur Entwicklung eines komplett umweltfreundlichen Treibstoffs die Verbrennungseigenschaften von ADN und AN beherrschen müsste, wozu weitere Forschungsarbeit erforderlich sei. Für die nahe Zukunft sieht es so aus, dass ein umweltfreundlicher Raumfahrtantrieb nur mit flüssigen Treibstoffen zu erreichen ist. Einige flüssige Brennstoffe sind jedoch furchtbar giftig, so etwa Hydrazin und dessen Derivate. Dr. Wingborg möchte diesem Thema daher ein potenzielles neues Projekt widmen, um diesen Flüssigtreibstoffen einen Teil ihrer Toxizität zu nehmen. Zwischenzeitlich könnte der umweltfreundlichere Festtreibstoff von GRAIL Anklang bei der Verteidigungsindustrie finden, wo er für die Flugkörperantriebstechnik der Zukunft von Nutzen sein könnte. „Hätten wir Erfolg gehabt, würde unsere Empfehlung in Bezug auf die Entwicklung zukünftiger Trägerraketen lauten, sich für den neuen umweltfreundlichen Festtreibstoff zu entscheiden. Aber im Rahmen des GRAIL-Projekts konnten wir keinen solchen Treibstoff in die Realität umsetzen, daher wäre meine Empfehlung für zivile Trägerraketen, bei denen man gegenwärtig feste Treibstoffe benutzt, diese vorläufig weiter einzusetzen. Lassen die Belange von Gesundheit und Umwelt oder die öffentliche Meinung jemals Perchlorat unzumutbar werden, dann würde ich empfehlen, Flüssigtreibstoffe zu verwenden“, sagt Dr. Wingborg abschließend.

Schlüsselbegriffe

GRAIL, Raketentreibstoff, ADN, AN, Perchlorat, Trägerrakete

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