CORDIS - Forschungsergebnisse der EU
CORDIS

The Colours of the Past in Victorian England

Article Category

Article available in the following languages:

Eine Farbtransformation erobert das viktorianische England im Sturm

Die viktorianische Zeit Englands (1837-1901) wird oft als eine düstere, von Teer und Kohle verdunkelte Industriezeit angesehen. Eine genaue Untersuchung der literarischen und künstlerischen Kreise bringt jedoch eine Faszination für Farbe ans Licht, die von neuen Technologien und der Sehnsucht nach der materiellen Kultur der Vergangenheit inspiriert ist.

Gesellschaft icon Gesellschaft
Grundlagenforschung icon Grundlagenforschung

Das 19. Jahrhundert in Europa wird oft mit Industrialisierung und Modernität in Verbindung gebracht. Doch gleichzeitig waren viele Europäer und insbesondere die Viktorianer von der Vergangenheit besessen, seien es die griechische Antike oder die Gotik. Ihr Interesse war jedoch nicht rein altertümlicher oder historischer Natur, da viele Künstler sich aktiv bemühten, die reiche materielle Kultur dieser vergangenen Zeiten wiederzubeleben. Sie waren der Ansicht, dass diese bunter gewesen waren als ihre trostlose Gegenwart. Farblicher Wendepunkt Vor diesem Hintergrund analysierte das EU-finanzierte Projekt COPAST, kurz für „The Colours of the Past in Victorian England“, die Darstellung der Farben der Antike und des Mittelalters in wichtigen Kunstwerken dieser Zeit. „Das viktorianische Zeitalter war ein farblicher Wendepunkt nach der wissenschaftlichen Entdeckung neuer chemischer Farben, wie z. B. synthetischer Farbstoffe auf Kohle-Teer-Basis, die viele Künstler ablehnten“, sagt Projektkoordinatorin Charlotte Ribeyrol, Provatdozentin für britische Literatur des 19. Jahrhunderts an der Universität Sorbonne, Paris, Frankreich. Ribeyrol untersuchte insbesondere ideologische Ansätze der antiken Polychromie im Kontext der griechischen und gotischen Wiedergeburt, die das industrialisierte England in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts traf. „Wir haben die Rezeption der chromatischen materiellen Kultur der Antike und des Mittelalters in den Werken von Schriftstellern und Künstlern aus dem engen Kreis von William Morris analysiert“, so Ribeyrol. In enger Zusammenarbeit mit den Teams des Ashmolean Museum hat sie in London und Oxford seltenes Archivmaterial erforscht und diese alten Farben mit den neuen chemischen Anilinfarbstoffen verglichen, die hauptsächlich für die expandierende Textilindustrie entwickelt worden waren. Um diese Leidenschaft für die Vergangenheit zu wecken, sammelten die Viktorianer weniger bekannte polychrome Kunstwerke (z. B. hellenistische Tanagra-Figuren). „Sie stützten sich auf die Erkenntnisse von Archäologen und Anthropologen, deren neue Herangehensweise an vergangene Kulturen sich von den traditionellen, farblosen, philologischen Interpretationen des klassischen oder mittelalterlichen Erbes löste“, erklärt Ribeyrol. Die Wissenschaft der Farbe Diese bunte Nostalgie prägte das künstlerische Schaffen vieler Schriftsteller und Maler von William Morris über Walter Pater bis hin zu Lawrence Alma-Tadema. Als Beispiel verweist Ribeyrol auf das historische Gemälde „Phidias Showing the Frieze of the Parthenon to his Friends“ von Alma-Tadema, das die ursprüngliche Polychromie der Marmorkunstwerke des Parthenons aufdeckt. „Die Bewegung galt damals als ziemlich subversiv und umstritten, da sowohl die griechische als auch die gotische Vergangenheit im Wesentlichen immer noch als monochrom angesehen wurde – vom reinen Weiß der griechischen Statuen bis zum ‚grausamen‘ Mittelalter“, bemerkt Ribeyrol. Bei der Erforschung, wie viktorianische Künstler dieser neuen „Wissenschaft der Farbe“ zugunsten der stabileren Farbstoffe der Vergangenheit entgegentraten, hat Ribeyrol neue Wege beschritten. „Diese neo-romantische und rekonstruierende Verwendung von Farbe, besonders in den politischen, poetischen und künstlerischen Arbeiten von Morris, war noch nie zuvor erforscht worden“, betont sie. Tatsächlich zeigte COPAST die zentrale Rolle der farblichen Materialität in der viktorianischen Poesie und Malerei auf, um eine innovative Verbindung von Kunst, Literatur und Wissenschaft zu fördern. Die Arbeit des Projekts umfasste eine Kombination aus Textanalysen (Künstlerkorrespondenz, kritische, theoretische oder literarische Kommentare, Ekphrasen oder Beschreibungen eines Kunstwerks, Pigmentrezepte usw.) und wissenschaftlichen Daten (die Chemie der Pigmente und Bindemittel, die Physiologie der Wahrnehmung, die Geschichte der Wissenschaften). Dies ermöglichte es Ribeyrol, ein neues Licht auf die Frage zu werfen, in welchem Zusammenhang diese Künstler und Dichter mit der wissenschaftlichen Kultur ihrer Zeit standen und/oder daran teilnahmen. Das Projekt führt schließlich eine neue Perspektive auf die industrielle Vormachtstellung Großbritanniens im 19. Jahrhundert ein, die allgemein durch den Verdunkelungsfilter der Kohleverschmutzung wahrgenommen wird.

Schlüsselbegriffe

COPAST, Farbe, viktorianisch, Künstler, Farbstoffe, Pigment, polychrome Kunst

Entdecken Sie Artikel in demselben Anwendungsbereich