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Folding with Halogen Bonding

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Neue Anwendungen für Halogenbindungen nach dem Vorbild der Natur

Dank einer Förderung durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) konnte ein Team der Politecnico di Milano Halogenbindungen in der Natur erforschen. Ihre Ergebnisse zeigen das Potenzial dieser Interaktion für die Manipulation von Molekülerkennungsprozessen in der Chemie und Biologie. Außerdem können die Ergebnisse dazu beitragen, verschiedene Krankheitsbilder wie Mukoviszidose oder Parkinson zu diagnostizieren.

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Halogenbindungen entstehen aus recht komplexen Interaktionen zwischen einem elektrophilen Abschnitt im Halogenatom des einen Moleküls und dem nukleophilen Abschnitt des anderen Moleküls. Für Laien mag das abstrakt klingen, aber für Chemiker, die Moleküle zusammensetzen wollen, ist das ein äußerst wichtiges Werkzeug. Im Vergleich zu anderen weiter verbreiteten nichtkovalenten Interaktionen profitiert die Halogenbindung von hoher Direktionalität und hydrophoben Eigenschaften. Die Stärke der Interaktion kann eingestellt werden, indem nur das Halogenatom verändert wird und der Rest der molekularen Struktur intakt bleibt. Es gibt noch einen weiteren Aspekt der Halogenbindung, die die in den letzten Jahren gestiegene Aufmerksamkeit für sie erklärt: sie hat noch ungenutztes Potenzial und viele ihrer Eigenschaften sind noch unbekannt. „Meiner Meinung nach besteht die größte Wissenslücke in diesem im Gesamtverständnis der biologischen Rolle von Halogenbindungen in der Natur. Auf den ersten Blick scheint die Halogenbindung in der Natur selten zu sein, besonders im Vergleich zur allgegenwärtigen Wasserstoffbrückenbindung, aber das stimmt nicht ganz: die Natur hat für eine der komplexesten Regelfunktionen unseres Körpers die Halogenbindung als Steuerung ausgesucht – nämlich für das Hormonsystem der Schilddrüse“, sagt Pierangelo Metrangolo, Professor für Chemie an der Politecnico di Milano. Schauen wir uns die Schilddrüse genauer an: sie produziert hauptsächlich das Hormon Tyhroxin (T4), das direkt in die Blutbahn übergeht und für Verdauung, Herz- und Muskelfunktionen sowie Hirnentwicklung und Stabilisierung der Knochen unerlässlich ist. Anfangs hat T4 vier Jodatome und wird aktiviert, sobald eines dieser Atome aus der Struktur entfernt wird: eine Halogenbindung verschwindet und verwandelt T4 in das aktive Hormon T3. T3 wird dann zu einem inaktiven T2, das wiederum in T0 umgewandelt wird. T0 recycelt Jodatome für die Umwandlung von T3 zu T4. „Es ist faszinierend wie komplex die Natur ist und dass sie schon die Halogenbindung kannte, bevor Chemiker sie erstmals nutzten“, so Prof. Metrangolo. Genau darum wurden die Fördermittel des ERC bewilligt: Prof. Metrangolo wollte die funktionellen Möglichkeiten und Eigenschaften von Halogenatomen als „haftende“ Erkennungsstelle bei Biomolekülen untersuchen und so mit dem Projekt FoldHalo diese Wissenslücke zumindest teilweise schließen. „Es wurden zwar schon viele Modifikationen von Peptidsequenzen verwendet, um deren molekulare Selbstorganisation anzupassen, aber Halogenierung wurde bisher kaum versucht. Halogenatome kommen in biologischen Molekülen kaum vor, deswegen kann man sie extrem kontrolliert und präzise positionsspezifisch in Aminosäuren, Oligopeptide und Proteine einbauen. Halogenierung modifiziert die Struktur zudem nur minimal, kann aber große Veränderungen im supramolekularen Verhalten der Peptide hervorrufen“, erklärt Prof. Metrangolo. Mit FoldHalo konnten Prof. Metrangolo und sein Team erstmals zeigen, dass Halogenierung das Selbstorganisationsverhalten von Peptiden sowohl in Lösung als auch im Feststoff stark beeinflusst. Sie wendeten das neuartige supramolekulare Konzept für eine erweiterte Fibrillierung von amyloidogenen Peptiden wie DFNKF, KLVFF und hCT (humanes Calcitonin) an und konnten erfolgreich eine neue nicht-natürliche Aminosäure synthetisieren. Sie heißt p-iodo-tetrafluoro-phenyl-(L)-Alanin, konnte auf fünf Gramm hochskaliert werden und steht jetzt zur Verfügung, um in Selbstorganisation und Funktionsweise von Peptidkonstruktionen neue Eigenschaften zu kreieren. „Wir haben unserer Ansicht nach eine völlig neue Strategie im Bereich der nicht-natürlichen Modifikation von Aminosäuren und Peptiden eingebracht, die breite und ganz verschiedene Anwendungsmöglichkeiten bietet, von der molekularen Grundlage von Krankheiten bis hin zu funktionalisierten Nanostrukturen in Peptiden“, so Prof. Metrangolo enthusiastisch. Diese halogenisierten Aminosäuren können als Biomarker für verschiedene Krankheiten dienen, die mit oxidativem Stress zusammenhängen, wie zum Beispiel Mukoviszidose, Atherosklerose, Sepsis, Asthma oder Parkinson. Den Ergebnissen zufolge könnte die Halogenierung von Proteinen aufgrund von oxidativem Sress sogar zu erweiterter Fibrillierung führen wie sie bei verschiedenen Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer zu beobachten ist. Prof. Metrangolo meint, dass FoldHalo in vielen verschiedenen Forschungsbereichen neue Wege eröffnet. Das Team von FoldHalo baut auf diesen Projektergebnissen jetzt ein weiteres Projekt auf. MINIRES erforscht die Prinzipien der Halogenierung, die bei Insekten für den Flug- und Springapparat zuständig sind. Außerdem wollen sie auf Basis der im Rahmen von FoldHalo erstellten ökologischen Antikörper neue Sensoren für halogenierte Schadstoffe entwickeln.

Schlüsselbegriffe

FoldHalo, Halogenbindung, diagnostische Lösungen, Krankheit, Mukoviszidose, Parkinson, FP7, ERC, halogenierte Aminosäuren

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