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Human-animal interactions in early sedentary and urban societies in the Near East and northern Africa: microarchaeology of livestock dung

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Integrierte Untersuchung von Viehdung in der Archäologie

Bei Nutztieren denken wir an eine Quelle von tierischem Eiweiß, Fleisch, Milch und Wolle, aber was sie eigentlich am meisten produzieren ist Dung. MICROARCHAEODUNG hat herausgefunden, dass tierische Ausscheidungen in Ausgrabungsstätten wichtige Informationen über Umwelt und Kultur liefern können.

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Weltweit wird Viehdung als Düngemittel, Brennstoff, Temper- oder Baustoff verwendet. Gleichzeitig öffnet Dung ein interdisziplinäres Forschungsfeld, da er zu einem großen Themenspektrum von sozialen, kulturellen, umweltbezogenen und ökologischen Fragen wertvolle Informationen liefern kann. Neue Methoden für archäologischen Dung Obwohl insbesondere seit dem Beginn der Domestizierung von Herden tierische Ausscheidungen in vielen menschlichen Siedlungen zu finden sind, werden sie bei konventionellen Ausgrabungsmethoden der Archäologie normalerweise nicht beachtet oder übersehen. Das liegt an methodischen Problemen bei der Gewinnung und Charakterisierung von Dungüberresten im Laufe der Ausgrabung sowie bei der Konservierung wichtiger Nachweise im Hinblick auf ihre Bestandteile und Ablagerung. Mit Hilfe eines Marie Skłodowska-Curie-Einzelstipendiums hat sich das EU-finanzierte Projekt MICROARCHAEODUNG im Rahmen von Horizont 2020 dieses Themas angenommen und an der Universität Reading in Kooperation mit der Universität Bristol integrierte Analyseansätze entwickelt. Die Wissenschaftler schlagen einen interdisziplinären Ansatz vor, um den archäologischen Kontext und die Bestandteile des Dungs sowohl vor Ort als auch im Labor zu untersuchen. So kombinierten sie Methoden aus den Geowissenschaften, der Botanik und Biochemie, um vorzeitliche Ausscheidungsreste archäologisch identifizieren und interpretieren zu können. Im Projekt ging es um zwei Hauptregionen: den Nahen Osten und Nordafrika, wo einige wichtige prähistorische Stätten zu finden sind. Dazu gehörte die neu entdeckte neolithische Stätte Bestansur im Irak, wo die Ausgrabungen unter anderem von Dr. Wendy Matthews von der Universität Reading geleitet werden. „Wir wollten die Ausscheidungsreste untersuchen und daraus regionsübergreifend Informationen über verschiedene kulturelle und sozioökonomische Aspekte des damaligen menschlichen Lebensalltags gewinnen“, erklärt die Forschungsleiterin von MICROARCHAEODUNG, Dr. Marta Portillo. Bevor das Projekt ins Leben gerufen wurde, war Dung eine weitgehend unerforschte Informationsquelle zu den Ursprüngen und der Verbreitung von Tierhaltung und -domestizierung. Das Team hat Proben aus archäologischen Stätten genommen, um direkte Belege für Dung von Pflanzen- und/oder Allesfressern zu finden. Mit Hilfe biochemischer Analysen organischer Biomarker konnten die Wissenschaftler tierische Ausscheidungsreste von menschlichen unterscheiden und bekamen so neue Erkenntnisse über die Ernährung der ersten Bauern. Insgesamt hat MICROARCHAEODUNG kritische Phasen von Veränderungen in Umwelt und Gesellschaft untersucht und dabei besonders das Aufkommen landwirtschaftlich geprägter Gesellschaften und die Domestizierung von Tieren betrachtet. Die Ergebnisse lieferten neue Informationen über frühe Anbaumethoden, Tierhaltung, die Verfügbarkeit von Brennstoffen sowie frühe landwirtschaftliche Versorgung mit und Konsum von Nahrungsmitteln. Die gefundenen Zeugnisse zeigten regionsübergreifend beträchtliche chronologische und kontextuelle Variationen in der Wechselbeziehung zwischen Mensch und Tier von vor etwa 10 000 Jahren. In Kombination mit ethnografischen Beobachtungen und modernen Referenz- sowie experimentellen Daten als Vergleich konnte MICROARCHAEODUNG sogar zeigen, dass der Einsatz von Dung als Brennstoff in frühen neolithischen bäuerlichen Siedlungen weit verbreitet war und sogar noch eher erstmals auftrat. Was archäologischer Dung kann Der interdisziplinäre Ansatz aus MICROARCHAEODUNG hat gezeigt, dass integrierte Untersuchungen von archäologischem und neuzeitlichem Dung einen großen Beitrag dazu leisten können, die historische Entwicklung von Gesellschaften besser zu verstehen. Besonders in Regionen wie Nordafrika fußte die archäologische Forschung bisher weitgehend auf kultureller Datierung und Einordnung, Steinwerkzeugen und Technologie, Jagd/Fischerei und der Sammlung von Mollusken. Laut Dr. Portillo wird MICROARCHAEODUNG dies ändern, indem es „stark zur Standardisierung der Untersuchung von Dung in der Archäologie beiträgt und somit zur wichtigsten Analysemethode und Referenz für zukünftige Forschung wird.“ Neben der neuen Methodik hat MICROARCHAEODUNG innovative archäologische, ethnoarchäologische und experimentelle Datensätze erarbeitet, die Forscher weltweit in weiteren Studien als Vergleich heranziehen können. Die Wissenschaftler haben Modelle vorgeschlagen, um zum einen jene Faktoren abzubilden, die Bildung, Zusammensetzung, Konservierung und Zersetzung von Tierdung steuern, sowie zum anderen die ökologischen und haltungsbezogenen Abläufe, die auf diese Faktoren Einfluss haben. Das Projekt hat die Grundlagen dafür geschaffen, dass die Untersuchungsergebnisse über vorzeitliche Ausscheidungsreste sich in anderen Regionen reproduzieren lassen. Momentan weitet das Team seine entwickelten Referenzinstrumente auf Ökosysteme der Mittelmeerinseln aus, wie zum Beispiel die Balearische Insel Menorca, die geschützte prähistorische Stätten beheimatet und von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt wurde. Die archäologische Untersuchung von Viehdung und den Beziehungen zwischen Mensch und Tier bietet insgesamt wichtige Erkenntnisse über derzeit global diskutierte Themen wie biologische Vielfalt, die Nutzung natürlicher Ressourcen und Energieversorgung, landwirtschaftliche Entwicklung und Tierhaltung. Dr. Portillo zufolge werden „Informationen darüber, wie sich die Verfügbarkeit und der Konsum von Nahrungsmitteln, Futter und Brennstoff als Reaktion auf das sich wandelnde Klima und den stärkeren menschlichen Einfluss verändern, uns dabei helfen zu verstehen, inwiefern soziale und kulturelle Praktiken der Geschichte nachhaltig waren.“

Schlüsselbegriffe

MICROARCHAEODUNG, Archäologie, Methodik, Viehdung, Naher Osten, Nordafrika

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