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History of Nuclear Energy and Society

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Wie die Geschichte der Kernenergie deren Zukunft bestimmen könnte

Die Kernenergie hat in den vergangenen Jahren erheblich an Rückhalt in der Zivilgesellschaft verloren. Auch wenn ihre Zukunft in Europa gefährdet sein mag, können aus der Geschichte der Kernenergie Erkenntnisse gewonnen werden, um gesellschaftliche Bedenken in der Debatte um zukünftige Energiequellen besser miteinzubeziehen.

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Die Zivilgesellschaft hatte schon immer ein ambivalentes Verhältnis zur Kernkraft: die Beherrschung des Atoms mag zu den größten wissenschaftlichen Durchbrüchen in der Geschichte zählen, sie scheint jedoch auch der Durchbruch zu sein, mit dem wir am wenigsten im Reinen sind. Aber wo fand das Ganze seinen Anfang? Welche Ereignisse führten zu Meinungsänderungen und wie kann uns die Geschichte dabei helfen, die aktuelle Debatte über die Energiequellen der Zukunft zu gestalten? Das EU-finanzierte Projekt HoNESt (History of Nuclear Energy and Society) zählt zu den wichtigsten wissenschaftlichen Unternehmungen, um diese Fragen zu beantworten, und gleichzeitig zu beleuchten, wie kontextabhängig diese sind. Das Konsortium: wandte einen interdisziplinären Ansatz an, um die Geschichte der Kernenergie und deren Interaktion mit der Zivilgesellschaft in 20 europäischen Ländern seit 1945 zu untersuchen; wandte Instrumente aus den Sozialwissenschaften an, um die Wahrnehmung und das Engagement in der Praxis zu analysieren; und führte Forschung zum Engagement von Interessengruppen durch, um die Prinzipien zu verstehen, die maßgeblich für eine erfolgreiche Interaktion mit der Gesellschaft sind. Durch die Weitergabe seiner Erkenntnisse an Industrie, Verbände, politische Entscheidungsträger und Vertreter der Zivilgesellschaft zielte das Konsortium darauf ab, zu besseren Entscheidungen bezüglich der zukünftigen Energiepolitik beizutragen. Kernenergie: Im Wesentlichen ein politisches Thema „Einer der aufschlussreichsten Aspekte unserer Forschung sind vielleicht die enormen Schwierigkeiten, die die meisten Interessengruppen bei der Abwägung der Komplexität des Themas Kernenergie haben“, sagt Projektkoordinator Prof Albert Presas von der Universität Pompeu Fabra. „Dies überträgt sich auf eine Radikalisierung des Diskurses und der Positionierung, bei der manche Akteure im Atomsektor es schwierig finden, die Rolle der Gesellschaft in der nuklearen Entwicklung zu akzeptieren. Die Kernenergie ist aber im Wesentlichen ein politisches und kein rein technisches oder wirtschaftliches Thema.“ Anders gesagt, die öffentliche Wahrnehmung ist wichtig und hat sich aufgrund von ökologischen, sozialen, politischen und historischen Ereignissen auf nationaler und europäischer Ebene verändert. Der Sektor hat einen großen Fehler gemacht, diese Wahrnehmungen größtenteils als emotional abzutun. Nehmen wir ein konkretes Beispiel: der Antiamerikanismus, der während des Vietnamkriegs durch Jugendbewegungen und Antikapitalismusbewegungen aufkeimte. Er spielte eine große Rolle für die Intensivierung der Bedenken hinsichtlich der Kernkraft, die weit über bloße Emotionalität hinausgingen: „Das emotionale Argument hält den Fakten nicht stand. Antiatomaktivisten sammelten schrittweise umfassendes Fachwissen – ironischerweise oftmals von US-Wissenschaftlern, die der Kernenergie kritisch gegenüberstanden – und dieses technische und wissenschaftliche Wissen breitete sich schließlich jenseits der Grenzen aus“, erklärt Prof. Presas. Dort, wo zwischen europäischen Ländern Unterschiede in der Wahrnehmung entstanden, sind diese im Wesentlichen auf die einzigartige Geschichte jedes Landes sowie auf das Vertrauen in den Staat und öffentliche Einrichtungen zurückzuführen. Der Beitrag der Kernenergie zur Energiemix-Diskussion Prof. Presas hofft angesichts des mittlerweile abgeschlossenen Projekts darauf, dass Interessengruppen wie unter anderem Euratom und Körperschaften, die auf nationaler und europäischer Ebene für den Energiewandel verantwortlich sind, hiervon Kenntnis nehmen werden. „In unseren demokratischen Gesellschaften wird der Energiewandel fehlschlagen, falls betroffene Gruppen nicht gleichermaßen berücksichtigt werden“, sagt er. „Die Methodik und Ergebnisse von HoNESt können diesen Interessengruppen dabei helfen, erfolgreiche Dialogformen zu ermitteln und ein neues kommunikatives Verhältnis zwischen Kernenergie, neuen Energiequellen und Gesellschaft zu postulieren.“ Unterdessen wird sich das HoNESt-Konsortium weiterhin für die disziplinenübergreifende Berücksichtigung von Energiethemen aussprechen, aber auch auf andere Sektoren fokussieren, in denen solche Abwägungen relevant sein könnten. Prof. Presas plant zudem, zu analysieren, wie historische Erfahrungen im Zusammenhang mit Kernenergie und Gesellschaft bei der Gestaltung des Übergangs zu neuen Energieparadigmen berücksichtigt werden. „Ich kann mir vorstellen, dass wir einige Überraschungen erleben werden“, schlussfolgert er verschmitzt.

Schlüsselbegriffe

HoNESt, Geschichte, Kernenergie, Kernkraft, Meinungen, Debatte, Energie der Zukunft, Zivilgesellschaft, Wahrnehmung, Radikalisierung, emotional, Euratom

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