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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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Aufholjagd bei der Entwicklung von Supercomputern muss auf europäischer Ebene erfolgen, erklärt Computerexperte

Ob es um Forschungen zu Klimawandel, Genetik oder Materialwissenschaften geht - die Leistung von Supercomputern ist inzwischen zum kritischen Erfolgsfaktor sowohl in der Wissenschaft als auch im Ingenieurwesen geworden und ermöglicht es Forschern, ihre Theorien und Modelle anh...

Ob es um Forschungen zu Klimawandel, Genetik oder Materialwissenschaften geht - die Leistung von Supercomputern ist inzwischen zum kritischen Erfolgsfaktor sowohl in der Wissenschaft als auch im Ingenieurwesen geworden und ermöglicht es Forschern, ihre Theorien und Modelle anhand von Simulationen zu überprüfen. Supercomputer werden jedoch immer noch hauptsächlich isoliert auf nationaler Ebene finanziert und betrieben, obwohl die Leistung über ein Netzwerk enorm gesteigert werden könnte. Mit dem PRACE-Projekt (Partnership for Advanced Computing in Europe) soll sich dies nun durch Schaffung einer permanenten europäischen Supercomputer-Infrastruktur ändern. Die Europäische Kommission will im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms (RP7) in den kommenden 2 Jahren mehr als 20 Millionen Euro in PRACE investieren. Ziel der Projektpartner aus Deutschland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Finnland, Schweden, dem Vereinigten Königreich, Norwegen und der Schweiz ist es, bis Mitte bzw. spätestens Ende des Jahres 2009 ein Petaflop/s-System zu installieren, d.h. einen Rechner, der eine Billiarde Operationen pro Sekunde ausführen kann. Die Vision besteht in der Schaffung eines Europa-übergreifenden Netzwerks von Supercomputern, mit dem europäische Spitzenwissenschaftler und -ingenieure Zugriff zu Rechenleistungen von Supercomputern erhalten, die auf internationalem Niveau mithalten können. Dies ist eine Herausforderung, der nationale Rechenzentren nicht gewachsen sind. Beim Zugriff auf den Rechner spielt das Heimatland der Wissenschaftler keine Rolle, solange ihre Projekte der Kontrolle durch Peer-Review-Verfahren unterliegen. "Wissenschaft und Wirtschaft brauchen Rechenleistung auf höchstem Niveau - die einen, um Spitzenforschung zu erbringen, und die anderen, um Innovationen zu schaffen", sagte Professor Achim Bachem, Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums Jülich und Koordinator von PRACE. "In allen Naturwissenschaften sind Supercomputer zum unverzichtbaren Werkzeug geworden. Die großen Erkenntnissprünge der Zukunft können nur mithilfe der Simulationswissenschaften entstehen." "Ich denke, dass man in den USA inzwischen davon ausgeht, dass Supercomputer die Schlüsseltechnologie für Wissenschafts- oder Wirtschaftsbereiche darstellen", erklärte Professor Bachem in einem Interview. "In den USA ist diese Schlüsseltechnologie um das Zehnfache leistungsfähiger als in Europa. Die USA sind auf diesem Gebiet auf jeden Fall Spitzenreiter, aber auch die Konkurrenz aus Japan und Asien ist sehr stark." Laut der TOP500-Weltrangliste der 500 leistungsfähigsten zivilen Computersysteme stehen 7 der 10 besten Systeme in den USA. Nur zwei davon stehen in Europa - einer in Deutschland und der andere in Schweden, und ein weiterer in Indien. "Wenn wir unsere Industrie unterstützen wollen, denke ich, müssen wir aufholen, und das können wir nur auf europäischer Ebene", erläuterte Professor Bachem. Im Bereich Supercomputer trifft dies um so mehr zu, als ein Aufholen zu den Spitzenreitern unter den Hochleistungsrechnern (high-performance computing, HPC) beträchtliche Investitionen erfordern wird: "Eine Supercomputer-Infrastruktur, die den heutigen Herausforderungen und denen der nächsten Jahre begegnen kann, wird im Laufe von zwei Jahren 400 bis 500 Millionen Euro kosten", erklärte Professor Bachem. "Dies sprengt eindeutig die Möglichkeiten eines einzelnen Landes. Außerdem muss dieses Projekt im Zusammenhang mit einer einheitlichen europäischen Forschungsinfrastruktur gesehen werden, die von allen europäischen Ländern unterstützt wird." Zuvor jedoch müssen etliche Hürden bewältigt werden, wobei die höchste Hürde eher rechtlicher als technischer Natur ist, so Professor Bachem: "Wenn wir wirklich eine europäische Infrastruktur schaffen wollen, müssen wir uns für das am besten geeignete Modell für eine solche Infrastruktur entscheiden. Soll sich das Modell am Vorbild des Europäischen Kernforschungszentrums CERN orientieren oder eher an der ESA, der Europäischen Raumfahrtorganisation, oder an irgendeiner anderen europäischen Organisation? Es ist nicht einfach, eine geeignete rechtliche Grundlage festzulegen, die allen Beschränkungen in den verschiedenen Ländern gerecht wird." Die technischen Herausforderungen stellen sich auf zwei Ebenen: Einerseits müssen die Forscher des PRACE-Projekts ein für 100.000 Prozessoren geeignetes Petaflop-Hardwaresystem entwickeln. Dafür muss dann andererseits auch die entsprechende Software zur Verfügung stehen: "Wir sind noch nicht sehr erfahren im Umgang mit so vielen Prozessoren. Daher müssen wir unsere Algorithmen und vielleicht sogar unsere Theorien neu entwickeln, um mit den Problemen umgehen zu können, die sich aus dieser großen Prozessoranzahl ergeben." Professor Bachem ist trotzdem zuversichtlich, dass die Entwicklung des Petaflop-Rechners innerhalb des festgesetzten Zeitrahmens abgeschlossen sein wird. In einem Bereich, der sich so rasant entwickelt wie die Computerbranche, ist das endgültige Ziel damit jedoch noch nicht erreicht. Wie werden Supercomputer in 20 Jahren aussehen? "Es ist sehr schwer, Prognosen für einen so langen Zeitraum aufzustellen", sagte Professor Bachem, "aber ich denke, dass wir in 20 oder 25 Jahren schon weit über den Hexaflop als Nachfolger des Petaflop hinaus sein werden. Dann existiert vielleicht schon der erste Prototyp des Quantencomputers. Wenn die Branche weiterhin so exponentiell wächst wie in den vergangenen 20 Jahren, wird es unglaublich schnelle Rechner geben, die unglaublich viel Platz brauchen und völlig anders aussehen als die Rechner von heute."

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