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Frontiers in Attosecond X-ray Science: Imaging and Spectroscopy

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Neue ultraschnelle Röntgenmethoden könnten Elektronenbewegungen auf molekularer Ebene erfassen

EU-finanzierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten an der Generierung extrem kurzer Elektronen- und Röntgenblitze, die ihnen möglicherweise ermöglichen könnten, zu untersuchen, wie Elektronen sich in Molekülen umherbewegen und komplexe chemische und biologische Reaktionen auslösen. Die Forschungsgruppe möchte visualisieren, wie Pflanzen und Bakterien bei der Fotosynthese Sonnenenergie nutzen. Dies könnte auch zu einer nachhaltigen Lösung für die Energiespeicherung führen.

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Das Leben steht nie still und ist heller, als wir denken – viele der wichtigsten chemischen und biologischen Reaktionen sind lichtinduziert und gehen in ultrakurzen Zeitrahmen vonstatten. Nirgends wird das klarer als in den schwer fassbaren Reaktionen der Fotosynthese, die Pflanzen am Leben halten. Die Forschungsgemeinschaft konzentriert sich im Augenblick darauf, die sogenannte Fotosystem-II-Enzymreaktion zu verstehen, die es Pflanzen ermöglicht, Wasser auf bislang unbekannte Weise in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. „Ein umfassenderes Verständnis dieser Reaktion könnte uns die Möglichkeit eröffnen, diesen effizienten Vorgang künstlich umzusetzen. Komplexe molekulare Anordnungen, die Lichtenergie genauso speichern wie in der Natur, könnten eines Tages eine realistische Lösung zur Energiespeicherung sein“, gibt Hauptforscher Franz Kaertner an, der vom Europäischen Forschungsrat ein Stipendium zur Leitung des Projekts AXSIS erhielt. Das Projekt könnte dazu beitragen, solche ultraschnellen chemischen Reaktionen auf Licht dank innovativer Entwicklungen bei kompakten Röntgenquellen im Attosekundenbereich (eine Attosekunde ist ein Trillionstel einer Sekunde) und Terahertz-Beschleunigern zu ergründen.

Visualisierung molekularer Vorgänge durch Forschung an ultraschnellen Röntgenstrahlen

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von AXSIS setzten serielle Kristallographie ein, eine aufkommende Röntgentechnologie zur Untersuchung der Struktur einzelner Mikrokristalle. Dieses Verfahren kann zum Verständnis von Strukturen und Funktionen auf atomarer und molekularer Ebene beitragen, da es eine vollständige Beschreibung ultraschneller Vorgänge liefern kann, sowohl mit atomarer Auflösung im realen Raum als auch auf der Ebene der Elektronenenergie. Dabei wird eine kohärente Freie-Elektronen-Attosekundenröntgenquelle basierend auf kohärenter inverser Compton-Streuung auf einen Kristall angewandt. Ein erheblicher Nachteil dieser Methode ist der Balanceakt zwischen der Gewinnung gut verwertbarer Daten und der Einschränkung der Beschädigung des Kristalls durch die Strahlung. Herkömmliche serielle Femtosekunden-Kristallographie verwendet das Prinzip der „Bildgebung vor der Zerstörung“. Freie-Elektronen-Röntgenlaser erzeugen intensive Femtosekundenpulse, die hochauflösende Diffraktionsdaten liefern, bevor das Molekül durch die Strahlung zerstört wird. „Die Attosekundenpulse auf Basis kohärenter inverser Compton-Streuung haben zusätzliche Vorteile, da sie schneller Ergebnisse liefern, als der elektrische Zustand des Moleküls Schaden nimmt, was in wesentlich kürzeren Zeitfenstern geschieht“, erklärt Petra Fromme, eine Forscherin des Projektteams. „Die bahnbrechenden experimentellen Fähigkeiten der Attosekunden-Röntgendiffraktion und -spektroskopie werden dazu beitragen, einen der größten Träume der Biochemie Realität werden zu lassen: Die Herstellung von Filmen molekularer Vorgänge, insbesondere der strukturellen und chemischen Veränderungen, die während komplexer biochemischer Reaktionen stattfinden“, fügt Kaertner hinzu. Die hohen Wiederholungsraten der Röntgenpulse sollten der Wissenschaftsgemeinschaft letztendlich ermöglichen, die Vorgänge der ultraschnellen Lichtabsorption und den Transfer von Anregungsenergie während der Photosynthese in den relevanten räumlichen und zeitlichen Rahmen zu ergründen. Bislang konnten ultrakurze Strahlen nur von teuren und großen Anlagen erzeugt werden. Was regte die Forschergruppe dazu an, diese kompakte Attosekunden-Röntgenquelle zu entwickeln?

Dank Terahertz-Technologie schrumpfen Teilchenbeschleuniger

Das Team von AXSIS baut den ersten Prototyp eines kleinen Teilchenbeschleunigers, der Terahertz-Strahlung einsetzt. Die Wellenlänge von Terahertz-Strahlung ist wesentlich kürzer als die Radiowellen, die aktuell zur Teilchenbeschleunigung verwendet werden. Das bedeutet, dass auch die Bestandteile des Beschleunigers in kleinerem Maßstab gebaut werden können. Unter Verwendung eines nicht linearen optischen Vorgangs erzeugte die Forschungsgruppe elektromagnetische Terahertz-Wellen aus energetischen Laserpulsen. Für ihren Prototyp feuerte sie schnelle Elektronen aus einer Elektronenkanone innerhalb eines mikrostrukturierten linearen Beschleunigungsmoduls. Die Elektronen wurden dann durch in das Modul eingespeiste Terahertz-Strahlung weiter beschleunigt. Der dafür verwendete hochmoderne Laser erzeugte Terahertz-Pulse mit Energieniveaus im Millijoulebereich – ein Rekordergebnis für dieses Verfahren. Da die Pulse so kurz sind, erreichen sie Spitzenleuchtstärken, die mit denen größerer Anlagen vergleichbar sind, obwohl in jedem Puls wesentlich weniger Energie steckt. „Von diesen sehr kurzen und hellen Pulsen erhoffen wir uns neue Erkenntnisse über die extrem schnellen chemischen Vorgänge, die Pflanzen und einige Bakterien nutzen, um sich mit Kohlenhydraten zu versorgen“, schließt Kaertner.

Schlüsselbegriffe

AXSIS, Röntgenstrahlung, Attosekunde, Terahertz, Fotosynthese, kohärente inverse Compton-Streuung, Teilchenbeschleuniger, Femtosekunden-Kristallographie

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