Bessere Akzeptanz von Handprothesen
Moderne Prothesen bieten häufig funktionellen Ersatz und erfüllen gut die Alltagsanforderungen. Schwachpunkte sind jedoch seit jeher Optik und Fremdheitsgefühl. Prothesen werden dann nicht als körperzugehörig wahrgenommen, d. h. die künstliche Prothese bleibt ein fremder Gegenstand, der nicht wirklich zum eigenen Körper gehört.
Kognitive Neurophysiologie beim Prothesendesign
Oft wird der Beitrag kognitiver neurophysiologischer Prozesse zur Körperwahrnehmung beim Design von Prothesen noch vernachlässigt. Mit dem Thema Körperzugehörigkeit beschäftigt sich seit längerem Giovanni Di Pino, Neurologe und Ingenieur für Biomedizintechnik an der Universität Campus Bio-Medico in Rom, der auch Projektkoordinator von RESHAPE ist. „Die kognitive Neurophysiologie in der Prothetik erforscht den sensorisch-motorischen Regelkreis, ein Hirnareal, das vermittelt, dass die Hand zum eigenen Körper gehört“, erklärt er. „Stimmt die Bewegung der Hand weitgehend mit den dabei an das Gehirn übermittelten Informationen überein, weiß das Gehirn, dass es die eigene Hand ist.“ Um das Prothesendesign entsprechend zu verbessern, führte RESHAPE die Fachbereiche Robotik und Neurotechnik mit kognitiver und somatosensorischer Neurophysiologie zusammen. Zunächst untersuchte das Projektteam bei Menschen mit und ohne Amputationen, wie das Gehirn eine Vorstellung vom eigenen Körper erzeugt, und welche Merkmale Prothesen haben müssen, damit sie als dem Körper zugehörig empfunden werden. Auch leistungsfähige Prothesen werden weniger gut akzeptiert, wenn sie sich nicht lebensecht anfühlen. „So präsentierten wir Amputierten eine spezielle Virtual-Reality-Umgebung und veränderten bestimmte Eigenschaften der Prothese“, erläutert Di Pino, „um herauszufinden, welche Merkmale sie haben sollte, damit sie sich möglichst natürlich anfühlt.“
Steigerung der Hirnplastizität
Di Pino erklärt, dass das Gefühl für Körperzugehörigkeit erlernbar ist. So wird etwa beim Tennis der Tennisschläger als verlängerter Arm wahrgenommen, ähnlich wie beim Schlagzeugspielen die Drumsticks. Das Team forschte an innovativen physikalischen und steuerungstechnischen Paradigmen zur Verbesserung der Körperzugehörigkeit. Mittels Nerventransplantation wurden die „natürlichen“ sensorischen und motorischen Funktionen der amputierten Hand auf die Brustmuskeln umgeleitet, um eine einfachere Schnittstelle herzustellen. Einer anderen freiwilligen Versuchsperson wurde ein Implantat in den Knochenstumpf eingesetzt, um eine physische Verbindung zur Prothese herzustellen. Ein weiterer Projektschwerpunkt war die Modulation der Gehirnaktivität mittels nicht-invasiver Hirnstimulation, um herauszufinden, ob die Hirnplastizität verbessert werden und so die Körperzugehörigkeit der Prothese „erlernt“ werden kann. Hierfür wurde ein autonomer robotergestützter Magnetstimulator entwickelt, der die Neuromodulation durchführen kann, während die Person den Kopf bewegt, sowie ein superselektiver elektrischer Hirnstimulator.
Besseres Körperempfinden für Amputierte
Da die Eignung des Stimulators zur Steigerung der Hirnplastizität erfolgreich demonstriert wurde, soll ein Spin-off-Unternehmen nun die Kommerzialisierung vorantreiben. „Anwendung für nicht-invasive Neurostimulation könnten auch über Amputationen hinausgehen“, ergänzt er. „Die Bandbreite ist groß, z. B. zur Behandlung von Depression, Schlaganfall oder Alzheimer-Demenz.“ Bis dahin wird weiter an der Verbesserung der Körperzugehörigkeit von Prothesen geforscht, wofür zunächst die Probandenzahl erhöht werden soll, um dann zu untersuchen, ob die Körperwahrnehmung durch einen künstlichen sensomotorischen Regelkreis zwischen Körper und Prothese verbessert werden kann. „Letztlich sollen Amputierte eine unauffällige, sofort einsatzfähige und steuerbare Prothese erhalten“, sagt Di Pino. Mit den Methoden könnten auch funktionierende Exoskelette entwickelt und zahlreiche Mensch-Maschine-Schnittstellen feineingestellt werden.
Schlüsselbegriffe
RESHAPE, Amputierte, Prothesen, Neurophysiologie, Prothese, Gehirn