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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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Feature Stories - Geschäftserfolg: Kenntnis der Regeln und ihre erfolgreiche Anwendung

Unternehmen können von Menschen geleitet werden, aber sie müssen Regeln befolgen. Ein von der EU finanziertes Projekt nutzt semantische Verfahren, um Unternehmen dabei zu unterstützen, die Regeln für ihren Betrieb einfacher zu ermitteln und anzuwenden.

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Sollte es jemals ein "Geheimnis" für den geschäftlichen Erfolgt gegeben haben, wurde es wahrscheinlich vor 2500 Jahren von Sokrates formuliert: "Erkenne dich selbst." Um seinen Erfolg zu festigen und seinen Wettbewerbsvorteil auszubauen, muss jedes Unternehmen die Details verstehen, die dafür verantwortlich sind "wie es tickt", angefangen bei der Art und Weise, wie neue Produkte und Dienstleistungen entwickelt werden, bis hin zur Erfassung und Nutzung von Kundenfeedback. Dank leistungsstarker Softwaresysteme können sich Unternehmen durch Daten wühlen, Geschäftsprozesse analysieren und die Regeln dokumentieren, die von den Mitarbeitern befolgt werden müssen, um Gesetze einzuhalten, die Kundenzufriedenheit zu verbessern und allgemein sicherzustellen, dass das Unternehmen gute Leistungen erzielt. Unternehmen zeichnen mit Hilfe von Wissensmanagementsystemen alle Regeln auf, die die Grundlage für die von den Mitarbeitern zu erledigende Arbeit bilden; häufig sind die Regeln derart komplex, dass es für einzelne Personen unmöglich wäre, ihre Arbeit ohne die Anleitung des Wissensmanagementsystems ordnungsgemäß zu verrichten. Aber die Einrichtung und Verwendung der meisten wissensbasierten Systeme in Unternehmen ist nicht ganz so einfach; es ist schwierig, die Regeln einzuhalten, anzupassen und zu optimieren, da sich die Gesetzgebung ändert oder das Unternehmen auf Wettbewerbsbedingungen reagiert oder neue Arbeitsmethoden entwickelt. Ein kompliziertes Unterfangen "Das Problem bei gegenwärtigen wissensbasierten Systemen ist, dass sie von Experten auf dem Gebiet der Wissenssysteme kodiert werden", erklärt Christian de Sainte Marie von IBM Frankreich. "Es kann äußerst kompliziert sein, Regeln überhaupt erst einmal zu identifizieren und zu dokumentieren; dann muss der Computercode geschrieben werden, mit dem diese Regeln im gesamten Unternehmen umgesetzt werden." "Wissensbasierte Systeme sind schwer zu verwalten und zu pflegen, da sie Fachkenntnisse von Statistikern und Datenanalysten, Mitarbeitern aus dem Betrieb und Mitarbeitern mit Kundenkontakt sowie Computerprogrammierern erfordern", fährt de Sainte Marie fort. "Das sind viele verschiedene Menschen, von denen jeder über seine eigenen Fachkenntnisse und sein eigenes Wissen verfügt." Christian de Sainte Marie koordiniert das von der EU finanzierte Projekt "Ontologies meet business rules" (Ontorule), das dafür sorgen soll, dass Unternehmensexperten mehr Eigentümerschaft an den Regeln erhalten, und sie dabei unterstützen will, diese Regeln zu erfassen und im gesamten Unternehmen umzusetzen, ohne dass die Fachkenntnisse von beispielsweise Softwareprogrammierern benötigt werden, um diese Regeln in Computercode umzuwandeln. "Das Ziel des Ontorule-Projekts besteht darin, das Wissen von seiner Umsetzung zu trennen", erklärt de Sainte Marie. "Gegenwärtig müssen die Unternehmensexperten, die am besten wissen, wie das Unternehmen läuft, und die Zwänge seiner Aktivitäten kennen, dieses Wissen irgendwie den IT-Experten vermitteln, die dann ihrerseits erarbeiten müssen, wie die Regeln in den Softwaresystemen ausgedrückt werden. Wir glauben, dass wir durch die Verwendung eines genau definierten Vokabulars mit abgestimmter Bedeutung, auch Ontologien genannt, das Wissen von den Regeln und die Darstellung des Wissens von seiner IT-Umsetzung trennen können." Das Ontorule-Projekt unterstützt die betreffenden Personen im Unternehmen bei der separaten Verwaltung und Pflege von Ontologien, Geschäftsregeln und Datenmodellen, ohne sich dabei Sorgen machen zu müssen, wie sie ihre Arbeit anderen vermitteln können. Aufstellung von Regeln … ganz natürlich Eine der größten Herausforderungen ist die Umsetzung von Vorgehensweisen, Gesetzgebungen, statistischen Analysen und der strategischen Planung des Unternehmensvorstands beispielsweise in konkrete eindeutige Regeln. Das Wissen wird häufig in Dokumenten (Rechtstexte, Protokolle der Vorstandssitzungen usw.) in Prosa dargelegt. Ontorule unterstützt die Unternehmensexperten mit Hilfe eines Verfahrens zur Verarbeitung natürlicher Sprache dabei, Ontologien zu formulieren und Regeln anhand von Text aus Dokumenten auszudrücken. Die Software zur Verarbeitung natürlicher Sprache analysiert Texte, sucht nach Schlüsselsätzen, grammatikalischen Konstruktionen und anderen Merkmalen eines Dokuments, um potenzielle Regeln zu identifizieren; ein Unternehmensexperte kann dann die geeigneten Regeln aussuchen und optimieren, wobei er weiterhin natürliche Sprache verwendet werden kann und sich nicht darum sorgen muss, wie sie in Code umgesetzt werden. "Mit dieser Verarbeitung natürlicher Sprache waren wir in der Lage, Regeln vorzuschlagen, die präzise genug sind, dass nur wenig oder gar kein Spielraum für Interpretationen durch den Spezialisten bleibt, der die Regeln in vom Computer ausführbare Regeln überträgt. Damit ist uns ein großer Schritt vorwärts gelungen, obwohl die vollständige Automatisierung der Regelextraktion aus natürlicher Sprache immer noch weit entfernt ist", bemerkt Christian de Sainte Marie. Die Unternehmenswissensontologie von Ontorule vereint abstraktes Unternehmenswissen mit konkreten operativen Regeln in einem einzigen Bereich. Experten auf dem Gebiet der Regelumsetzung sowie der Unternehmensstrategie und -Compliance können effizient mit ein und derselben Wissensbank arbeiten, da eine Ontologie das Wissen in einer sehr strukturierten und eindeutigen Art und Weise organisiert. Die Ontorule-Plattform nutzt "Semantics of business vocabulary and business rules" (SBVR), wobei es sich um einer international anerkannten Standard für die hochgradige Formalisierung von Unternehmensterminologie und -regeln handelt. Er ähnelt der natürlichen Sprache (wodurch er auch für Experten mit Unternehmenswissen verständlich ist), aber auch der "Web Ontology Language" (OWL), die von Experten für die Formulierung und Umsetzung von Unternehmensregeln verstanden wird. "Ontorule basiert auf dem SBVR-Übergangsformat,' sagt Christian de Sainte Marie, "das von der Beschreibung eines Unternehmens und seiner Aktivitäten in natürlicher Sprache bis hin zur stark strukturierten und definierten Version dieser Beschreibung in einer Ontologie reicht. Anhand dieser Ontologie können dann spezifische, verwendbare Unternehmensregeln entwickelt werden." Regeln für die echte Welt Die von Ontorule entwickelte Technologie und Methodik wurde an zwei Prototypsystemen getestet: einmal in der Konstruktionsabteilung von Audi in Deutschland und in einem Stahlverzinkungswerk, das zu ArcelorMittal gehört. ArcelorMittal nutzt ein Softwareexpertensystem, um die Qualität seiner verzinkten Stahlcoils zu analysieren und zu ermitteln, welche Coils an bestimmte Kunden geliefert werden oder ob sie repariert bzw. recycelt werden müssen. Mit dem Ontorule-System werden alle Regeln in diesem Prozess erfasst – nicht nur die, die im Expertensystem erfasst sind, sondern auch alle anderen Zwänge, Vorgehensweisen und Zusammenhänge hinsichtlich der endgültigen Versandentscheidung. Sind die Regeln erst einmal erfasst, können sie von anderen ArcelorMittal-Werten in ganz Europa umgesetzt und angepasst werden. Peter Rosina hat bei den Tests des Ontorule-Systems in der FuE-Abteilung von Audi mitgeholfen. "Wir verwenden Ontologien und Unternehmensregeln, um einen Teil des Wissens in unserer Abteilung zu erfassen und zu analysieren", erklärt er. "Während des Projekts konnten wir Unternehmenswissen modellieren, das wir nie zuvor mit anderen Systemen verwaltet hatten. Ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass wir durch die Verwendung der Ontorule-Technologie für die Pflege unseres Unternehmenswissens Zeit sparen und "digitalen Müll" verringern. Wir pflegen unser Unternehmenswissen nicht mehr in einer Tabellenkalkulation, sondern an einem zentralen Ort, an dem es sich leichter speichern, überwachen und aktualisieren lässt, um die Prozesse in unseren Konstruktionslabors zu verbessern." Das Ontorule-Projekt erhielt im Rahmen des Themas "Informations- und Kommunikationstechnologien" (IKT) des Siebten Rahmenprogramms (RP7) der EU Finanzmittel in Höhe von 6,1 Mio. EUR (aus einem Gesamtprojektbudget von 10,2 Mio. EUR). Links zu den Projekten auf CORDIS: - RP7 auf CORDIS - Datenblatt zu Ontorule auf Cordis Link zur Projekt-Website: - Website "Ontologies meet business rules" Links zu themenbezogenen Videos/Audiomedien: - Demo-Videos zum Ontorule-Projekt - Ontorule-Demonstrator zur Stahlindustrie, Arcelormittal Weitere Links: - Website der Europäischen Kommission zur Digitalen Agenda