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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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Feature Stories - Fernsehen und Internet: die Traumehe der Unterhaltungsindustrie

Wenn Sie sich erst kürzlich einen neuen Fernseher gekauft haben, ist er wahrscheinlich viel smarter als ihr alter. Ungefähr jeder dritte in Europa verkaufte Fernseher ist ein sogenannter intelligenter Fernseher (Smart TV) mit integriertem Internetzugang, manchmal auch bezeichnet als connected TV oder Hybrid-Fernseher. Sie bilden den Endpunkt einer riesigen und schnell wachsenden Wertschöpfungskette, in dessen Zentrum das Zusammenwachsen von Fernsehen und Internet steht.

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Genau wie der Zugriff auf das Internet ausschließlich über einen Computer immer mehr aus der Mode kommt, so ist auch Der Fernseher im herkömmlichen Sinne bald ein Ding der Vergangenheit - zusammen mit der Klage "Im Fernsehen läuft nichts!" Mit intelligenten Fernsehern werden die Kanäle interaktiver: man kann Inhalte unter Freunden tauschen, bewerten und kommentieren, Videos können "gestreamt" und jederzeit angeschaut werden, sodass man seine Lieblingssendung nie mehr verpassen muss. "Connected TV", ermöglicht es nach den Worten von Neelie Kroes, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und zuständig für die Digitale Agenda, den Verbrauchern, "das Beste herkömmlicher Medien mit dem Besten der neuen Medien zu kombinieren: Lieblingssendungen lassen sich mit Lieblingsspielen und sozialen Netzwerken kombinieren, Inhalte kommen auf Nachfrage ('on demand') und nicht nach Zeitplan zu uns in die Wohnzimmer." Und es geht nicht nur um den Fernseher bei uns zu Hause. Sowohl traditionelle Rundfunk- als auch neue Multimediainhalte werden zunehmend über unterschiedlichste Geräte abgerufen - mithilfe Ihres Smartphones können Sie eine Sendung zu Hause beim Frühstück beginnen und nahtlos auf dem Weg zur Arbeit weiter weiterschauen. Für den Verbraucher klingt das wie der Unterhaltungshimmel, die Realisierung stellt für Netzbetreiber, Systementwickler und -integratoren, Content-Anbieter und -Produzenten sowohl eine große Chance als auch eine Herausforderung dar. Mehrere EU-finanzierte Projekte befassen sich mit den Herausforderungen, von der Suche nach den besten Methoden zur Lieferung der Inhalte bis hin zur Gewährleistung einer nahtlosen Integration aller Medien für Endbenutzer. Hunger nach Bandbreite: von HD zu 3D Das Projekt Optiband (1) konzentriert sich zum Beispiel auf die Übertragung von High-Definition (HD)-Videos und Video-on-Demand (VoD) über sogenannte IPTV-Netzwerke (Internet-Protokoll-Fernsehen), die heute üblicherweise schnelle DSL-Verbindungen nutzen, um Medieninhalte neben traditionellen Sprach- und Datendiensten aus dem Internet zum Endnutzer zu liefern. Mithilfe innovativer Algorithmen für eine effiziente Verteilung von Inhalten unter Beibehaltung der Videoqualität konnten die Optiband-Forscher das Streamen von drei HD-Videos über einen einzigen DSL-Anschluss mit 15Mbps demonstrieren. Das bedeutet nichts anderes, dass drei Nutzer über eine einzige Verbindung und ohne Qualitätseinbußen verschiedene HD-Inhalte anschauen können - eine große Verbesserung im Vergleich zum aktuellen Stand der Technik. Bessere Übertragungsmethoden sind heute vielleicht der wichtigste Faktor für die breite Einführung intelligenter TV-Dienste. Videoinhalte benötigen sehr viel Bandbreite und machen bereits mehr als die Hälfte aller Datenübertragungen im Internet aus. Und angesichts der wachsenden Verbreitung von HD-Inhalten erscheint eine Netzwerküberlastung ein sehr reales - und alarmierendes - Szenarium. Einigen Schätzungen zufolge bräuchte ein Mensch allein 6 Millionen Jahre, um das gesamte Videomaterial anzuschauen, das im Jahr 2016 pro Monat in den weltweiten Netzen übertragen werden wird. Das erfordert viel Bandbreite, aber vielleicht nicht so viel wie befürchtet. "Man sollte immer daran denken, dass alle zur Verfügung stehenden Bandbreite auch ausgenutzt wird", sagt Jari Ahola, Projektkoordinator am finnischen technischen Forschungszentrum VTT. "Mit wachsender Bandbreite nehmen auch die Möglichkeiten, sie zu verbrauchen, zu: HD-Video ist ein Beispiel dafür." So hilft es nicht allein, wenn man mehr Bandbreite schafft - also im Wesentlichen über mehrere Kabel und andere Netzwerkinfrastrukturen -, um das Problem anzugehen. Neue Wege zur Verteilung von Videos würden auch helfen. Anstelle das traditionellen Unicast-Modells, bei dem Server Daten an jeden Nutzer senden, haben Ahola und ein Forscherteam im Rahmen des Projekts P2P-Next (2) gezeigt, dass Inhalte viel effizienter über eine P2P-Netzwerk (Peer-to-Peer) verteilt werden können, wo Daten sozusagen von einem Nutzer zum nächsten springen. Das Team von P2P-Next konnte mithilfe einer modifizierten Version der P2P-Technologie illegaler Filesharingdienste ein System demonstrieren, das für die Videoübertragung mindestens 65% weniger Bandbreite nutzt als das Unicast-Streaming. "Für Netzbetreiber bietet P2P einen großen Vorteil in Bezug auf Bandbreitenanforderungen und Kosten", erklärt der Koordinator von P2P-Next. Effizientere Übertragungsmethoden sind wichtig nicht nur hinsichtlich aktueller Trends, wie die größere Verbreitung von HD-Inhalten, sondern auch im Hinblick auf künftige Entwicklungen, die wahrscheinlich noch mehr Bandbreite benötigen werden. Nach HD ist 3D auf dem besten Weg, die neue Video-Revolution zu werden. Daher arbeiten die Forscher des Projekts Romeo (3) daran sicherzustellen, dass diese 3D-Inhalte die Nutzer mit ausreichender Qualität erreichen. Sie wollen ein qualitätsbewusstes P2P-System mit DVB-Technologie (Digital Video Broadcasting) und innovativen Echtzeit-Komprimierungsmethoden kombinieren, um 3D-Video- und Raumklanginhalte - inklusive Live-Streams - an mehrere Benutzer sowohl über Fest- als auch über Mobilfunknetze zu übertragen. Dennoch befürchten Netzbetreiber, dass selbst bei Content-Optimierung und effizienten P2P-Übertragungsmethoden die Anforderungen der Nutzer mit der Zeit zu einer unkontrollierbaren Zunahme des Datenverkehrsaufkommens führen werden. Diesem Problem nimmt sich die Initiative Napa-Wein (4) an, in deren Rahmen Forscher in Frankreich, Italien, Ungarn, Polen und dem Vereinigten Königreich eine eingehende Analyse der Auswirkungen einer breiten Einführung von P2P-Fernsehdiensten auf das Internet durchzuführen. Sie wollen aus ihrer Arbeit Empfehlungen für Entwickler von P2P-Fernsehen ableiten, wie Systeme gestaltet werden sollten, um die Netzlast möglichst stark zu minimieren. Außerdem wollen sie kostengünstige Änderungen aufzeigen, mit denen Netzbetreiber die verfügbare Bandbreite für P2P-Anwendungen besser nutzen können. Zwei-Wege-Fernsehen Um ihre Servicequalität gewährleisten zu können, müssen Service-Provider und Netzbetreiber verstehen, was im Netzwerk passiert. Ebenso möchten Anbieter und Schöpfer von Inhalten wissen, wie ihre Inhalte von ihrem Publikum aufgenommen werden. Mit intelligentem Fernsehen, das interaktiv sein kann und wo die Daten in beide Richtungen reisen können, bieten sich enorme Möglichkeiten zur Nutzung von Zuschauerinformationen, beispielsweise für genauere Marktforschungen - im Vergleich mit herkömmlichen Zuschauerumfragen - und persönlich zugeschnittene Zuschauererlebnisse. In dem kürzlich gestarteten Projekt Vista-TV (5) Projekt soll ein System entwickelt werden, mit dem sich anonymisierte Zuschauerdaten von Nutzern intelligenter Fernsehgeräte extrahieren, auswerten und analysieren lassen. Das Endergebnis, so hofft das Projekt-Team, wird die Schaffung eines völlig neuen KMU-geführten Markts für Informationen zum Fernsehverhalten sein. "Dies ist ein revolutionärer Ansatz. Bislang werden die einzigen Messungen von staatlichen Organisationen durchgeführt und auch nur bei ein paar tausend Nutzern gleichzeitig", sagt Professor Abraham Bernstein, Projektkoordinator von der Universität Zürich, Schweiz. Für die Nutzer aber ist der revolutionärste Aspekt des intelligenten Fernsehens die Tatsache, dass sie effektiv die Kontrolle übernehmen. Sie wollen mehr Informationen über das Thema eines Dokumentarfilms? Mit ein paar Klicks können sie die auf dem Bildschirm aufrufen, zusammen mit einer Liste von anderen Programmen, die Sie vielleicht per Video-on-Demand gucken wollen. Sie wollen Fußball mit Ihren Freunden zusammen sehen, wollen aber auch nicht ausgehen? Schauen Sie sich das Spiel zusammen über ein soziales Netzwerk an, mit Kommentaren und Gesprächen. Sie sind aus dem Urlaub zurückgekehrt und wollen Ihrer Familie und Freunden Fotos und Videos zeigen? Laden Sie die Medien hoch und erstellen Sie bequem vom Sofa aus Ihren eigenen Kanal. Verschiedene Projekte befassen sich mit den zugrunde liegenden Technologien, um die Integration der verschiedenen Medien, Übertragungsarten und Anzeigegeräte für den Endnutzer so nahtlos und transparent wie möglich zu machen. Der soziale Aspekt Im Rahmen von HBB-Next (6) entwickeln Forscher nutzerorientierte Technologien zur Erweiterung des Fernseherlebnisses durch soziale Netzwerke, einen Mehrgerätezugriff und gruppenoptimierte Inhaltsempfehlungen sowie die nahtlose Kombination von Fernsehinhalten, Internetinformationen und nutzergenerierten Inhalten. In NoTube (7) befasste sich ein Team aus neun Ländern mit der Nutzung semantischer Technologien zum Kommentieren von Inhalten, sodass Computer die Bedeutung der aufgerufenen Videos erkennen können. Zusammen mit Daten über Sehgewohnheiten und Aktivitäten in sozialen Netzwerken ermöglicht das hoch personalisierte, intelligente Dienstleistungen. Und in Comet (8) befassen sich die Forscher in erster Linie mit nutzergeneriertem Inhalt und entwickeln eine Architektur für inhaltsbewusste Netzwerke, um das Finden, den Zugang und die Verbreitung von Videos zu vereinfachen. Das Team von LinkedTV (9) kommt aus acht europäischen Ländern und geht noch einen Schritt weiter, indem sie die Cloud ins Zentrum der Zusammenführung von Fernsehen und Internet stellt. Indem Inhalte in einer einheitlichen, integrierten und interaktiven Erfahrung zusammengeführt werden, schaffen die Forscher eine Online-Cloud mit vernetzten audiovisuellen Inhalten, die unabhängig von Ort, Gerät oder Quelle zugänglich sein werden. Ihr Ziel ist ein interaktives, vom Benutzer kontrolliertes fernsehähnliches Erlebnis - ob der Inhalt auf einem Fernseher, Smartphone, Tablet oder Computer angeschaut wird. "Das Durchblättern von Fernseh- und Web-Inhalten sollte so nahtlos und verknüpft sein, dass die Begriffe 'im Internet surfen' und 'Fernsehen' schließlich synonym sein werden", erklären die LinkedTV-Forscher. --- Die in diesem Artikel vorgestellten Projekte wurden innerhalb des Siebten EU-Rahmenprogramms für Forschung (RP7) unterstützt. (1) Optiband: Optimization of Bandwidth for IPTV video streaming (2) P2P-Next: Next generation peer-to-peer content delivery platform (3) Romeo: Remote Collaborative Real-Time Multimedia Experience over the Future Internet (4) Napa-Wine: Network-Aware P2P-TV Application over Wise Networks (5) Vista-TV: Linked Open Data, Statistics and Recommendations for Live TV (6) HBB-Next: Next Generation Hybrid Media (7) NoTube: Networks and Ontologies for the Transformation and Unification of Broadcasting and the Internet (8) Comet: COntent Mediator architecture for content-aware nETworks (9) LinkedTV: Television linked to the Web Links zu den Projekten auf CORDIS: - RP7 auf CORDIS - Optiband auf CORDIS - P2P-Next auf CORDIS - Romeo auf CORDIS - Napa-Wine auf CORDIS - Vista-TV auf CORDIS - HBB-Next auf CORDIS - NoTube auf CORDIS - Comet auf CORDIS - LinkedTV auf CORDIS Links zu verwandten Nachrichten und Artikel: - Feature Stories - P2P rettet Internetvideo - Feature Stories - Internet und Fernsehen: Das perfekte Paar? Weitere Links: - Website zur Digitalen Agenda der Europäischen Kommission