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Inhalt archiviert am 2023-03-16

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Warum Marihuana tatsächlich das Erinnerungsvermögen beeinträchtigt

Der therapeutische Nutzen von Marihuana wird seit langem kontrovers diskutiert: Gegner sehen in der Beeinträchtigung von Erinnerungsvermögen und Kurzzeitgedächtnis das Hauptargument, die Substanz nicht zu verschreiben. Obwohl die Nebenwirkungen hinlänglich bekannt sind, liefer...

Der therapeutische Nutzen von Marihuana wird seit langem kontrovers diskutiert: Gegner sehen in der Beeinträchtigung von Erinnerungsvermögen und Kurzzeitgedächtnis das Hauptargument, die Substanz nicht zu verschreiben. Obwohl die Nebenwirkungen hinlänglich bekannt sind, liefern internationale Forscher nun neue Erkenntnisse zu Wirkmechanismen und neurobiologischen Zusammenhängen dieser typischen Nebenwirkungen. Ihre Ergebnisse zu den wahren Ursachen der Gedächtnislücken stellen die Forscher aus Kanada, China, Frankreich, Spanien und den Vereinigten Staaten im Fachblatt Cell vor: der psychoaktive Wirkstoff THC beeinträchtigt das Erinnerungsvermögen unabhängig vom direkten Einfluss auf die Neuronen. Der Effekt entsteht vielmehr, weil THC auf die Astrozyten wirkt, die bislang als passive Unterstützer der aktiven Neuronen galten. Wenn es eines Tages gelingt, diese beiden Wirkmechanismen zu trennen, könnte man sich, so die Forscher, bei der Behandlung von Schmerzen, Spastiken und anderen Erkrankungen die Vorteile von THC zunutze machen, ohne das Gedächtnis zu schädigen. Lange nahm man an, dass die Aufgabe der Astrozyten vorrangig darin bestehe, Neuronen zu unterstützen, zu schützen und zu ernähren. Erst in den letzten zehn Jahren mehren sich Hinweise, dass den Zellen eine durchaus aktive Rolle bei der Bildung von Synapsen zukommt. "Wir fanden heraus, dass die Ursache des Phänomens, also die Beeinträchtigung des Arbeitsgedächtnisses, bei den Astrozyten zu suchen ist", erklärt Studienautor Giovanni Marsicano vom Forschungszentrum INSERM in Frankreich. Xia Zhang von der Universität Ottawa in Kanada fügt hinzu, dies sei "der erste konkrete Hinweis darauf, dass Astrozyten das Arbeitsgedächtnis modulieren". Der Zusammenhang offenbarte sich den Forschern allerdings eher zufällig, als sie untersuchten, warum Astrozyten Rezeptoren besitzen, die sowohl auf THC als auch auf Signale reagieren, die auf natürliche Weise im Gehirn produziert werden. Diese CB1R-Rezeptoren sind im Gehirn sehr zahlreich vorhanden, vor allem auf Neuronen jeglicher Art. In ihren Experimenten zeigten die Forscher, dass Mäuse, denen CB1R nur auf der Zellmembran der Astrozyten fehlte, gegen die negativen Effekte von THC auf das räumliche Arbeitsgedächtnis immun waren. Fehlte stattdessen der CB1R-Rezeptor auf den Neuronen, litten die Tiere immer noch unter den typischen Gedächtnisproblemen. Geht man also davon aus, dass verschiedene Zelltypen verschiedene Varianten von CB1R exprimieren, könnte es eventuell einen Weg geben, die Rezeptoren auf den Neuronen zu aktivieren und gleichzeitig jene auf den Astrozyten auszuschalten. "Die Studie zeigt, dass eine der häufigsten toxischen Nebenwirkungen von Cannabinoiden auf die Aktivierung der Astrozyten-CB1R zurückzuführen ist. Die Ergebnisse legen weiterhin nahe, dass Astrozyten nicht nur das räumliche, sondern auch andere Bereiche des Arbeitsgedächtnisses beeinflussen", fährt Xia Zhang fort. Demnächst will das Team untersuchen, auf welche Weise endogene Endocannabinoide, die auf natürlichem Wege CB1Rs aktivieren, auf Astrozyten und andere Zellen wirken. Das endocannabinoide System beeinflusst neben Appetit, Schmerzempfinden und Stimmungslage auch das Erinnerungsvermögen und viele andere Funktionen. Giovanni Marsicano zufolge "sind bei jeder physiologischen Funktion im Körper Endocannabinoide in irgendeiner Form beteiligt." Sobald mehr über die Funktionsweise der Moleküle bekannt ist, könnte beispielsweise gezielter nach Therapien für die Alzheimer-Krankheit gesucht werden.Weitere Informationen erhalten Sie hier: Cell: http://www.cell.com/

Länder

Kanada, China, Spanien, Frankreich, Vereinigte Staaten