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Inhalt archiviert am 2023-03-24

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Wissenschaftler erklären, warum Tuberkulose-Impfstoff auch vor anderen Erkrankungen schützt

Forscher, die teilweise durch die EU-geförderten Projekte MENTORINGTREGS und SYSBIOFUN finanziert wurden, fanden eine Erklärung dafür, warum der weltweit am meisten verwendete Impfstoff, der auf Tuberkulose ausgerichtet ist, auch wirksam vor anderen Infektionskrankheiten schützt.

In einer Studie, dir kürzlich in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Cell Reports“ veröffentlicht wurde, demonstrierten die beteiligten Forscher, dass die weit gefächerten Wirkung des Impfstoffs Bacillus Calmette-Guérin (BCG) durch metabolische und epigenetische Veränderungen bei weißen Blutkörperchen namens Monozyten entstehen könnte. Bei diesem Vorgang spricht man von „erworbener Immunität“. Infolge dieser Entdeckung könnten Strategien entwickelt werden, bei denen sowohl immunologische als auch metabolische Stimulation angewendet werden, um die Wirksamkeit von Impfstoffen und Krebstherapien zu steigern. „Diese Erkenntnisse bedeuten gleich zwei Erfolge: Erstens haben wir neue biologische Wechselwirkungen entdeckt, die den Zellstoffwechsel mit Immunantworten in Verbindung bringen, zweitens eröffnen sich so neue Behandlungsansätze, bei denen der Stoffwechsel und somit auch angeborene Immunantworten moduliert werden und die als neuartige Immuntherapien in Frage kommen“, sagte Mihai Netea, der leitende Autor der Studie. „Es sollte jedoch klar sein, dass dies erst den Anfang eines langen Prozesses darstellt, diese Erkenntnisse in die klinische Praxis umzusetzen, und dass noch weitere Untersuchungen erforderlich sind.“ Mit vielen Studien wurde belegt, dass BCG auch vor anderen Infektionskrankheiten als Tuberkulose zu schützen kann. So senkt eine frühe Verabreichung die Sterblichkeitsrate bei Kindern, etwa da Erkrankungen der unteren Atemwege seltener auftreten und durch Infektionen ausgelöste schädliche Immunantworten vermieden werden. Mit BCG kann auch Blasenkrebs behandelt werden, und der Impfstoff erzielte auch für andere Krankheiten, darunter Asthma und parasitäre Erkrankungen, vielversprechende Ergebnisse. Doch warum BCG auch gegen andere Erkrankungen wirkt, ist nach wie vor ein Rätsel. Um dieses Geheimnis zu lüften, untersuchten Netea und sein Team die durch BCG verursachten Stoffwechselveränderungen bei Immunzellen, die von Geburt an vorhanden sind und Monozyten genannt werden. Die Forscher stellten fest, dass die Impfung bei Mäusen und Menschen zu einem starken und langfristigen Anstieg des Glykosespiegels führt, und in geringerem Ausmaß wird auch der Glutaminstoffwechsel angeregt. Die Verschiebung des Glukosestoffwechsels hin zur Glykolyse war erforderlich, um die erworbene Immunität auszulösen. Der Vorgang basiert auf epigenetischen Veränderungen, welche sich auf die Genaktivität auswirken, ohne die DNA-Sequenz zu verändern. Als Folge können die angeborenen Immunzellen bereits bekannte Pathogene schneller erkennen und wirksamer auf sie reagieren. Konkret waren die durch BCG verursachten Stoffwechselveränderungen erforderlich, um Proteine namens Histone zu modifizieren, welche die Strukturen bilden, um die sich die DNA windet. Bei Menschen wirkten sich Veränderungen der Einzelnukleotide in Genen, welche mit der Kodierung von Glykolyse-Enzymen in Verbindung stehen, auf die erworbene Immunität durch Monozyten aus. Insgesamt belegen diese Ergebnisse, dass die durch BCG erworbene Immunität auf einer Veränderung des Zellstoffwechsels beruht. „Diese Erkenntnisse widersprechen der Auffassung, dass sich das angeborene Immunsystem nach einer Infektion oder Impfung nicht langfristig anpassen könne“, so Netea. „Die Vorstellung, dass sich die Funktion angeborener Immunzellen stabil verändern kann und beispielsweise durch bestimmte Impfstoffe wie BCG verbessert werden könnte, stellt einen Paradigmenwechsel in der Immunologie dar. Bis vor nicht allzu langer Zeit wurde noch angenommen, dass sich nur das adaptive Immunsystem an früher durchlaufene Infektionserkrankungen und Impfungen anpassen könne.“ Der nächste Schritt wird in einer größer angelegten Analyse der zirkulierenden Monozyten bei mit BCG geimpften Menschen bestehen, die Gefahr laufen, sich mit einer Erkrankung zu infizieren. „In Zukunft wird in größeren Studien untersucht werden, wie unterschiedlich diese Immunantworten bei verschiedenen Menschen ausfallen. So kann bestimmt werden, welche Faktoren für die individuellen Reaktionen auf Impfungen bestehen“, schloss Netea. „Letztendlich könnte ein tieferes Wissen über die durch BCG erworbene Immunität zu Behandlungsverfahren führen, mit denen der Zellstoffwechsel verändert wird, um die menschlichen Abwehrmechanismen zu stärken und die Wirksamkeit von Impfstoffen und Immuntherapien für die Patienten zu verbessern.“ Das MENTORINGTREGS-Projekt wurde von der EU mit 1,5 Mio. EUR gefördert und wird bis April 2018 fortgesetzt. Das Projekt SYSBIOFUN erhielt von der EU knapp den gleichen Betrag und soll im Dezember 2017 abgeschlossen werden. Weitere Informationen: MENTORINGTREGS-Projektseite bei CORDIS SYSBIOFUN-Projektseite bei CORDIS

Länder

Italien, Niederlande

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