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Human stem cell applications for the treatment of hearing loss

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Test neuer Therapien gegen Hörverlust am Petrischalenmodell

Der Verlust des Hörvermögens und die damit einhergehende Behinderung ist für Millionen von Menschen ein Problem, das zudem enorme sozioökonomische Kosten verursacht. Nun wurden an Modellen des menschlichen Innenohrs, die mit Stammzelltechnologien entwickelt wurden, neue Therapien getestet.

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Das Innenohr ist außerordentlich empfindlich und kann durch Lärmtraumata, toxische Medikamente, Infektionen, genetische Defekte oder altersbedingte Abbauprozesse funktionell geschädigt werden. Ursachen für Hörverlust – der häufigsten sensorischen Störung beim Menschen – sind vor allem die Schädigung oder der Verlust sensorischer Haarzellen in der Cochlea des Innenohrs (Corti-Organ), die „Schall“ als Signal zum Gehirn weiterleiten. Wissenschaftler des von Prof. Löwenheim in Tübingen koordinierten EU-finanzierten Projekts OTOSTEM suchten nun eine Lösung für dieses dringliche medizinische Problem und forschten an entsprechenden Medikamenten und zellbasierten Therapien. „Unser Schwerpunkt war die Stammzelltechnologie, mit der wir Modelle des menschlichen Innenohrs generieren wollten“, erklärt der stellvertretende Projektkoordinator Dr. Hasan Avci. OTOSTEM testete zwei therapeutische Ansätze zur Behandlung von Hörverlust: zum einen eine zellbasierte Therapie, mit der Stammzellen und otische Vorläuferzellen in die Cochlea übertragen werden, zum anderen eine medikamentöse Therapie, die Haarzellen vor Schäden bewahren oder zur Regeneration anregen soll. Stammzellquellen zur Behandlung von Hörverlust Die Forscher generierten diese otischen Vorläuferzellen (OPC, otic progenitor cells) aus verschiedenen Stammzellquellen, u. a. nativen Stammzellen aus fetalem und adultem menschlichen Ohrmuschelgewebe sowie embryonalen oder induzierten pluripotenten Stammzellen. Wichtige Kriterien bei diesen OPC waren dabei die In-vitro-Expansion und Differenzierung zu sensorischen Haarzellen, unterstützenden Zellen oder otischen neuronalen Zelltypen. OTOSTEM entwickelte Protokolle für die Verwendung von Morphogenen oder niedermolekularen Substanzen, die die zelluläre Differenzierung der otischen Zellen induzieren und determinieren. Mit verschiedenen Ex-vivo- und In-vivo-Assays wurde die biologische Funktion der OPC getestet und Tumorigenität ausgeschlossen. Über Vergleiche von Phänotyp und Genexpression bei den OPC fanden die Partner von OTOSTEM heraus, dass native humane Stammzellen die am besten geeignete Stammzellquelle für die Differenzierung zu otischen Zellen sind. Die Funktionalität der erzeugten otischen oder neuronalen Zelltypen wurde in In-vitro-Experimenten validiert. Mittels elektrophysiologischem Monitoring zeigte sich, dass transplantierte Zellen den Haarzellen in der Cochlea von Mäusen ähneln. Humane otische neuronale Vorläuferzellen wurden in präklinischen Tiermodellen für akustische Neuropathie getestet. So konnte das Hörvermögen wiederhergestellt werden und länger als 30 Wochen nach der Transplantation nebenwirkungsfrei bestehen bleiben. Petrischalenmodell für Hörverlust Bislang existiert noch kein quantitativer zellbasierter Test, mit denen sich Ototoxizität (für das Ohr toxische Medikamente) beim Menschen prüfen lässt, sodass selbst bei zugelassenen Medikamente das Risiko eines Hörverlusts besteht. Um dieses Problem zu lösen und Studien zur Arzneimittelsicherheit zu vereinfachen, entwickelt das OTOSTEM-Konsortium Assays für das Arzneimittel-Screening. Für die Erzeugung dieses „Petrischalenmodells für Hörverlust“ arbeitete man mit otischen Vorläuferzellen aus humanen induzierten pluripotenten Stammzellen. Mit dem Human-Assay wurden im mittleren Durchsatz mehr als 2 000 pharmakologische Wirkstoffe getestet, u. a. Arzneimittel, die von der FDA zugelassen sind. Überraschenderweise wurden dabei mehrere dieser Arzneimittel als ototoxisch klassifiziert. Das OTOSTEM-Konsortium entwickelte neuartige Substanzen mit otoprotektiver und otoregenerativer Aktivität. Otoprotektive Wirkstoffe verhindern, dass die Haarzellen im menschlichen Ohr absterben, otoregenerative Medikamente hingegen bewirken, dass abgestorbene Sinneszellen erneuert werden. Die Ergebnisse von OTOSTEM sind von enormer kommerzieller Relevanz für den noch kaum erschlossenen, aber wachsenden Markt für otoprotektive und regenerative Medikamente. Da ein Zusammenhang zwischen Schwerhörigkeit und neurologischer Entwicklung im jüngeren und Demenz im höheren Alter erkannt wurde, besteht dringender Bedarf nach klinisch validierten Therapien. Die Industriepartner gehen davon aus, dass die OTOSTEM-Modelle in die Wirkstoffforschung integriert werden können, um künftig neue und bessere Medikamente zur Behandlung von Hörverlust zu entwickeln. Wie Dr. Avci erläutert, „haben wir die Entwicklung neuartiger Therapien gegen Hörverlust mit Unterstützung durch das Siebte Rahmenprogramm erheblich vorangetrieben und wollen nun an unseren Erfolg im Horizont 2020-Programm anschließen.“

Schlüsselbegriffe

OTOSTEM, Hörvermögen, Stammzelle, Cochlea, Innenohr, otische Vorläuferzellen (OPC)

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