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Inhalt archiviert am 2023-03-20

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Jenseits der Genetik: auf der Suche nach neuen Therapien in biologischen Netzwerken

Unsere Gene bestimmen uns und alle anderen lebenden Organismen. Sie enthalten wichtige Informationen zum Aufbau und Erhalt der Zellen eines Organismus und übertragen genetische Merkmale auf die Nachkommen - alles, von der Augen- und Haarfarbe bis hin zu Anfälligkeit für oder R...

Unsere Gene bestimmen uns und alle anderen lebenden Organismen. Sie enthalten wichtige Informationen zum Aufbau und Erhalt der Zellen eines Organismus und übertragen genetische Merkmale auf die Nachkommen - alles, von der Augen- und Haarfarbe bis hin zu Anfälligkeit für oder Resistenz gegenüber Krankheiten. Aber Gene sind nicht die einzige Quelle biologischer Informationen: Proteine, metabolische Netzwerke sowie Gen-Protein-Interaktionsnetze, um nur einige zu nennen, können uns viel mehr erzählen. Zusammen könnten diese Daten zu wichtigen Fortschritten in der biomedizinischen Forschung und zu neuen Therapien führen. Das EU-finanzierte Projekt BIONET ("Network topology complements genome as a source of biological information") setzt die Graphentheorie - einen Zweig der Mathematik - ein, um zur Analyse dieser komplexen Daten Interaktionen in biologischen Netzwerken zu modellieren und fortschrittliche Algorithmen zu entwickeln. Man nehme etwa die Bäckerhefe. Eine einzelne Zelle enthält etwa 6000 Proteine und es finden etwa 50 000 Wechselwirkungen zwischen diesen statt. Während genetische Informationen wichtig sind, weil sie die Blaupause der Zelle enthalten, sind diese Wechselwirkungen zwischen den Proteinen des Netzwerks nicht weniger von Bedeutung, da sie bestimmen, wie die Zelle funktioniert. "So wie Einfamilienhäuser anders gebaut sind als Schulen oder Einkaufszentren, wurde die Struktur biologischer Netzwerke durch natürliche Selektion 'ausgewählt', um eine bestimmte biologische Funktion am besten durchzuführen", erklärt Dr. Nataša Przulj vom Imperial College London im Vereinigten Königreich, die eine Finanzhilfe für Nachwuchsforscher (Starting Grant) des Europäischen Forschungsrats (ERC) in Höhe von 1,6 Mio. EUR erhalten hat, um am Projekt BIONET zu arbeiten. Dr. Przulj und ihre Kollegen werden mit Hilfe modernster Mathematik, parallelem Rechnen und Data-Mining-Techniken die Informationen aufdecken, die in der Struktur der genetischen Interaktionsnetze, der Protein-Protein-Interaktionsnetze, metabolischen Netze, Proteinstrukturnetze und funktionalen Gehirnnetze vorhanden sind. Dies ist eine riesige Herausforderung, die große und komplexe Datenmengen umfasst und rechnerische Probleme birgt, da zu ihrer Analyse enorme Mengen an Rechnerzeiten benötigt werden. Das Team stützt sich auf Wissen und Technologie aus ganz unterschiedlichen Bereichen wie Mathematik, paralleles Rechnen, wissenschaftliches Rechnen und Data Mining sowie Biologie und Medizin. "Die Entzifferung dieser großen Netzwerke ist nicht einfach, da sie viele rechnerisch hartnäckige Probleme umfasst", so Dr. Przulj. "Diese biologischen Netzwerke sind sehr groß, sie enthalten z. B. alle Proteine und ihre bekannten Wechselwirkungen in einer Zelle, und wir extrahieren Informationen aus einer anderen Art von biologischen Daten, der Topologie von biologischen Netzwerken. Dies ist wichtig, weil eine einzige biologische Datenquelle biologische Prozesse nicht vollständig erklären kann, und wir müssen die Informationen aus jeder einzelnen extrahieren, bevor wir sie miteinander kombinieren, um ein vollständiges Bild über komplexe biologische Systeme zu erhalten. " Das Ergebnis hat jedoch möglicherweise riesiges Potenzial. Zu verstehen, wie biologische Netzwerke und die Wechselwirkungen in und zwischen diesen funktionieren, könnte unter anderem zu revolutionären Behandlungen für eine Vielzahl von Krankheiten führen. In diesem Sinne arbeitet das BIONET-Team mit Prof. Charles Coombes von der Fakultät für Medizin am Imperial College London, Prof. Djordje Radak vom Institut für Herz-Kreislauf-Krankheiten an der Universität Belgrad, Serbien, und Prof. Anand Ganesan von der Abteilung für Dermatologie der University of California, Irvine, USA, zusammen, um die biologischen Prozesse, die an Hautkrebs, Brustkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen beteiligt sind, zu studieren. "Wir haben mit Ärzten und Forschern an der Nutzung der in der Netzwerk-Topologie versteckten Informationen gearbeitet, die wir durch unsere neuen rechnergestützte Techniken aufgedeckt haben", sagt Dr. Przulj. So hat das Team etwa in der Topologie des menschlichen Protein-Protein-Interaktionsnetzes rechnerisch neue Proteine identifiziert, die an der Melanin-Produktion beteiligt sind, und es erhielt eine biologische Validierung der Ergebnisse. Dies ist für die Hautkrebsforschung von besonderer Bedeutung, da einige dieser neuen Proteine potenzielle Angriffspunkte für neue Medikamente sind, die die Heilung dieser komplexen Erkrankung unterstützen könnten. In ähnlicher Weise haben die BIONET-Forscher Proteine ermittelt, die an der Entstehung und Progression von vielen anderen komplexen Krankheiten beteiligt sind, einschließlich Krebs und Herz-Kreislaufprobleme. Aber die Auswirkungen der BIONET-Forschung machen bei der Biologie und der biomedizinischen Forschung nicht halt. Die rechnergestützten Techniken, die das Team für die Durchforstung von Netzwerk-Daten entwickelte, könnten auch in vielen anderen Bereichen angewendet werden, von der Wirtschaft und Demographie bis hin zur Katastrophenhilfe. Dr. Przulj merkt an, dass das Team auch mit Ökonomen zusammengearbeitet hat, um rechnergestützte Techniken auf das Welthandelsnetz anzuwenden. Damit wurde nach den Ursachen und möglichen Gesundungsprozessen von Wirtschaftskrisen geforscht. Das BIONET-Projekt soll im Dezember 2016 abgeschlossen werden.Weitere Informationen sind abrufbar unter: BIONET http://www.doc.ic.ac.uk/~natasha/erc-project.html Projektdatenblatt

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Vereinigtes Königreich

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