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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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Feature Stories - Der bunte Zauberwürfel und die Forschung: Ungarns facettenreiche Innovationen

Anspruchsvoll, bunt, facettenreich und manchmal ziemlich überraschend: Rubiks Zauberwürfel wohl eine der berühmtesten ungarischen Erfindungen aller Zeiten. Und während Ernő Rubik, Bildhauer und Architekturprofessor, auch heute noch den Ruhm für die Erfindung des weltweit meistverkauftesten Geduldsspiels erntet, haben andere Ungarn ebenso farbenprächtige und überraschende Beiträge zur Welt der Wissenschaft und Technik geleistet.

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Das vergangene Jahrhundert war für Ungarn ein Zeitalter herausragender Kreativität und Innovation. Angefangen beim ersten modernen Dieselmotor und Überschallflugzeug bis hin zu Kugelschreibern, LCD-, Plasmafernsehern und der Erfindung der Holographie - zwölf Ungarn erhielten den Nobelpreis, und das vor allem für ihre wissenschaftlichen Beiträge. Wie nicht anders zu erwarten, folgen die ungarischen Forscherinnen und Forscher von heute getreu den Fußstapfen ihrer Wegbereiter. Eine Arbeitsgruppe bei Holografika, einem ungarischen, auf 3D-Anzeigen spezialisierten Unternehmen, forscht zum Beispiel aufbauend auf der Erfindung der Holographie von Nobelpreisträger Dennis Gabor an einer bahnbrechenden Technologie, die nicht nur für 3D-Inhalte, sondern für holoskopische 3D-Inhalte geeignet ist. Das Projekt 3D Vivant (1) verfolgt mit Unterstützung der EU und der BBC unter Koordination der Brunel University im Vereinigten Königreich das Ziel, über den Stand der Technik hinausgehende Inhalte zu generieren und bereitzustellen, die eine Kreuzung zwischen 3D-Video und Hologramm darstellen: Das Bild springt den Betrachter buchstäblich aus dem Bildschirm heraus an, und das unabhängig vom Blickwinkel und ohne, dass man eine spezielle Brille tragen müsste. Zur Erzeugung dieser bislang unerreichten Inhalte wird das Team die weltweit erste ultrahochauflösende 3D-Holoskopkamera entwickeln, die es ermöglichen wird, 3D-Inhalte live einzufangen. Auch was die Anzeige auf einem HoloviZio-Bildschirm von Holografika betrifft, werden die Forscher von den Fortschritten in der Holographie profitieren und den 3D-Inhalt in die Tiefe gehend und ultrahochaufgelöst präsentieren können. Um zum weiteren Ausbau des diesbezüglichen Fachwissens beizutragen, werden sie überdies Technologien entwickeln, mit denen Erzeugung und Wiedergabe des 3D-Raumklangs zu verbessern sind. "Schöpfer von Inhalten suchen nach immer neuen Formen und Wegen, um ihre Inhalte besser darstellen und dem Zuschauererlebnis neue Empfindungen hinzufügen zu können", wie das Projektteam erklärt. "High-Definition-Video war bisher die neueste Innovation auf dem Gebiet der Contentbereicherung. Der Sprung in die dritte Dimension (3D) dürfte nun die nächste richtige Innovation beim Filmemachen sein. 3D Vivant wird die derzeit existierenden Technologien zur Erfassung und Manipulation von 3D-Inhalten voranbringen und ein neues 3D-Inhaltsformat bereitstellen." Über den Zweck der Unterhaltung hinaus hat die dreidimensionale und holographische Bildgebung viele weitere Einsatzgebiete. Das Unternehmen Holografika trägt beispielsweise mit seiner Technologie und seinem Know-how auch zum Safros-Projekt (2) bei. Die Initiative, an der Partner aus sechs EU-Ländern beteiligt sind, verfolgt das Ziel, die Patientensicherheit im Zusammenhang mit der Roboterchirurgie deutlich zu verbessern, was zum Teil durch eine Verfeinerung der 3D-Simulationstechnik, eine Steigerung des taktilen Feedbacks und die Bereitstellung erweiterter Schnittstellen für die Chirurgen realisiert werden soll. Die Robotik ist der Schwerpunkt diverser Forschungsprojekte, an denen ungarische Partner beteiligt sind. Auch hier gibt es ein breites Spektrum an Anwendungsbereichen. Im Rahmen des Projekts Have-it (3) trug die Budapest University of Technology and Economics zur Entwicklung einer innovativen und skalierbaren Architektur bei, die den Einbau moderner Fahrerassistenzsysteme in Kraftfahrzeuge ermöglicht, wobei man die Entwicklung hochautomatisierter Fahrzeuge im Blick hat, die das Fahren viel sicherer machen sollen. Das Projekt, das wahrscheinlich innerhalb von fünf Jahren kommerzielle Anwendungen zu bieten haben wird, befasst sich speziell mit der Abneigung vieler Fahrer dagegen, ihre Fahrzeuge und ihr Leben automatisierten Robotersystemen anzuvertrauen. "Vielen Fahrern ist die Idee der Automatisierung nicht geheuer; sie befürchten, dass dann nicht mehr sie selber die Kontrolle über das Fahrzeug haben. Was wir vorzuschlagen haben, lässt ihnen allerdings eine Wahl", erklärt Reiner Hoeger, deutscher Projektkoordinator. Im Have-it-System werden existierende Sensor- und Aktuatortechnik in Kombination mit Bordcomputern und neuen Algorithmen eingesetzt sowie ein hoher Grad an Automatisierung in extremen Fahrsituationen implementiert, in denen sich die Fahrer oft am stärksten in Unfallgefahr befinden. Dies betrifft zum Beispiel das Zurechtkommen mit Baustellen oder Stop-and-go-Verkehr, wobei der Fahrer stets auf dem Laufenden gehalten wird. Roboter als Kumpel Die Forscher der Eötvös-Loránd-Universität arbeiten unterdessen an der Beantwortung einer grundlegenden Frage, wenn Robotik und Robotersysteme zunehmend in unserem täglichen Leben Fuß fassen sollen: Wie können wir Technologien erschaffen, die langfristige Beziehungen zwischen Menschen und künstlichen Begleitern unterstützen? Anworten darauf finden soll das Lirec-Projekt (4), in dem ungarische Forscher und Partner aus ganz Europa Verfahren entwickeln, die Roboter und virtuelle Begleiter in die Lage versetzen werden, den menschlichen Nutzer wahrzunehmen, sich seiner zu erinnern und auf diesen zu reagieren, womit das Ziel verfolgt wird, eine neue Generation sozial bewusster und agierender Gefährten auf den Weg zu bringen. Sie werden die Technologie bei verschiedenen Robotern und virtuellen Systemen umsetzen sowie weitreichende Studien dazu durchführen, wie Menschen in den verschiedenen sozialen Milieus darauf reagieren. Neben anderen Ansätzen verfolgt Adam Miklosi von der Eötvös-Loránd-Universität, wie Hunde und Menschen miteinander interagieren. Verbunden mit der Untersuchung des Verhaltens von Hunden arbeitet Dr. Miklosi an Modellen, die auf Robotersysteme übertragbar sind, indem die Art der Beziehung, die sich zwischen Menschen und ihren Hunden entwickelt, nachempfunden wird und den Robotern sogar individuelle Persönlichkeiten verliehen werden. Auch die Sensortechnik, die in der Robotik eingesetzt wird, aber überdies ein breites Spektrum anderer Anwendungen hat, nimmt in der ungarischen Forschung und Innovation einen vorderen Platz ein. So arbeiten zum Beispiel die Forscher von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften im Scandle-Projekt (5) mit deutschen, zyprischen, schweizerischen und britischen Teams zusammen, um ein System zu entwickeln, das allein auf der Grundlage von Geräuschen in der Lage sein wird, Lebewesen zu erkennen und von unbelebten Objekten zu unterscheiden. In diesem als ein kognitives Analysesystem für akustische Szenen beschriebenen System wird Wissen aus der Physik, der Akustik, den Neurowissenschaften zum menschlichen Gehör und der Psychophysik mit Know-how aus Ingenieurwesen und Informatik kombiniert. "In den kommenden Jahren wird diese Technologie Chancen auf viele innovative und wertvolle Anwendungen eröffnen, wobei wir uns hier in das Reich der echten neuromorphen kognitiven Maschinen begeben werden. Das System könnte zum Beispiel zur intelligenten Überwachung der Wohnumgebungen eingesetzt werden, um älteren Menschen ein unabhängiges Leben zu erleichtern oder den Energieverbrauch zu optimieren. Verwendet man lediglich akustische Informationen, so kann man die mit der Verletzung der Privatsphäre zusammenhängenden Probleme reduzieren." Das Projektteam dazu weiter: "Interaktive Spiele mit noch besserer Darstellung des Verhaltens von Menschen, Fernüberwachung und Identifizierung von Tieren und Fischen auf Grundlage ihrer Bewegungen und die Erfassung von Lebewesen dort, wo der Sichtkontakt verdeckt ist, sind nur einige der tollen Anwendungen, die erst dank der Scandle-Technologie möglich geworden sind." Die Akademie ist ebenso in ein weiteres Sensortechnik-Forschungsprojekt eingebunden, das die Entwicklung höchst empfindlicher, kostengünstiger und portabler photonischer Biosensoren zur Detektion von chemischen und biologischen Substanzen zum Mittelpunkt hat. Primäres Ziel der P3SENS-Initiative (6) ist die Entwicklung und Demonstration eines preiswerten Geräts zur medizinischen Notfalldiagnostik bei Schlaganfällen. Dabei könnte dieses System, das äußerst empfindliche photonische Kristalle und ein Feld klinisch erprobter biologisch funktionierender Erkennungselemente beinhaltet, potenziell zum Test auf etliche andere Krankheiten oder zur Lebensmittel- bzw. Emissionskontrolle eingesetzt werden. Eine andere Abteilung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, das Forschungsinstitut für Computer und Automation, arbeitet auf dem zunehmend komplexen und wettbewerbsfähigen Gebiet der Logistik und insbesondere daran, wie die von Logistikunternehmen beim Transport von Gütern rund um die Welt erzeugten gewaltigen Datenmengen zu verwalten und auszunutzen sind. Das Institut koordiniert das Projekt Advance (7), in dem Forscherteams aus ganz Europa leistungsstarke Datenanalyse, Data Mining und Technologie zum maschinellen Lernen als Grundlage für eine innovative, auf prädiktiver Analyse basierende Entscheidungshilfeplattform für Logistikdienstleister nutzen. Das System verfügt über die Kapazität, enorme Datenmengen für die langfristige Planung zu analysieren und schnell große Mengen neuer Daten in Echtzeit zu verarbeiten, was es den Unternehmen ermöglicht, ihre Fahrzeugflotten besser zu organisieren, Waren schneller auszuliefern, Geld zu sparen und den Energieverbrauch zu senken. Ein weiteres Projekt mit ungarischen Forschern ist Earth (8). Hier verspricht man sich einen großen Einfluss auf Energieverbrauch, Energieeffizienz und Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Koordinator ist Alcatel-Lucent in Deutschland. Beteiligt sind die Budapest University of Technology and Economics sowie Ericsson Ungarn. Projektziel ist eine starke Verbesserung der Energieeffizienz mobiler Breitbandnetze. Die Forscher erhoffen sich von veränderten Bereitstellungsstrategien für 3G- und 4G-Mobilfunkbasisstationen, der Entwicklung energieeffizienter Netzwerkarchitekturen und der Umsetzung adaptiver Netzwerkressourcenprotokolle einen um mehr als 50 Prozent reduzierten Energieverbrauch im Netzwerk. Das Projekt Earth gewann 2012 den "Future Internet Award" und wird, wenn es den hochgesteckten Erwartungen entspricht, innerhalb der nächsten zwei Jahre zu kommerziellen Produkten führen. --- Die in diesem Artikel vorgestellten Projekte wurden innerhalb des Siebten Rahmenprogramms für Forschung (RP7) gefördert. (1) 3D Vivant: "Live Immerse Video-Audio Interactive Multimedia" (2) Safros: "Patient Safety in Robotic Surgery" (3) Have-it: "Highly automated vehicles for intelligent transport" (4) Lirec: "LIving with robots and interactive companions" (5) Scandle: "Acoustic scene analysis for detecting living entities" (6) P3SENS: "Polymer photonic multi-parametric biochemical sensor for point of care diagnostics" (7) Advance: "Advanced predictive-analysis-based decision-support engine for logistics" (8) Earth: "Energy Aware Radio and neTwork tecHnologies" Nützliche Links: - RP7 auf CORDIS - 3D Vivant auf CORDIS - Safros auf CORDIS - Have-it auf CORDIS - Lirec auf CORDIS - Scandle auf CORDIS - P3SENS auf CORDIS - Advance auf CORDIS - Earth auf CORDIS Weiterführende Artikel: - Feature Stories – Fahrerassistenzsysteme können Leben retten; Projekt Have-it