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Information Aggregation in Elections

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Hohe Wahlbeteiligung oder keiner kommt? Wie die Spieltheorie für mehr Klarheit sorgt

Das Projekt InfoAggregation wird mithilfe der Spieltheorie entschlüsseln, was genau es eigentlich ist, was uns bei Wahlen, aber gleichermaßen bei Referenden und Protesten, aktiv werden lässt.

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Angesichts der Auswirkungen von Wahlen, Referenden und Protestbewegungen in den letzten Jahren ist es hochaktuell, am Verständnis der Dynamik der politischen Teilhabe, sei sie formell oder informell, im Sinne der Bewahrung demokratischer Traditionen und Institutionen zu arbeiten. Das EU-unterstützte Projekt InfoAggregation ist anhand der Spieltheorie der Frage nachgegangen, ob parteiische Instanzen das Abstimmungsverhalten beeinflussen können, indem sie Beteiligungszahlen manipulieren oder zusätzliche Informationen über eine Variable veröffentlichen, die den Bürgerinnen und Bürgern wichtig ist. Das Projekt erforschte außerdem, ob informelle politische Prozesse wie beispielsweise Proteste ähnliche Eigenschaften wie Wahlen aufweisen. Bei diesen wird die Wahlbeteiligung nicht manipuliert, sondern das Wahlvolk selbst wägt die realen oder wahrgenommenen Kosten einer Teilnahme ab und entscheidet über Beteiligung oder Nichtbeteiligung. „In bereits existierenden spieltheoretischen Forschungsansätzen wurde weder die Möglichkeit parteiischer Organisationen bei Wahlen berücksichtigt, noch der Begriff der Beteiligungskosten in die Untersuchung von Protesten einbezogen“, sagt InfoAggregation-Hauptforscher Stephan Lauermann von der Universität Bonn, die als Projektträger fungiert.

Wie Wahlen manipuliert werden

Die politische Ökonomie hat sich der Spieltheorie zugewandt, um strategische Interaktionen zu untersuchen, und mit diesem geeigneten Instrumentarium plausible Ergebnisse zu finden und zu charakterisieren. Um plausible Ergebnisse zu berechnen, ermittelte das Forschungsteam Strategien (d. h. Verhaltensbeschreibungen) für jede (z. B. wählende, organisierende, demonstrierende) Person. Voraussetzung der zugrunde liegenden Algorithmen ist hier, dass jede Person nicht nur von ihrer eigenen Strategie angetrieben wird, sondern diese auch als Reaktion auf das anpasst, was sie über die Strategien anderer Personen weiß. In früheren Modellen, die versuchten, den Einfluss gut informierter Wählender auf Wahlergebnisse zu quantifizieren, war die Anzahl der Wählenden festgelegt und bekannt. InfoAggregation wollte nun sehen, was passiert, wenn diese Zahl von einer für die Wahl verantwortlichen Körperschaft wie etwa einer lokalen Behörde manipuliert würde. „Wir fanden heraus, dass die Berücksichtigung eines derartigen strategischen Organisators frühere Vorhersagen, dass alle plausiblen Wahlausgänge im Interesse der Wählerschaft sind, zum Kippen bringt. Es liegen nun plausible Ergebnisse vor, nach denen der Organisator immer seinen Willen durchsetzt – was eine schlechte Nachricht für das Wahlvolk ist, da seine Interessen nicht zwangsweise mit denen des Organisators übereinstimmen“, fügt Lauermann hinzu. Hinsichtlich des Einflusses zusätzlicher Informationen wurde im Rahmen von InfoAggregation wiederum die Spieltheorie angewandt, um ein Ja-Nein-Referendum zu modellieren, bei dem es einen Meinungskonflikt gibt. Hier ergab die Analyse, dass es für einen Organisator überraschend einfach sein kann, die Wählerschaft zu überzeugen, indem strategisch zusätzliche Informationen freigegeben werden; und zwar selbst dann, wenn deren Präferenzen nicht mit denen des Organisators übereinstimmen.

Informelle politische Aktivität

Bei informellen politischen Prozessen herrschte bisher die Meinung vor, dass je mehr Personen teilnehmen, das Ergebnis umso effektiver ist. Der Schlüssel zur Überprüfung dieser Annahme dürfte ein besseres Verständnis dessen sein, was die Beteiligung antreibt. InfoAggregation betrachtete dabei drei wesentliche Fragen. Erstens: Wie überzeugt sind die Beteiligten von der Sache? Zweitens: Was wissen sie über andere Teilnehmende – etwa über die Anzahl der Beteiligten und deren Grund für die Teilnahme. Diese Vorstellungen können durch Instanzen wie zum Beispiel die Medien beeinflusst werden. Drittens: Wie sehen die persönlichen Kosten-Nutzen-Verhältnisse der Beteiligung aus? Bislang wurde die Spieltheorie nur auf die ersten beiden der vorhergehend genannten Punkte angewandt. „Im Gegensatz zu früheren Forschungen fand InfoAggregation heraus, dass Proteste gerade deshalb wirkungsvoll sein können, weil die Beteiligung mit Kosten verbunden ist. Kosten verleihen den Aktionen Glaubwürdigkeit. „Das hat Auswirkungen auf soziale Medien, die zwar durch sinkende Beteiligungskosten die Zahlen erhöhen, was aber auch die Wirkung insgesamt verringern kann“, schlussfolgert Lauermann. Das Team arbeitet nun daran, seine Methoden zu verfeinern und das Denken der Beteiligten tiefer zu ergründen, indem es unter anderem folgende Fragen stellt: „Was passiert, wenn Leute wie ich an dem Protest teilnehmen?“ Ihrer Hypothese zufolge könnte dieser Denkprozess die Entscheidungsfindung genauer widerspiegeln.

Schlüsselbegriffe

InfoAggregation, Wahl, Protest, Wähler, Wählerin, parteiisch, Verzerrungseffekt, Spieltheorie, Referendum, Strategie

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