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Inhalt archiviert am 2023-03-20

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In der Tiefsee auf der Suche nach neuen Wirkstoffen

Jedes Mal, wenn wir ein Antibiotikum verwenden, werden die schwächeren Infektionsstämme abgetötet, während die stärkeren und virulenten Stämme erhalten bleiben und sich vermehren können. In der Vergangenheit hat uns das nicht viele Sorgen bereitet, da es immer wieder einen neu...

Jedes Mal, wenn wir ein Antibiotikum verwenden, werden die schwächeren Infektionsstämme abgetötet, während die stärkeren und virulenten Stämme erhalten bleiben und sich vermehren können. In der Vergangenheit hat uns das nicht viele Sorgen bereitet, da es immer wieder einen neuen Wirkstoff gegen die Infektion gab. Jetzt haben wir kaum noch Alternativen. Wie Professor Marcel Jaspars von der Universität Aberdeen im Vereinigten Königreich erklärt, wurde nämlich seit 2003 kein neues Antibiotikum mehr registriert. Das Interesse an der Entwicklung neuer Antibiotika hat nachgelassen, die sie nur über kurze Zeiträume verwendet werden und ihre Wirksamkeit auf etwa zehn Jahre beschränkt ist. Daher stellen sie für pharmazeutische Unternehmen keine rentable Investition dar und deshalb geht uns der Nachschub aus. "Wenn nichts gegen dieses Problem unternommen wird, sind wir in etwas zehn, zwanzig Jahren wieder an dem gleichen Punkt angelangt, wie in der Zeit bevor es Antibiotika gab", sagt Jaspars. Daher stellt die Wirkstoffsuche ein ernstes Gesundheitsproblem dar. Die Wissenschaftler glauben jedoch, dass der Ozean eine Lösung für das Problem der Entwicklung neuer Wirkstoffe bieten könnte. Der größte Teil der gegenwärtig verwendeten Antibiotika wurde aus terrestrischen Quellen isoliert und die jüngsten Versuche der terrestrischen Bioprospektion haben hauptsächlich zur Wiederentdeckung bereits bekannter Antibiotika oder ihrer Analoga geführt. Neueste Daten lassen stark vermuten, dass die Meeresumwelt eine bisher ungenutzte Quelle für neue biologische aktive Moleküle und insbesondere Antibiotika darstellt. Wissenschaftler durchsuchen bereits seit langer Zeit die Ozeane nach neuen Wirkstoffkandidaten, obwohl diese Suche hauptsächlich auf tropische Gewässer beschränkt war. Das Projekt PharmaSea will das wachsende Problem der Antibiotikaresistenz in Angriff nehmen und sucht hierfür in den Ozeanen nach neuen Wirkstoffen. Neu an diesem Projekt ist, dass es einige der tiefsten und kältesten Ozeane der Erde erkunden wird. Dies sollte besonders interessant sein, da bisher kaum Proben in den Gebieten der Arktis und Antarktis genommen wurden. An diesem groß angelegten, vierjährigen Projekt werden europäische Forscher aus dem Vereinigten Königreich, Belgien, Norwegen, Spanien, Irland, Deutschland, Italien, der Schweiz und Dänemark teilnehmen, um im Schlamm und den Sedimenten riesiger, bisher ungenutzter Tiefseegräben Proben zu nehmen und zu untersuchen. Es wird mit EU-Finanzmitteln in Höhe von über 9,5 Mio. EUR unterstützt und vereint 24 Partner aus 14 Ländern aus Industrie, Hochschulen und gemeinnützigen Organisationen. Eines der Ziele von PharmaSea besteht in der Suche nach neuen Antibiotika in neu entdeckten Meeresbakterien. Außerdem wird es sich auf die Wirkstoffsuche für neurologische, entzündliche und andere Infektionskrankheiten konzentrieren. Die Forscher wissen bereits seit einiger Zeit, dass die reiche Vielfalt des Lebens in den Meeren eine bisher unerforschte pharmazeutische Goldmine darstellen könnte. Die Ozeane sind Quelle für eine umfangreiche Gruppe strukturell einzigartiger, natürlicher Produkte, die hauptsächlich in Wirbellosen, wie z. B. Schwämmen, Manteltiere, Moostierchen und Weichtieren, angereichert sind. Einige dieser Verbindungen (vornehmlich das Stoffwechselprodukt der Manteltiere ET-743) zeigen ausgeprägte pharmakologische Aktivitäten und sind interessante Kandidaten für neue Wirkstoffe hauptsächlich auf dem Gebiet der Krebsbehandlung. Weitere Verbindungen werden gegenwärtig für Schmerzmittel (Ziconotid aus der Zauberkegelschnecke) oder zur Behandlung von Entzündungen entwickelt. Zahlreiche natürliche Produkte aus wirbellosen Meereslebewesen weisen verblüffende Ähnlichkeiten mit bekannten Stoffwechselprodukten mikrobiellen Ursprungs auf, was vermuten lässt, dass Mikroorganismen - Bakterien, Mikroalgen - zumindest an ihrer Biosynthese beteiligt sind. Das Projekt PharmaSea wird nicht nur neue Gebiete auf dem Meeresgrund untersuchen, sondern auch neue Bereiche im "Chemmical Space" erforschen. "Mit unserem breiten Sortiment modernster Bioassays für den Nachweis wirkstoffähnlicher Aktivitäten werden wir viele einzigartige chemische Verbindungen aus diesen Meeresproben untersuchen, die im wahrsten Sinne des Wortes noch nie das Tageslicht gesehen haben. Wir sind recht optimistisch, dass wir eine Reihe neuer Wirkstoffkandidaten finden werden", sagt Dr. Camila Esguerra, Industrieforschungsstipendiatin und Dozentin am Laboratory for Molecular Biodiscovery der Universität Löwen in Belgien. Marine Organismen, die in mehr als 2 000 Meter unter dem Meeresspiegel leben, stellen eine interessante Quelle neuer bioaktiver Verbindungen dar, da sie unter extremen Bedingungen überleben. "Tiefseegräben sind von einander getrennt und stellen Inseln der Vielfalt dar. Sie sind nicht mit einander verbunden und das Leben hat sich in jedem einzelnen unterschiedlich entwickelt", erklärt Jaspars. Das internationale Team wird Strategien nutzen, die normalerweise in der Bergungsbranche angewendet werden, um Proben zu entnehmen. Mit Hilfe von Fischereifahrzeugen werden Forscher einen Probennehmer an einer Kabelrolle auf den Boden des Tiefseegrabens herunterlassen, um Sedimentproben zu nehmen. Die Wissenschaftler werden dann versuchen, einzigartige Bakterien und Pilze aus dem Sediment zu züchten, die extrahiert werden können, um neuartige wirkstoffähnliche Moleküle für pharmakologische Tests zu isolieren. Partner aus China, Chile, Costa Rica, Neuseeland und Südafrika werden das PharmaSea-Projekt unterstützen. Die ersten Feldversuche werden im nächsten Herbst im Atacamagraben im östlichen Pazifik vor der chilenischen und peruanischen Küste durchgeführt. Das Team wird außerdem mit italienischen und südafrikanischen Partnern arktische Gewässer vor Norwegen und die Antarktis durchsuchen. Auch die Tiefseegräben vor Neuseeland und China werden erkundet. "Wir sind recht optimistisch, dass wir eine Reihe neuer Wirkstoffkandidaten finden werden", sagt Jaspar. Das Team hofft, dass die Wirkstoffe, die sie entdecken, wenn alles gut geht, in zehn Jahren bei Patienten eingesetzt werden können. Das wird dazu beitragen, das Problem bakterieller Infektionen zu lösen, an denen jährlich 25 000 EU-Bürger sterben.Weitere Informationen finden Sie unter: PharmaSea http://www.pharma-sea.eu Marcel Jaspars / University of Aberdeen: http://www.abdn.ac.uk/ncs/profiles/m.jaspars/ Camila Esguerra / KU Leuven: http://www.kuleuven.be/wieiswie/nl/person/00044015