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Öffentlichkeit unterstützt Modernisierung des europäischen Systems für wissenschaftliche Publikationen

Die Teilnehmer einer öffentlichen Konsultation haben im Allgemeinen positiv auf die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Überarbeitung des wissenschaftlichen Veröffentlichungssystems in Europa reagiert. Einige Verleger äußerten sich jedoch auch zurückhaltend und hinterfr...

Die Teilnehmer einer öffentlichen Konsultation haben im Allgemeinen positiv auf die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Überarbeitung des wissenschaftlichen Veröffentlichungssystems in Europa reagiert. Einige Verleger äußerten sich jedoch auch zurückhaltend und hinterfragten die Notwendigkeit, das bestehende System zu verändern. Insgesamt 174 Akteure haben zur "Studie zur wirtschaftlichen und technischen Entwicklung des europäischen Marktes für wissenschaftliche Veröffentlichungen" der Europäischen Kommission Stellung genommen, die den Beginn einer öffentlichen Debatte über den Zugang zu sowie die Qualität und die Erhaltung von wissenschaftlichen Publikationen in Europa kennzeichnet. Der Vorschlag, der am meisten Interesse generierte, bezieht sich auf die Sicherstellung des Zugangs zu Ergebnissen von öffentlich finanzierter wissenschaftlicher Forschung. Viele Teilnehmer der Konsultation setzten öffentlichen Zugang (public access) mit freiem Zugang (open access) gleich. Letzteres wird wiederum von einigen als Fortschritt gewertet. So schreibt Nobelpreisträger Richard J. Roberts in seiner Stellungnahme: "Freier Zugang [open access] ist das einzige zukunftsfähige Modell, und die Diskussion sollte sich um die Frage drehen, wie wir schnellstmöglich zu freiem Zugang gelangen." Mehrere Forschungsorganisationen legen dar, wie sie bereits den Zugang zu der Forschung, die sie finanzieren, unterstützen. Die Form der vielen denkbaren Möglichkeiten des Open Access, die am meisten Unterstützung gefunden hat, ist die Hinterlegung von Fachzeitschriftenartikeln in Archiven (auch Repositorien genannt). So plädiert CERN, die Europäische Organisation für Kernforschung, für die "Sicherstellung der unverzüglichen Hinterlegung in Archiven und die Förderung der Interoperabilität" vor dem Hintergrund, dass "digitale Archive für wissenschaftliche Daten die Eckpfeiler des künftigen eScience-Rahmens darstellen werden". Zur Frage, ob es eine Sperrfrist für den öffentlichen Zugang zu Forschungsergebnissen geben sollte, sind die Teilnehmer der Konsultation geteilter Meinung: Einige sprechen sich für eine solche Sperrfrist aus, andere fordern unverzüglichen Zugang. Während sich die Mehrheit für öffentlichen Zugang ausspricht, warnen einige der Teilnehmer, insbesondere Verleger, dass freier Zugang das Einkommen bestehender Verlage gefährde, die Forschungsergebnisse über Abonnements verbreiten. Andere argumentieren, es gebe keine Nachfrage für ein Public Access-Modell, und die Nutzung der Archive werde nur Wissenschaftsgesellschaften untergraben und zu höheren öffentlichen Ausgaben führen. Sie betonen auch, dass eine Veränderung eines gut funktionierenden Systems unnötig sei und dass sich eine schnelle Änderung auf das derzeitige System der Verbreitung von Forschungsergebnissen auswirken könnte. Auf die Empfehlung der Studie, gleiche Ausgangsbedingungen für die unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Verlage zu schaffen, verweisen mehrere große Verlage auf die Tatsache, dass sie gerade Versuche mit einem so genannten "autorchoice"-Modell unternehmen, in dem Artikel, deren Veröffentlichung durch Publikationsgebühren finanziert wird, mit Artikeln kombiniert werden, deren Veröffentlichung durch Abonnements ermöglicht wird. Verschiedene Teilnehmer aus Bibliotheks- und Informationsorganisationen schlagen vor, dass die Kommission die Empfehlung in Absprache mit den Mitgliedstaaten unterstützt, das heißt, dass nationale Organisationen der Forschungsförderung gebeten werden, Mittel für die Erstattung von Publikationsgebühren im Open Access-System festzulegen. Die eindeutige Reservierung von Mitteln für diesen Zweck könnte, so das Argument, die Bedenken der Verlage hinsichtlich der Überlebensfähigkeit ihrer Häuser zerstreuen und so zur Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen beitragen. In Bezug auf Qualitätsfragen sind sich fast alle Teilnehmer der Konsultation einig, dass Qualitätssicherung erforderlich ist. Wie Qualität gemessen, ausgedrückt und gesichert werden soll, ist allerdings strittig. Diejenigen, die davor warnen, das derzeitige Qualitätssicherungssystem gemäß den Empfehlungen der Kommissionsstudie zu verändern, betonen den Mehrwert, den die Verlage im Qualitätssicherungsprozess schaffen. Die britische Publishers Association zum Beispiel weist darauf hin, dass "es Jahre, sogar Jahrzehnte dauert, bis sich eine Fachzeitschrift einen guten Ruf für Qualität und Prestige erarbeitet hat". Die Befürworter einer Änderung des aktuellen Veröffentlichungssystems dagegen sind auch diejenigen, die eine Veränderung des Qualitätssicherungssystems fordern, dabei aber die Notwendigkeit einer solchen Qualitätssicherung durchaus anerkennen. So erklärt Dr. Ulrich Pöschl von der European Geosciences Union: "Die traditionellen Formen des geschlossenen Peer Review und der Veröffentlichung reichen in der heutigen vielfältigen und sich schnell entwickelnden Welt der Wissenschaft als Qualitätssicherung nicht aus." Die Teilnehmer der Konsultation nahmen auch zu Fragen der Erhaltung Stellung, wobei die Mehrheit dafür plädierte, die Erhaltung mit freiem Zugang zu verbinden, und darauf hinwies, dass die Zusammenarbeit aller Akteure eminent wichtig sei. Die unterschiedlichen Ansichten zu den Themen Zugang, Qualität und Erhaltung hängen direkt mit den unterschiedlichen Ansichten über die Rolle der öffentlichen Institutionen zusammen. Einige Teilnehmer zeigen sich alarmiert, dass die Studie ihrer Meinung nach darauf abzielt, den Staat fest als den wichtigsten Pförtner zu wissenschaftlichen Informationen zu platzieren. Andere dagegen vertreten die Ansicht, dass jedes Land dafür verantwortlich sein sollte, Forschungsergebnisse so weit wie möglich verfügbar zu machen. Einige der Teilnehmer sehen diese Verantwortung in einem europäischen Kontext. Die von CIBER vertretenen italienischen Universitäten fordern "eine klare Stellungnahme zu den öffentlichen, das heißt von der EU-Kommission wahrzunehmenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten für die Herstellung, Verbreitung und Erhaltung von Kultur und Wissenschaft". Diese Forderung wird auch in dem Vorschlag der niederländischen Organisation SURF laut, eine "europäische Charta zu freiem Zugang zu öffentlich gefördertem Wissen" zu verabschieden, die die Bologna-Charta zur Hochschulbildung ergänzt. Mit Blick auf die Rolle der Kommission bei der Erhaltung wissenschaftlicher Publikationen betonen mehrere Akteure, jetzt sei die Gelegenheit - und die Notwendigkeit - gegeben, dass die Generaldirektionen Forschung sowie Informationsgesellschaft und Medien einen gemeinsamen und kohärenten Ansatz entwickeln. Sie weisen auf die Verbindungen hin, die zwischen den Empfehlungen der Studie und der i2010-Initiative "Digitale Bibliotheken" hergestellt werden können. Viele der Teilnehmer der Konsultation teilen die Ansicht der Studie bezüglich der Bereiche, in denen noch Forschungsbedarf besteht: Weiterentwicklung der Urheberrechte, wirtschaftliche Analyse alternativer Formen der Verbreitung und technologische Entwicklung. Die Empfehlung, einen Beratungsausschuss einzurichten, wurde sehr unterschiedlich aufgenommen, da die Meinungen über das Mandat eines solchen Ausschusses auseinander gingen. Die Befürworter der Studie sehen den Ausschuss als handlungsorientiertes Gremium, das die Umsetzung der Empfehlungen der Studie vorantreibt. Die Gegner der Studie fürchten, der Ausschuss sei nichts als ein weiteres Diskussionsforum. Auf der Grundlage der Studie und der Konsultation werden die Generaldirektionen Forschung sowie Informationsgesellschaft und Medien eine gemeinsame Mitteilung zu Zugang zu und Verbreitung von wissenschaftlichen Informationen formulieren. Die Veröffentlichung ist für Dezember 2006 vorgesehen. Ziel der Mitteilung wird es sein, die weitere Diskussion innerhalb des Ministerrats und auf Ebene der Mitgliedstaaten zu stimulieren. Am 15. und 16. Februar 2007 findet in Brüssel eine Konferenz zu Fragen des wissenschaftlichen Veröffentlichungssystems statt.

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