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Inhalt archiviert am 2024-04-18

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Wie „Weihnachtsbäume“ dazu beitragen, Wasserstoff-Betankungstechniken zu verbessern

Sofia Capito, Koordinatorin des HYTRANSFER-Projekts, beschreibt, wie das Projekt die Effizienz bei der Betankung von „Elektrofahrzeugen mit Brennstoffzelle“ (BstZ-EV) verbessern möchte.

Wie können wir sicherstellen, dass wasserstoffbetriebene Fahrzeuge sowohl sicher, schnell als auch effizient aufgetankt werden können? Dank Sensortechnologien und einem Vorhersagemodell, die im Rahmen des HYTRANSFER-Projekts entwickelt werden, wird an der Überwindung dieser Denkherausforderung gearbeitet, damit die Wasserstofftechnologie erfolgreich in umweltfreundlichen Wirtschaftssystemen der Zukunft implementiert werden kann. Bei Diskussionen um das Marktpotenzial von Wasserstoff führen Skeptiker am häufigsten das Betanken als Nachteil an. Es wird nicht nur Jahrzehnte dauern, bis die erforderliche Infrastruktur errichtet wurde, schon das Betankungsverfahren ist für sich genommen ohne Übertreibung als eine Herausforderung zu bezeichnen. Angenommen vor einer anstehenden langen Fahrt müsste der Tank eines „Elektrofahrzeugs mit Brennstoffzelle“ (BstZ-EV) aufgefüllt werden. Mit einem „normalen“ Benzinauto wäre der Betankungsvorgang in einer Minute abgeschlossen, bei den neuesten BstZ-EV hingegen dauert dies insgesamt etwa drei Minuten. Und dies zu erreichen war für Ingenieure alles andere als einfach: Im Gegensatz zu Otto- oder Dieselkraftstoff neigt Wasserstoff dazu, sich zu erhitzen, wenn er in den Kraftstofftank gepumpt wird. Und die Kompositmaterialien, aus denen die Tanks gebaut werden, müssen ein möglichst geringes Gewicht aufweisen und können nicht mehr als 85 °C standhalten. Um das dreiminütige Schnell-Betankungsverfahren zu ermöglichen, wird der Wasserstoff in den derzeitigen Betankungsstationen auf -40 °C abgekühlt. Eine Verbesserung dieses Verfahrens, um ein effektiveres Betanken und sogar Enttanken zu ermöglichen, ist das Kernziel des Projekts HYTRANSFER (Pre-Normative Research for Thermodynamic Optimization of Fast Hydrogen Transfer), das im Juni 2013 gestartet wurde und im November 2015 endet. Falls die Projektziele erreicht werden, könnten Investitions- und Nutzungskosten gesenkt, die Zuverlässigkeit der Betankungsstationen erhöht und die maximale Betankungsdauer minimiert werden. Dies wäre eine enormer Fortschritt hinsichtlich der erfolgreichen Umsetzung der Technologie. Die Projektkoordinatorin Sofia Capito erzählt uns mehr über die bisherigen Errungenschaften des HYTRANSFER-Projekts und darüber, wie nahe man dem Ziel ist, neue Empfehlungen zur Umsetzung internationaler Standards und Betankungsprotokolle bereitzustellen. Was sind die Hauptziele des Projekts? Im Rahmen des HYTRANSFER-Projekts entwickeln wir Methoden und Verfahren, um Vorkühlungsanforderungen anzupassen und zu verringern, wodurch ebenfalls die Investitions- und Nutzungsaufwendungen der Betankungsstationen sinken. Experimente haben gezeigt, dass der Wärmetransfer zwischen dem Wasserstoffgas und der Tankwand eher ineffektiv ist. Infolgedessen wird selbst wenn der Wasserstoff innerhalb des Tanks 85 °C — die Maximaltemperatur, der Kompositmaterialien ausgesetzt werden können — erreicht, die Temperatur der Tankwand deutlich niedriger sein. Experimente, die mit Stickstoff durchgeführt wurden, zeigen einen Unterschied von 27 °C! Unter Verwendung thermodynamischer Verfahren zur Bestimmung des Verhältnisses zwischen injiziertem Wasserstoff, Füllparametern wie zum Beispiel der Wasserstoffflussrate und Umgebungstemperatur, kann ein Wasserstofftransferprozess ermöglicht werden, der für die realen Randbedingungen optimiert wurde. Worin lagen die zentralen Schwierigkeiten während des Projekts und wie konnten Sie diese lösen? Glücklicherweise sind wir sehr gut im Zeitplan und viele Rückschläge, die uns hätten treffen können, blieben uns erspart. Die Herausforderung für die beiden beteiligten Tankhersteller, hierzu zählt der Projektpartner Hexagon Lincoln, sind die speziellen Anforderungen im Zusammenhang mit den Experimenten: Wir benötigen Temperatursensoren in den Tankwänden! Und wir brauchen nicht nur einen oder zwei hiervon, sondern 30 Sensoren pro Tank. Deren Positionierung während des Herstellungsprozesses ist ziemlich anspruchsvoll, beide Hersteller investierten jedoch viel Arbeit darin und waren letztlich erfolgreich. Mit diesen Sensoren können wir die Temperatur innerhalb der Tankwände messen. Wir brauchen allerdings ebenfalls Sensoren, um die Temperatur des Gases selbst an verschiedenen Stellen in den Tanks messen zu können. Da der Durchmesser der Tanköffnungen nur ein paar Millimeter beträgt, haben wir Sensoranordnungen installiert, die wir „Weihnachtsbäume“ nennen und die klein genug sind, um durch die Tanköffnungen zu passen, ehe sie sich selbst, wie bei einem Buddelschiff, entfalten. Wie weit sind Sie mit dem Projekt? Konnten Sie bereits ein zufriedenstellendes Temperaturkontrollniveau erreichen? Derzeit führen drei verschiedene Labore Experimente an drei verschiedenen Tankarten durch, da die Untersuchung von Tanks in verschiedenen Laboren die Zuverlässigkeit und Wiederholbarkeit der Ergebnisse sicherstellt. Viele der Experimente werden in der Gemeinsamen Forschungsstelle (Joint Reseach Centre, JRC) der Europäischen Kommission durchgeführt, die einer der Projektpartner ist. Parallel dazu werden CFD-Simulationen, numerische Methoden für die Berechnung der Strömungsdynamik, weiterentwickelt und entsprechend der Ergebnisse der Experimente angepasst. Der Projektpartner TesTneT überprüft derzeit die ersten Experimentergebnisse, während das PPRIME-Institut (französisches Forschungsinstitut, CNRS/ENSMA/Univ. Poitiers) bereits detaillierte Messungen der tatsächlichen thermalen Tankeigenschaften erstellt hat. Ein vereinfachtes Modell mit deutlich geringerer Berechnungszeit — Sekunden und Minuten anstelle von Tagen und Wochen — wurde ebenfalls validiert. Bislang stützen unsere Experimente und Modellversuche unsere Annahme, dass es ein erhebliches Verbesserungspotenzial bei Vorkühlungsanforderungen gibt. Wie optimistisch sind Sie hinsichtlich Ihres Ansatzes zur Umsetzung internationaler Standards? Einer der ersten Schritte im Zuge des HYTRANSFER-Projekts bestand darin, Optimierungsmöglichkeiten für den Wasserstofftransferprozess im Rahmen der bestehenden international geltenden „Regulations, Codes and Standards“ (RCS) sowie hinsichtlich der modernsten Wasserstofftechniken zu untersuchen. Basierend hierauf und auf den bisher erzielten Resultaten sind wir äußerst zuversichtlich, dass im Zuge des Projekts Testergebnisse erreicht werden, deren Validierung als profunde Grundlage für RCS-Empfehlungen dienen. Die CCS Global Group (CCS), die seit Jahrzehnten führend bei der RCS-Entwicklung und -Implementierung im FCH- und Elektrosektor ist, überwacht die relevanten RCS-Aktivitäten und Testergebnisse des Projekts, sodass wir in der Lage sein werden, RCS-Empfehlungen zu bestimmen und herauszufiltern, um diese an internationale Institute weiterzuleiten (z.B. CEN/ISO). Inwiefern glauben Sie, dass von Ihren Schlussfolgerungen der Markt für wasserstoffbetriebene Fahrzeuge profitiert? Die Fahrzeugeffizienz an sich wird nicht verbessert, das Zusammenspiel zwischen den Betankungsstationen und Elektrofahrzeugen mit Brennstoffzelle hingegen schon. Für die Kunden bedeutet dies geringere maximale Betankungszeiten, eine höhere Zuverlässigkeit der Station und überdies geringere Wasserstoffpreise. Ludwig-Bölkow-Systemtechnik (LBST) wird eine detaillierte technologisch-ökonomische Analyse durchführen, um die Auswirkungen der verbesserten Prozesse zu ermitteln. Welches sind die nächsten Schritte für das Projekt und welche Pläne gibt es nach seinem Ende? Die derzeitigen Fahrzeuge verfügen nicht über einen, sondern über zwei oder drei angeschlossene Tanks, also müssen wir einen verwertbaren Betankungsansatz finden, der sowohl auf Einzeltanks als auch auf Tanksysteme angewandt werden kann. Unser nächster Schritt besteht darin, unsere Experimente zu den Einzeltanks abzuschließen und unsere Simulationen, die auf dem basieren, was wir herausgefunden haben, weiterzuentwickeln, nachdem wir ein neues, detailliertes Betankungsprotokoll entwickelt und an Tanksystemen, die von dem FCV-Hersteller und Projektpartner Honda bereitgestellt werden, getestet haben. Das HYTRANSFER-Projekt gilt als erfolgreich abgeschlossen, wenn der neu entwickelte Betankungsansatz als Empfehlung für die internationalen RCS-Institute veröffentlicht wurde und wenn unsere Empfehlungen hinsichtlich der Enttankung veröffentlicht sind. Derzeit gibt es keine Pläne für Anschlussprojekte. Wenn das HYTRANSFER-Projekt allerdings abgeschlossen ist und die Ergebnisse in den international geltenden RCS Berücksichtigung finden, sind weitere Validierungen erforderlich und es müssen überdies umfassendere Experimente durchgeführt werden. Weitere Informationen sind abrufbar unter: HYTRANSFER http://www.hytransfer.eu

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