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Inhalt archiviert am 2023-03-23

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Schlaue Fische stellen Bestandsüberwachung in Frage

Laut einer Studie der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sind 70 % der Fischbestände völlig oder fast völlig überfischt. Oder könnte es sich tatsächlich nur um einen Trick von cleveren Fischen handeln? Während die industrielle Überfischung tatsächlich eine drängende Frage ist, hat eine Studie, die von EU-Wissenschaftlern vor den Küsten Mallorcas durchgeführt wurde und sich auf die Freizeitfischer dort konzentrierte, einige Zweifel an der Genauigkeit der existierenden Überwachungswerkzeuge aufkommen lassen.

Auf der Urlauberinsel Mallorca gehen 80 % der Wirtschaftsleistung auf den Tourismus zurück, aber nicht die sonnigen Strände und die wunderschönen Landschaften waren der Grund, weshalb es Josep Alós und Robert Arlinghaus dorthin zog. Seit Januar 2014 untersuchen die beiden Wissenschaftler mithilfe von innovativen mathematischen Modellen und Überwachungsmethoden die Fischpopulationen in dieser Region. Und was sie herausgefunden haben, ist recht befremdlich: Je mehr Angler in einem bestimmten Bereich auftauchen, umso weniger beißen die Fische an. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, untersuchten die Forscher an 54 verschiedenen Standorten mit denselben Habitateigenschaften aber unterschiedlichem Angeldruck das Verhalten von zwei Fischarten, dem fleischfressenden Schriftbarsch (Serranus scriba) und der Ringelbrasse (Diplodus annularis), einem Algenfresser. Während die Angler ihre Beute zu fassen versuchen, nahm eine Unterwasserkamera Videos auf, um das Verhalten der Fische zu vermessen. Wehe, du legst mich rein… Vom Schriftbarsch, der es sich nicht leisten kann zweimal nachzudenken, bevor er seine Beute packt, wurde erwartet, dass er generell aggressiver an den Köder geht als die Ringelbrasse. Doch diese Theorie wurde durch die Tatsachen infrage gestellt. Obwohl sie in einer Umgebung mit einem niedrigen Fangdruck ziemlich aggressiv waren, tendierten die Fische dazu, immer scheuer zu werden, je mehr Köder vorhanden waren. Dem Team zufolge könnte diese Verhaltensänderung sowohl durch eine genetische Veränderung in Richtung einer erhöhten Scheu als auch durch Lernerfahrungen erklärt werden, die zu einer verstärkten Meidung des Köders führt. Die Ergebnisse heben sich von früheren Arbeiten der zwei Wissenschaftler ab, die sich auf einen Überwachungsstandard für Angelfangmethoden beschränkte. Sie führten zu der Schlussfolgerung, dass in Meeresschutzgebieten höhere Fischmengen und größere Fische vorhanden sind, als in Gebieten mit einem hohen Angeldruck. Andererseits scheint das Verhalten der Brasse durch diese Veränderung nicht beeinflusst zu werden. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Freizeitangeln zu Mustern des übermäßigen Schwunds der Fangraten ohne eine entsprechende Veränderung der Fischpopulation beiträgt, wobei die Fangraten stärker als das Fischvorkommen zurückgehen“, sagte Josep Alós, Forscher am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei sowie Koautor der Studie. Doch bedeutet das, dass die Überfischungsmeldungen auf der ganzen Welt, durch intelligentes Fischverhalten beeinflusst worden sein könnten? „Alarmierende Meldungen über dramatisch zurückgehende Fischbestände im Meer, die auf reinen Fangdaten beruhen, wie zum Beispiel aus der Langleinenfischerei bei Thunfischen, Dorschen oder Schwertfischen, könnten ihre Ursache auch in verstärkter Vermeidung von Fanggeräten bei der befischten Populationen haben. Wir müssen unsere Bestandserhebungsmethoden auf den Prüfstand stellen und das sich rasch anpassende Fischverhalten in die Studienschlussfolgerungen einbeziehen. Vielleicht beherbergen befischte Gebiete mehr Fische als wir manchmal glauben“, so das Fazit von Professor Dr. Robert Arlinghaus, Studienleiter und Forscher an der Humboldt-Universität zu Berlin. Die Studie wurde unter dem Projekt FISH&FISHERS finanziert, das die Fischmortalitätsschätzungen verbessern möchte, wobei die räumlichen Wechselwirkungen zwischen Fisch und Fischern untersucht werden. Das Team hofft, dass die Ergebnisse zu einem besseren Schutz der Meeresökosysteme, der Erhaltung der Biodiversität und einer nachhaltigeren Entwicklung der Fischerei beitragen werden.

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Deutschland

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