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Inhalt archiviert am 2023-03-24

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Wissenschaft im Trend: Das Geburtsjahr bestimmt die Gripperesistenz

Forscher aus den USA veröffentlichten ein Papier, in dem sie über ihre Erkenntnisse berichten, dass die Chancen eines Menschen, an einem neuen Grippevirusstamm zu erkranken, zumindest teilweise davon abhängen, mit welchem Virusstamm er als Kind zuerst in Berührung gekommen ist.

Schon seit langem wirft die Virusgrippe einen langen Schatten auf das öffentliche Gesundheitswesen. Glücklicherweise haben sich die Befürchtungen im Hinblick auf eine mögliche globale Vogel- oder Schweinegrippepandemie noch nicht bewahrheitet. Es gibt sogar eine literarische Gattung, die sich mit den Auswirkungen tödlicher Grippepandemien beschäftigt, in der Stephen Kings „Das letzte Gefecht“ wohl das bekannteste Beispiel ist, das detailliert beschreibt, wie ein künstliches Virus 99,6 % der Weltbevölkerung auslöscht. Da der Gedanke einer Grippepandemie die Phantasie der Öffentlichkeit immer noch fesseln kann, hat auch die jüngste Forschung eines Gemeinschaftsteams von der University of California, Los Angeles, und der University of Arizona in Tucson Interesse geweckt: Es wurde untersucht, warum einige Grippewellen eher bei jungen Menschen tödlich verlaufen, während es im Allgemeinen nur sehr alte oder sehr junge Menschen sind, die am stärksten durch Grippe gefährdet sind. Bislang glaubten die Wissenschaftler, dass ein früherer Kontakt mit einem Grippevirus nur wenig oder gar keinen Schutz gegen Influenzaviren verleiht, die von Tieren auf Menschen übertragen werden können. Die neuen Ergebnisse, die in der Zeitschrift „Science“ veröffentlicht wurden, ziehen diesen scheinbar weit verbreiteten Glauben in Zweifel. Eine immunologische Prägung aus der Kindheit Das Forschungsteam untersuchte zwei Influenza-A-Viren aviären Ursprungs („Vogelgrippe“): H5N1 und H7N9. Jedes dieser Viren hat bereits hunderte Übertragungsfälle dieser schweren Krankheit oder den Tod von Menschen verursacht. Beide Stämme haben weltweit zu Besorgnis geführt, weil sie irgendwann Mutationen bilden könnten, die ihnen eine rasche Verbreitung unter menschlichen Wirten ermöglicht. Die Forscher analysierten die Daten sämtlicher bekannten schweren Krankheits- oder Todesfälle, die durch einen dieser beiden Virusstämme verursacht wurden und entdeckten dabei, dass der Virusstamm, mit dem eine Person während der Kindheit zuerst in Kontakt gekommen ist, bestimmt, gegen welche Grippeviren aviären Ursprungs diese Person im späteren Leben geschützt sein wird – im Grunde eine Art der „immunologischen Prägung“. Das erste Mal, wenn das Immunsystem eines Menschen auf ein Grippevirus trifft, produziert es Antikörper gegen Hämagglutinin, ein Rezeptorprotein, das aus der Oberfläche des Virus herausragt und vom Forschungsteam mit einem Lutscher verglichen wurde. Obwohl es 18 verschiedene Arten von Influenza A gibt, so existieren nur zwei Versionen oder „Aromen“ von Hämagglutinin, welche die Forscher als „blaue“ oder „orangefarbene“ Lutscher klassifizierten. „Sagen wir mit diesem bildhaften Vergleich, Sie waren als Kind zuerst einer menschlichen Grippe des Typs „orangefarbener Lutscher“ ausgesetzt“, erklärt der leitende Wissenschaftler Dr. Michael Worobey. „Wenn Sie später im Leben auf ein Grippevirus einer anderen Untergruppe treffen, das zum Beispiel von einem Vogel stammt und das Ihr Immunsystem noch nie zuvor gesehen hat, dessen Proteine jedoch ein ähnliches „orangefarbenes“ Aroma haben, so stehen Ihre Chancen, nicht an diesem Virus zu sterben, aufgrund der Kreuzimmunität recht gut. Wenn Sie jedoch als Kind zuerst mit einem Virus vom Typ „blauer Lutscher“ infiziert waren, so sind Sie gegen diesen neuartigen „orangefarbenen“ Stamm nicht geschützt.“ Insbesondere waren Menschen, die vor den späten 1960er Jahren geboren wurden, als Kind Grippeviren vom Typ „blauer Lutscher“ – H1 oder H2 – ausgesetzt. Infolgedessen erkrankten sie später im Leben nur selten an einer anderen Grippe vom Typ „blauer Lutscher“ – der Vogelgrippe H5N1, aber sie starben an der Grippe H7N9 vom Typ „orangefarbener Lutscher“. Menschen, die nach 1968 geboren wurden und einer Grippe vom Typ „orangefarbener Lutscher“ – H3 – ausgesetzt waren, weisen ein spiegelbildliches Verhaltensmuster auf. Information des Gesundheitswesens Diese Erkenntnisse könnten wesentlich dazu beitragen, dass die Gesundheitsbehörden bei allen größeren künftigen Grippepandemien effektiv planen und handeln. Dr. Worobey und sein Team zeigten, dass Menschen, die als Kinder einem passenden Virus ausgesetzt waren, zu 75 % gegen schwere Erkrankungen und zu 80 % gegen einen tödlichen Krankheitsverlauf geschützt sind. Dies könnte auch erklären, warum der Ausbruch der „spanischen Grippe“ 1918 bei jungen Erwachsenen so viel tödlicher verlief und etwa 50 bis 100 Millionen Menschenleben forderte – Jahrzehnte später zeigte die Blutanalyse, dass die jungen Menschen wahrscheinlich als Kinder dem falschen Influenzavirus ausgesetzt waren (H3), der keinen Schutz gegen die spanische Grippe (H1) bot. „Wenn einer dieser Viren [H5N1 und H7N9] erfolgreich von Vögeln auf Menschen überspringen sollte, wissen wir jetzt etwas über die Altersgruppen, die am stärksten betroffen sein würden“, merkt Worobey an und fügt hinzu, dass die Bemühungen, einen universellen Grippeimpfstoff zu entwickeln, von solchen Erkenntnissen abhängig seien, da „ein solcher Impfstoff wahrscheinlich auf die gleichen konservierten Proteinmotive an der Virusoberfläche abzielen würde, die diesem altersspezifischen Muster zugrunde liegen.“

Länder

Vereinigte Staaten

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