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Inhalt archiviert am 2022-12-07

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Wissenschaftlerinnen drängen mit Hilfe der Wissenschaft auf Gleichstellung der Geschlechter

Das "undichte Rohr" ist nur eines der statistischen Hilfsmittel, das eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen für den wissenschaftlichen Nachweis der Unterrepräsentation von Frauen in ihren Disziplinen verwendet hat. Die Zahlen zeigen, daß Frauen der Wissenschaft auf jeder Stufe d...

Das "undichte Rohr" ist nur eines der statistischen Hilfsmittel, das eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen für den wissenschaftlichen Nachweis der Unterrepräsentation von Frauen in ihren Disziplinen verwendet hat. Die Zahlen zeigen, daß Frauen der Wissenschaft auf jeder Stufe der Karriereleiter, in jedem EU-Mitgliedstaat, in jeder akademischen Disziplin verlorengehen - sie sickern buchstäblich wie aus einem undichten Rohr aus der akademischen Welt heraus. Eine Gruppe aus zwölf weiblichen Experten wurde von der Europäischen Kommission gebeten, einen Bericht über den Geschlechter-Aspekt der Forschungspolitik in der EU zu erstellen; die vom Europäischen Technologiebewertungsnetz (ETAN) zusammengestellten Statistiken erlauben eine wissenschaftliche Bewertung der Stellung der Frauen in der Wissenschaft. In der Vergangenheit wurde die tatsächliche Situation aufgrund eines Mangels an zuverlässigen, zugänglichen, harmonisierten und nach Geschlecht aufgeschlüsselten Daten nicht erkannt. Der Bericht, der im Dezember letzten Jahres Forschungskommissar Philippe Busquin vorgelegt wurde, bildete die Diskussionsgrundlage für die jüngste Konferenz zum Thema Frauen und Wissenschaft unter dem Motto "Making Change Happen" (Den Wandel herbeiführen). Herr Busquin leitete die abschließende Diskussion der zweitägigen Veranstaltung und zeigte ein hochgradiges politisches Engagement innerhalb der Kommission, die durch die Entwertung der Hälfte unserer wissenschaftlichen Gemeinschaft verschwendeten Humanressourcen zu nutzen. Obwohl in den meisten EU-Staaten mindestens 50 Prozent der Studienabgänger weiblich sind, verschwinden viele Frauen aus dem akademischen Leben, bevor sie eine qualifizierte Stelle antreten. Der erste bedeutende Ausfall ereignet sich nach dem Abschluß des Grundstudiums. Am anderen Ende der Skala rangiert der Prozentsatz der weiblichen ordentlichen Professoren zwischen fünf Prozent in den Niederlanden und 18 Prozent in Finnland. Die Versäumnisse des Kollegenbewertungssystems, durch welches die meisten Stipendien und sonstigen für die Durchführung von Forschungsarbeiten nötigen Mittel innerhalb der Forschungsgemeinschaft verteilt werden, wurden von den beiden schwedischen Wissenschaftlerinnen Christine Wennaras und Agnes Wold, beide ETAN-Mitglieder, drastisch offengelegt. Diese machten sich ein schwedisches Gesetz zunutze, das den Zugang zu öffentlichen Archiven gewährt, und untersuchten den Bewertungsprozeß des schwedischen Ärztebeirats, um herauszufinden, warum ein männlicher Bewerber mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit eine Stelle auf Post-Promotionsniveau bekommt als eine Wissenschaftlerin. Ihre Ergebnisse zeigten, daß die zusätzlichen Kompetenzpunkte, die an die männlichen Bewerber aufgrund ihres Geschlechts vergeben wurden, 20 Veröffentlichungen in hervorragenden wissenschaftlichen Spezialpublikationen entsprachen. ETAN-Mitglied Mineke Bosch von der Universität Maastricht, die sich mit der Geschichte von Geschlecht und Wissenschaft befaßt, stellte die schwedischen Forschungsergebnisse den Delegierten der Konferenz "Frauen und Wissenschaft" in dem Video "Wasted Talent" (Vergeudete Talente) vor. Das vorwiegend weibliche Publikum begrüßte den Bericht der beiden Frauen - die symbolisch hinter den Porträts ihrer männlichen Vorgänger Platz genommen und erfolgreich mit den Waffen ihres Fachgebietes den Kampf gegen das wissenschaftliche Establishment aufgenommen hatten. "Die im ETAN-Bericht enthaltenen Tatsachen und Zahlen sind eine Schande", sagte Teresa Rees, Professor an der School of Social Sciences der Universität Cardiff und Berichterstatterin des ETAN-Berichts. "Sie zeigen, daß es möglich ist, hervorragende Wissenschaftlerinnen systematisch auszuschließen, damit mittelmäßige Männer zum Zuge kommen." "Diese Zahlen sind wichtig. Information ist Macht, und ohne gute Daten ist es schwierig, die wirkliche Situation zu diskutieren und Maßnahmen für deren Verbesserung zu erörtern." "Wir brauchen mehr und bessere Daten", fuhr sie fort und gab zu bedenken, daß das Sammeln der Daten nur der erste Schritt sei, denn danach müßten Taten folgen. Nun, nachdem der ETAN-Bericht, der in weniger als einem Jahr mit einem minimalen Budget zusammengestellt wurde, den Prozeß in Gang gesetzt hat, müssen noch viel mehr Daten gesammelt werden. Mary Osborn, Vorsitzende des ETAN-Berichts und Zellbiologin am Max-Planck-Institut, wies auf die Schwierigkeiten hin, welche die ETAN-Gruppe bei der Harmonisierung der Zahlen aus den verschiedenen Mitgliedstaaten zu bewältigen hatte. Sie forderte internationale Organisationen wie die UNESCO und die OECD auf, sich mit den statistischen Ämtern der einzelnen Länder zusammenzutun, um vergleichbare Statistiken zu erstellen. Forschungskommissar Philippe Busquin bestätigte die Notwendigkeit eines zentral überwachten Systems zum Sammeln von Informationen. "Wissenschaftlich ausgedrückt, benötigen wir eine Methodologie zur Verbesserung der Beteiligung von Frauen in der Wissenschaft", sagte er. "Wir brauchen ein Leistungsbewertungs- und Referenzsystem." "Wir müssen Fragen stellen, von den bestmöglichen Verfahren in den Mitgliedstaaten lernen und diese bei anderen einführen. Wir müssen einen einheitlichen Ansatz für die Förderung der Forschung durch, für und über Frauen in den Rahmenprogrammen entwickeln." Dies sei ein Kernthema der Forschungspolitik der Gemeinschaft. Der wirtschaftliche Wert, der sich ergibt, wenn die Hälfte des wissenschaftlichen Potentials in Europa nicht vergeudet wird, werde zunehmend erkannt, sagte er. Dieser Wert wurde auf dem vor kurzem veranstalteten Gipfel in Lissabon zur Beschäftigung, Wirtschaftsreform und zum sozialen Zusammenhalt besonders betont. "Wir bewegen uns auf eine Gesellschaft hin, in der das Wissen immer wichtiger wird, und diese Wissensgesellschaft benötigt den Einsatz aller, sowohl der Männer als auch der Frauen", sagte er. Der belgische Kommissar führte aus, die Kommission habe einige bedeutende und effektive Schritte zur Gleichstellung der Geschlechter in der Wissenschaft unternommen, obwohl hier immer noch viel zu tun übrig bliebe. Auf der ersten Konferenz zum Thema Frauen und Wissenschaft im Jahre 1998 forderten die Delegierten vier Dinge: einen Sektor "Frauen und Wissenschaft" innerhalb der Kommission, politisches Engagement seitens der Kommission zur Förderung der Frauen in der Wissenschaft, höhere Repräsentanz der Frauen in Beschlußorganen wie z.B. in Beratergruppen, Bewertungs- und Überwachungsgremien sowie die Erteilung des Auftrags zur Erstellung eines statistischen Berichts. Heute sind alle vier Forderungen erfüllt. Binnen einiger Monate nach der ersten Konferenz wurde innerhalb des Programms "Ausbau des Potentials an Humanressourcen" unter dem RP5 ein Sektor "Frauen und Wissenschaft" eingerichtet. Dieser Sektor unter der Leitung von Nicole Dewandre ist u.a. für die Koordinierung eines Netzwerkes der Netze für Wissenschaftlerinnen zur Verbesserung der Beteiligung von Frauen an den Forschungsprogrammen der Gemeinschaft, für die Beauftragung zur Erstellung des ETAN-Berichts sowie für die Ausrichtung der letzten Konferenz zum Thema Frauen und Wissenschaft verantwortlich. Außerdem wurden Fortschritte bei der Repräsentanz von Frauen in den höchsten politischen und Entscheidungsfindungsorganen der EU erzielt. CREST, der Forschungsausschuß für Wissenschaft und Technik, hat seinen Frauenanteil von null Prozent im Jahr 1993 auf 35 Prozent im Jahr 1998 erhöht. Die Frauen stellen 26 Prozent der Mitglieder in den externen Beratergruppen der Kommission, die 1999 als Ratgeber für die Ausrichtung des Fünften Rahmenprogramms eingerichtet wurden. Obwohl das endgültige Ziel die Erhöhung dieses Anteils auf 40 Prozent ist, sind in den leitenden Positionen Fortschritte zu verzeichnen - in sieben von 17 Ausschüssen haben Frauen den Vorsitz. Leider sehen die Zahlen für die Generaldirektion Forschung nicht ganz so gut aus. Nur 9,5 Prozent der amtlichen Stellen der Besoldungsgruppe A sind von Frauen besetzt (obwohl sich diese Zahl auf 18,7 Prozent erhöht, wenn man die befristeten Stellen mitrechnet). In den höchsten Besoldungsgruppen A1 und A2 sind keine Frauen vertreten. Sowohl Philippe Busquin als auch Achilleas Mitsos, Direktor des Programms "Ausbau des Potentials an Humanressourcen" in der Generaldirektion Forschung, versprachen, darüber nachzudenken, wie sie den Frauenanteil im eigenen Hause erhöhen können. Die Kommission verabschiedete ferner eine Mitteilung, in der verschiedene Wege zur Erhöhung der Beteiligung der Frauen in der Wissenschaft vorgeschlagen werden und die sowohl vom Parlament als auch vom Rat begrüßt wurde. Die Berichterstatterin für den Bericht des Europäischen Parlaments zu der Mitteilung "Mobilising women to enrich European research" (Mobilisierung der Frauen zur Bereicherung der europäischen Forschung), MdEP Eryll McNally, betonte außerdem die Förderung der Frauen in der Wissenschaft seitens ihrer Institution. Sie ist jedoch der Meinung, daß die Zeit des Redens vorüber sei. "Der ETAN-Bericht hat daran erinnert, daß nun gehandelt werden muß. Wir wollen nicht länger reden. Wir wollen wirklichen Fortschritt." In dem ETAN-Bericht wurden verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen, die auf der Konferenz Beifall fanden. Der Bericht trägt den Titel "Förderung herausragender Leistungen durch Einbeziehung des Grundsatzes der Chancengleichheit der Geschlechter". Das bedeutet, daß das Engagement für die Chancengleichheit der Geschlechter zu einem Bestandteil jedes Bereichs der Forschungspolitik der Gemeinschaft werden muß. Im Bericht wird weiter vorgeschlagen, auch Einzelorganisationen von der Einbeziehung des Grundsatzes der Chancengleichheit der Geschlechter in ihre Firmenpolitik zu überzeugen, obgleich dies Sache der Mitgliedstaaten sei. ETAN empfiehlt jedem EU-Mitglied, eine Richtlinie zu erlassen, die Arbeitgebern mit 50 und mehr Beschäftigten die Erfassung geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselter statistischer Daten vorschreibt, die dann überwacht werden können. Sobald die Standpunkte sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Ebene der Einzelorganisationen geklärt sind, ist eine Verpflichtung zur Veränderung des status quo erforderlich. Die Konferenz empfahl eine Vorgehensweise nach der Methode "Zuckerbrot oder Peitsche": Unternehmen, die Maßnahmen für die Verbesserung ihres Geschlechterverhältnisses ergreifen, werden gefördert, wogegen diejenigen, die dies unterlassen, mit Strafen belegt werden. Der Bericht schlägt den Mitgliedstaaten vor, gesetzliche Maßnahmen für eine Gleichstellung der Geschlechter in öffentlichen Einrichtungen, eine gleiche Bezahlung und gleichen Zugang zu öffentlichen Archiven zu ergreifen. Nötigenfalls seien Gesetze, durch die Frauen benachteiligt werden, außer Kraft zu setzen. Angesichts der immer deutlicheren Anzeichen für die tatsächliche und unbewußte Diskriminierung von Forscherinnen und vor dem Hintergrund politischer und gesetzlicher Maßnahmen zeigten sich die an der Konferenz teilnehmenden Frauen - und Männer - bereit, "den Wandel herbeizuführen". Hilary Rose, Soziologieprofessorin an der City University in London, formulierte dies folgendermaßen: "Wir wollen keine weiteren Gesten wie Denkfabriken für Frauen oder dergleichen. Wir brauchen ein wirkliches Engagement für den Wandel."

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