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BIHC- Bio-inspired models of human crowds

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Kulturelles Erbe: Auge in Auge mit unseren Vorfahren dank virtueller Realität

Virtuelle Realität (VR) birgt schon lange das Versprechen, mit ihrer Hilfe unsere kulturelle Vergangenheit auf anschauliche Weise rekonstruieren zu können. Geht es jedoch darum, unsere Vorfahren wiederzubeleben, können die Ergebnisse nicht überzeugen. Die jüngsten Fortschritte im Bereich des künstlichen Lebens verändern jedoch rasch das gesamte Umfeld.

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Virtuelle dreidimensionale Szenen mit tausenden animierten Elementen können realistisch und mit schnellen Bildraten auf marktüblichen Heimcomputern dargestellt werden. Obwohl sich für den Freizeit-, Sicherheits- und Bildungssektor (um nur einige zu nennen) eine ganze Reihe von Möglichkeiten eröffnet, bleibt jedoch ein Aspekt von Massensimulationen unterentwickelt, wo Avatare immer noch unrealistische Verhaltensweisen zeigen. Um die Einführung der VR-Technologie im Bereich kulturelles Erbe mehr Schwung zu verleihen, setzte man im Rahmen des Projekts „Bio-inspired models of human crowds“ (BIHC) Bionikverfahren zur Verbesserung der Simulationsmethoden für Menschenmengen ein. Aus dem Aufeinandertreffen von Informatikern und Archäologen resultierte ein neues Modell für künstliches Leben und ein dazugehöriges Autorenwerkzeug, das sogenannte „Easy-Population“-Paket, mit dem simulierte autonome und selbstorganisierende Bevölkerungsgruppen erzeugt werden können. Verhaltensspontaneität in Massensimulationen wird möglich Dieses EU-finanzierte Projekt ist aus früheren Untersuchungen des Marie Skłodowska-Curie-Maßnahmen-Forschers Dr. Rui Filipe Antunes hervorgegangen. Er hatte als Computational Ecosystem-Modelle bekannte künstliche Lebenssysteme untersucht, welche die Organisation von kohlenstoffbasierten Lebensformen nachahmen. Dr. Antunes erklärt dazu: „Mich interessierte es herauszufinden, auf welche Weise wir diese Simulationen einsetzen können, um Neuartigkeit, Heterogenität und Spontaneität zu erzeugen.“ Die der BIHC-Bionik für Menschenmengen zugrundeliegende Forschung ist eigentlich von der Arbeit des Psychologen Abraham Maslow inspiriert, insbesondere von seiner Theorie der Motivation, die eine Hierarchie der menschlichen Bedürfnisse in Pyramidenform beschreibt. Dr. Antunes erläutert: „Geselligkeit und Nahrung sind nach Maslows Bedürfnispyramide entscheidend, und so werden die Handlungen der BIHC-Avatare durch diese zwei Faktoren motiviert, welche die Suche nach anderen Individuen zum Zweck der sozialen Interaktion oder des Handels anregen. Aktionen und Konsequenzen werden in das System zurückgeführt und beeinflussen auf diese Weise die Gefühlslage der Avatare.“ Das Easy-Population-Autorenwerkzeug steht auf der Spieleentwicklungsplattform Unity3d als Plugin zur Verfügung. Der Anwender erstellt statische 3D-Modelle der Charaktere, die als Vorlagen für die Bevölkerung dienen. Dann wählt der Anwender die Einzelheiten seiner Wunschszenarien aus, etwa die Anzahl der erforderlichen Personen oder weitere Details zur räumlichen Lage. Im Folgenden bevölkert das System diese Szenarien. Für die abschließende Fallstudie erstellte man im Rahmen des Projekts eine Simulation eines Stadtteils im mittelalterlichen Silves im Süden Portugals. Antike Gebäude wurden in 3D modelliert und die Einwohner derart animiert, dass sie den Raum im Lauf ihrer alltäglichen Handlungen durchstreifen. Dr. Antunes erinnert sich: „Diese VR-Simulation wurde in der Burg Silves einem touristischen Publikum präsentiert, die mit bloßem Auge nur den neuen moderneren Gebäudekomplex sehen konnten. Als dieser 2007 gebaut wurde, entdeckte man bei den Arbeiten die Überreste des ehemaligen Stadtviertels, das nun in 3D rekonstruiert wurde. Das Erlebnis war für die Besucher überzeugend, da sie in der Zeit zurückreisen konnten und das mittelalterliche Leben in der Gegenwart zum Leben erweckt wurde.“ Raus aus der virtuellen Geisterstadt Mit Hilfe wirkungsvoller Simulationen der Vergangenheit können wir besser verstehen, wie sich die ehemaligen Einwohner in Bezug auf den architektonischen Kontext und zueinander verhalten und miteinander interagiert haben können. Doch in der Vergangenheit hat man bei Simulationen traditionell der Rekonstruktion von physischen Räumen frei von der Besiedelung durch Menschen Priorität eingeräumt. „Diese Räume erscheinen eher wie Geisterstädte, was sehr weit entfernt von den vor Leben pulsierenden Orten ist, die sie eigentlich darstellen sollen. So müssen die Nuancen der kulturellen Darstellung stärker erforscht werden, da diese ein wichtiger Teil des immateriellen Erbes dieser Stätten sind“, fasst Dr. Antunes zusammen. Aufgrund der freien Verfügbarkeit des Easy-Population-Tools im Unity3D Asset Store kann jeder, auch wenn er wenig oder keine Programmierkenntnisse hat, eine autonome und selbstorganisierende Simulation von Bevölkerungsgruppen erschaffen. Die Forschung hat letztlich zur Gründung von AnabiVirtual geführt, einem Unternehmen, das VR einsetzt, um die Museumserlebniswelt für die Besucher zu verbessern und diese in die Lage zu versetzen, in die Darstellungen der Stätten einzutauchen sowie deren ehemaligen Bewohner zu „treffen“.

Schlüsselbegriffe

BIHC, Virtuelle Realität, Künstliches Leben, Avatar, Computermodellierung, kulturelles Erbe, Museen, Simulation, autonom, selbstorganisierend, Bevölkerungsgruppen, Biomimikry, Bionik

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