Laut Experten bremst Europa die Kommerzialisierung, nicht die Innovation
Das Ziel Europas, das Wirtschaftswachstum durch Innovation anzukurbeln, erfordert weltweite Maßnahmen, die den Innovationsergebnissen einen Mehrwert verleihen, so der Direktor eines französischen KMU (kleine und mittlere Unternehmen). Das größte Problem in Europa sei die Tatsache, dass die Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen blockiert werde, erklärte Farouk Tedjar, Präsident und Generaldirektor von Recupyl, einem Unternehmen, das sich auf Entwicklung und Technologietransfer im Umweltbereich spezialisiert hat, in seiner Rede zum Thema Kommerzialisierung und Forschungsfinanzierung auf der Europäischen Konferenz für Forschung und Innovation in Paris. "Die kreativen Kapazitäten junger europäischer Unternehmen sind im Laufe der Jahre gewachsen, aber das Problem ist der Mangel an Finanzierung in der dritten Runde des Innovationsprozesses, nämlich wenn die Unternehmen ihre Produkte im Ausland vermarkten möchten", sagte Dr. Tedjar. Er erklärte, dass eine junge Firma mit einer guten Idee problemlos Gelder für die Forschung auftreiben könne. Die Schwierigkeiten kämen mit dem Versuch, Finanzierung für den weiteren Prozess nach der Innovation selbst zu finden. "Derzeit existiert am Markt kein Mechanismus, der Unternehmen bei der Kommerzialisierung der Ergebnisse ihrer innovativen Forschung hilft. In Europa ist es sehr schwierig, nach der Finanzhilfe für die Entwicklung der Technologie weitere Unterstützung für den Kommerzialisierungsprozess zu finden. Es gibt absolut keine Hilfe bei der internationalen Verbreitung der Ergebnisse", klagte Dr. Tedjar. Recupyl, Dr. Tedjars Unternehmen, entwickelte mit Hilfe europäischer Finanzierung unter dem Fünften Rahmenprogramm (RP5) ein innovatives Recyclingsystem für Lithiumbatterien. Diese in Europa einzigartige Technologie kann 85 Prozent der Batterien wiederverwerten. Jedoch hat Recupyl jetzt Schwierigkeiten, Hilfe bei der Vermarktung seiner Lizenz im Ausland zu finden. "Europa gibt uns die Möglichkeit zu forschen, aber bei der Kommerzialisierung der Ergebnisse lässt es uns im Regen stehen,", so Dr. Tedjar. Dasselbe gelte auf nationaler Ebene, erklärte Jean-Claude Lehmann von der französischen Technologie-Akademie und nannte als Beispiel die Biotechnologiebranche in Frankreich. Es gebe zwar zahlreiche Unterstützungsmechanismen für den Inkubationsprozess, aber keine ausreichende wirtschaftliche Struktur zur Unterstützung der Kommerzialisierung, sagte er. "Die Kommerzialisierung von Forschung und Entwicklung (F&E) ist ein Prozess, der potenziell und weltweit sehr profitabel sein kann", fügte Antoine Llor hinzu, der bei der französischen Kernenergiekommission CEA für die Kommerzialisierung der Forschung zuständig ist. "Er ist auch sehr lang - normalerweise vergehen zehn Jahre vom Labor bis auf den Markt - und er ist risikobehaftet, da im Allgemeinen nur aus einem von 100 Patenten eine 'Killer-Anwendung' wird." In dieser Situation, so Llor, haben Unternehmen nur zwei Alternativen: Entweder lagern sie die Risiken von F&E aus, indem sie mit einem Unternehmen kooperieren, das zwar die Finanzierung und das Risiko übernimmt, aber auch die Gewinne aus den Ergebnissen abzieht, oder es internalisiert die Risiken, d. h. es finanziert das Produkt und behält die Kontrolle über die Forschungsergebnisse. Dazu muss ein Unternehmen jedoch über ausreichende Ressourcen verfügen, um etwa zehn Jahre ohne Einnahmen überleben zu können. "Angesichts dieser Tatsache ist eine Steuerbefreiung für junge Unternehmen unbedingt notwendig", sagte Llor. "Europa muss seinen Großunternehmen Anreize geben, ihre Spin-offs zu unterstützen. Man betrachte sich nur einmal, wie die USA ihren KMU mit Steuererleichterungen und mit Patenten helfen." "Solange Europa kein europäisches Patent oder das Äquivalent der ANVAR [die französische nationale Innovationsagentur] hat, wird die Situation problematisch bleiben, und es wird schwer werden, zu den USA aufzuschließen. Der Lissabon-Strategie sollte es nicht nur darum gehen, drei Prozent des BIP für F&E auszugeben, sondern es sollte auch darum gehen, die Mitgliedstaaten zu ermutigen, eigene Kommerzialisierungsmechanismen einzurichten", schloss Dr. Lehmann.