Flower Power in der Familie
Das EU-finanzierte Projekt KinCoop hat untersucht, ob natürliche Auslese bei Wachstum und Fortpflanzung von Pflanzen eigennütziges oder kooperatives Verhalten begünstigen kann. „Wir haben uns angeschaut, wie soziale Umgebungen, die sich in Dichte und genetischer Verwandtschaft unterscheiden, die Aufteilung von Ressourcen durch die gemeinsame Nutzung von Bestäubern beeinflussen können. Außerdem ging es um die Wirkung dieses Effekts auf Paarungsmuster und Fitness der Pflanzen“, skizziert Dr. Rubén Torices, Marie Skłodowska-Curie-Stipendiat und leitender Forscher im Projekt. „Fitness zeigt sich bei Pflanzen in ihrer Fähigkeit, sich erfolgreich fortpflanzen zu können, also zu blühen und nach erfolgreicher Bestäubung Samen zu produzieren. 30 000 Samen und 700 Pflanzen unter der Lupe Zuerst erstellten die Projektforscher in Zusammenarbeit mit der University of St. Andrews in Schottland ein neues Modell, das die Aufteilung von Ressourcen für die Fortpflanzung je nach Typ der benachbarten Pflanzen darstellt. Laut Vorhersage des Modells kooperieren die Pflanzen, wenn sie von Geschwistern umgeben sind, und Investitionen in Blüten helfen ihnen im Wettbewerb mit anderen Gruppen blühender Pflanzen. In einer kontrollierten Studie unter Glas wurde ein naher Verwandter der Gattung Brassica zum Test dieser Hypothese eingesetzt, wobei die Forscher von KinCoop etwa 30 000 Samen und 700 Pflanzen betrachteten. Die Forscher ermittelten, wie viele Pflanzen in Blüten investieren, um Bestäuber anzulocken. Da Moricandia moricandioides besonders attraktive, auffallende violette Blüten hat, wurde diese Aufgabe um einiges erleichtert. Ein große Datenmenge wurde über Eigenschaften gesammelt, die Bestäuber anlocken, unter anderem Größe der Blütenblätter, Blütenfarbe und Nektarsekretion. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications(öffnet in neuem Fenster) veröffentlicht. Sag es durch die Blume Die Forschungsergebnisse aus KinCoop haben erstmals gezeigt, dass Pflanzen ihre Verwandten erkennen und darum ihre Blühstrategien ändern. „Wir haben herausgefunden, dass Pflanzen im Vergleich zu ihrem Wachstum bei Fremden oder allein unverhältnismäßig mehr Ressourcen in blühende Werbung investieren, wenn sie bei Verwandten wachsen“, so Dr. Torices. Ältere Studien hatten die Verwandtschaftserkennung bereits belegt, aber nur bezogen auf das Wachstum von Wurzeln und Trieben. KinCoop hat den Schwerpunkt vom vegetativen Wachstum auf die Fortpflanzung verlegt und gezeigt, dass der soziale Kontext bei Pflanzen tiefgreifende Folgen für reproduktive Phänotypen hat. Deshalb könnte es sein, dass die Fitness von Pflanzen hochgradig von sozialen Interaktionen zwischen Pflanzen derselben Art beeinflusst wird. Herausforderungen bei der Arbeit in der Pflanzenökologie „Unsere größte Herausforderung war, dass wir im Frühling ein großes Experiment unter freiem Himmel eingebüßt haben, weil eine Grashüpferplage fast alle Pflanzen des Experiments aufgefressen hat, als diese gerade angefangen hatten, zu blühen“, erklärt Dr. Torices. Wegen des Zeitpunkts dieses Problems wird das Team das Experiment nochmal wiederholen müssen, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen. „Wir müssen das Design des Experiments so anpassen, dass es besser gegen Schadinsekten geschützt ist“, betont Dr. Torices. Das ist eine Herausforderung, weil die Pflanzen einerseits vor Schädlingen geschützt werden müssen, andererseits aber auch für Bestäuber zugänglich sein müssen, die ja auch Insekten sind. Sozialtheorie in der Kulturpflanzenforschung Nur wenn das Experiment wiederholt wird, kann fundiert geklärt werden, ob dieses Pflanzenverhalten als altruistisch zu betrachten ist, ob es also Kosten für das Individuum, aber einen Nutzen für die Gruppe gibt. „Wir wollen wissen, ob Pflanzen bei der Fortpflanzung kooperieren und was die ökologischen Hauptfaktoren sind, die bei Pflanzen dieses Verhalten hervorrufen“, erklärt Dr. Torices. Im Rahmen des Projekt organisierte das Team von KinCoop auch einen Workshop über den Nutzen der Theorie der sozialen Evolution in Zuchtprogrammen, Pflanzenoptimierung und Schädlingsmanagement, an dem Forscher von Universitäten, agrarwissenschaftlichen Zentren sowie Unternehmen aus der Agrarbranche teilnahmen. Dr. Torices zusammenfassend: „Wir werden uns auch in Zukunft weiter dafür einsetzen, dass die Theorie der sozialen Evolution verbreitet und für die Verbesserung der Pflanzenerzeugung eingesetzt wird.“
Schlüsselbegriffe
KinCoop, Blume, Blüte, Verwandtschaft, Fortpflanzung, Bestäuber, Kulturpflanze, soziale Evolution, Phänotyp