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Inhalt archiviert am 2023-03-01

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Britische Wissenschaftler erzeugen menschliche Embryonen ohne Spermien

Paul de Sousa von der Universität Edinburgh hat beim BA Science Festival in Dublin mitgeteilt, dass es seinem Team gelungen sei, jungferngezeugte Embryonen, so genannte Parthenoten, zu schaffen. Die Embryonen entstanden, indem eine menschliche Eizelle angeregt wurde, sich wie ...

Paul de Sousa von der Universität Edinburgh hat beim BA Science Festival in Dublin mitgeteilt, dass es seinem Team gelungen sei, jungferngezeugte Embryonen, so genannte Parthenoten, zu schaffen. Die Embryonen entstanden, indem eine menschliche Eizelle angeregt wurde, sich wie ein Embryo zu teilen, ohne dass jedoch genetisches Material aus einer männlichen Spermazelle hinzugefügt wurde. Diese Mitteilung kam nur einen Tag, nachdem die britische Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) den Transfer von Teilen eines menschlichen Embryos in eine unbefruchtete Eizelle einer anderen Frau genehmigt und somit die Grenzen der Reproduktionsforschung weiter ausgedehnt hatte. Es wird erwartet, dass die aus Jungfrauenzeugung entstandenen Embryonen neue Perspektiven für die Züchtung von weiblichen Zellen und Geweben für eine Vielzahl von Experimenten und Behandlungen eröffnen. Das Team aus Edinburgh, das am Roslin-Institut arbeitet, wo auch das Schaf Dolly geklont wurde, verwendete etwa 300 menschliche Eizellen von freiwilligen Spenderinnen. Daraus entstanden sechs parthenote Blastozysten, also menschliche Embryonen, die aus Zellklumpen aus etwa 50 Zellen bestehen. Aus diesen können Stammzellen gewonnen werden. Im normalen Reproduktionszyklus stoßen die Eizellen die Hälfte des genetischen Materials ab, um das von den Spermien gelieferte männliche Material aufnehmen zu können. Zur Erzeugung der Parthenoten wurden die Eizellen im Labor so kultiviert, dass sie alle ihre Chromosomen behielten. Etwa die Hälfte der Eizellen konnte so zur Reifung gebracht und mit einem Elektroschock zur Teilung angeregt werden. Aber nur fünf pro hundert Zellen reiften bis zum Blastozysten-Stadium, und dies nur mit der Hälfte der üblichen Zellen. Dr. de Sousa entgegnete Kritikern, die dieses Verfahren für wenig effizient halten: "Das ist Zahlenspielerei. Es geht hier doch nur um die Züchtung von Gewebe für experimentelle Zwecke." Die Embryonen wurden durch so genannte Parthenogenese (der griechische Begriff bedeutet Jungfrauengeburt) erzeugt. Parthenogenese kommt in der Natur bei zahlreichen Pflanzen und Tieren, zum Beispiel Bienen und Ameisen und sogar einigen Eidechsenarten, vor. Beim Menschen, wie bei anderen Säugetieren auch, gibt es diesen Vorgang nicht, da ein genetischer Steuerungsprozess, das so genannte Imprinting, die Prägung, dafür sorgt, dass sich der Embryo nur entwickeln kann, wenn Gene von Mutter und Vater beigesteuert wurden. Forscher haben Parthenoten künstlich aus Mäusen und Affen gezüchtet, aber meist verlief die Entwicklung anormal. Bei Genen, die dem Imprinting unterliegen, wird die Expression durch den Elterteil bestimmt, von dem sie stammen. Sie folgen nicht der allgemeinen Vererbungsregel, die besagt, dass beide Sets elterlicher Gene identisch exprimiert werden. Bei den Säugetieren gibt es der jüngsten Forschung zufolge lediglich etwa 80 geprägte Gene. Da die meisten geprägten Gene unterdrückt werden, wird entweder nur das mütterliche Gen exprimiert, weil das väterliche geprägt ist oder umgekehrt. Der Prozess beginnt während der Gametenbildung, wenn in männlichen Organismen bestimmte Gene in den sich entwickelnden Spermien geprägt werden; in weiblichen Organismen werden andere Gene in dem sich entwickelnden Ei geprägt. Alle Zellen des daraus erwachsenen Embryonen haben identische Sets geprägter Gene von Vater und Mutter, ausgenommen die Zellen (Germplasma), aus denen Gameten (Eier oder Spermien) entstehen, in denen alle Prägungen, sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits, gelöscht sind. Imprinting ist ein sehr wichtiger Prozess: Die geplante (experimentell in Mäusen) oder zufällige (in Menschen) Übernahme von zwei Kopien eines bestimmten Chromosoms von einem Elternteil ohne das entsprechende Chromosom des anderen Elternteils führt normalerweise zum Tod. Auch die Übernahme von zwei Kopien eines Gens der Mutter ohne die entsprechende Kopie des Gens des Vaters (oder umgekehrt) kann schwere Entwicklungsstörungen hervorrufen. Darüber hinaus kann fehlendes Imprinting in somatischen Zellen zu Krebs führen. Die Forscher versprechen sich aus den Zellen von Parthenoten Erkenntnisse über das Klonen, ein Prozess, der das Imprinting stört, sowie über die Verbindungen zwischen fehlgeleitetem Imprinting und Krankheiten. Die Parthenogenese bietet auch die Möglichkeit, Zellen von Frauen zu erzeugen, die an schweren genetisch bedingten Krankheiten leiden und so die zellulären Auswirkungen dieser Krankheiten genau zu untersuchen. Theoretisch können die aus dieser Methode gewonnen Stammzellen auch für die Züchtung von Ersatzgewebe verwendet werden, das Frauen mit bestimmten Krankheiten zugute kommt. Dr. de Sousa erklärte bei dem BA-Treffen, "es ist uns noch nicht gelungen, Stammzellen aus diesen Embryonen zu gewinnen, aber wir arbeiten weiter darauf hin". Einige Wissenschaftler hatten gehofft, dass man mit der Verwendung von Parthenoten zu Forschungszwecken den Widerstand der Lebensschützer vermeiden könne. Dr. de Sousa hielt dies für eine irrige Ansicht, und die Reaktion dieser Gruppen bestätigte seine Einschätzung. Er wies darauf hin, dass "jemand, der die Position der Lebensschützer vertritt, jedwede Verwendung von Eiern und Embryonen für nicht reproduktive Zwecke ablehnen wird". Dr. de Sousa betonte auch, dass es keinerlei Pläne gebe, die Embryonen zu implantieren und so eine Schwangerschaft hervorzurufen. Das Forschungsmandat seines Teams verbiete dies. Es wurden auch technisch begründete Zweifel geäußert. So wiesen Kritiker darauf hin, dass aufgrund der umfangreichen genetischen Manipulation, die für die Parthenogenese erforderlich ist, dieser Weg zur embryonalen Stammzellengewinnung unnötig kompliziert ist. Sogar das Klonen menschlicher Embryonen sei dagegen einfacher. Dr. de Sousa ist jedoch der Meinung, dass sich die Wissenschaftler in den Frühphasen der Stammzellenforschung alle Optionen offen halten sollten. "Wir wollen diese Zelllinien hauptsächlich für Forschungszwecke", sagte er. "Sowohl Klonen als auch Parthenogenese erzeugen defekte Zellen, und es ist sehr gut möglich, dass deshalb geklonte Stammzelllinien für Therapie und Forschung ungeeignet sind."

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