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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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Insektenfußsohlen als Vorbild für kleberfreies Haftmaterial

Deutsche Forscher haben sich bei der Entwicklung eines kleberfreien Haftmaterials, das sogar an extrem glatten Wänden hält, von der Natur inspirieren lassen. Schon lange wird die Fähigkeit von Lebewesen wie z. B. Insekten und manchen Eidechsen, senkrechte Wände hinaufzuklett...

Deutsche Forscher haben sich bei der Entwicklung eines kleberfreien Haftmaterials, das sogar an extrem glatten Wänden hält, von der Natur inspirieren lassen. Schon lange wird die Fähigkeit von Lebewesen wie z. B. Insekten und manchen Eidechsen, senkrechte Wände hinaufzuklettern und sogar an der Decke zu laufen ohne herunterzufallen, bewundert. Vor einiger Zeit hat man herausgefunden, dass diese Tiere dank extrem feiner Härchen an ihren Füßen, die den Kontakt mit der Oberfläche optimieren, regelrecht an der Wand kleben. Es wurde vielfach versucht, diese Methode nachzuahmen, doch bis jetzt verfügten die daraus resultierenden künstlichen Strukturen nur über einen eingeschränkten Lebenszyklus und hafteten einfach nicht so gut wie ihr Vorbild aus der Natur. Nun haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Metallforschung und der Gottlieb Binder GmbH, einem Spezialisten für Befestigungssysteme, erfolgreich ein Haftmaterial produziert, dessen Mikrostruktur der von Insektenfußsohlen nachempfunden ist. Ihre Ergebnisse wurden in der Online-Vorabausgabe des "Journal of the Royal Society Interface" vorgestellt. In diesem Fall handelte es sich bei den besagten Insekten um Käfer aus der Familie der Blattkäfer (Chrysomelidae), die dafür bekannt sind, dass sie die Kunst des Haftens an sehr glatten Oberflächen ausgezeichnet beherrschen. Die "Härchen" des neuartigen Materials erinnern an winzige Pilze: Eine dünne Scheibe mit einem Durchmesser von 40 Mikrometern sitzt oben an einem 100-Mikrometer-hohen Stäbchen, das über einen stabilen Fuß und einen engen Hals verfügt. Die "Pilze" sind im Sechseck an der Oberfläche des Materials angeordnet. Zur Herstellung des Materials füllten die Forscher ein polymerisierendes Gemisch in eine als Vorlage dienende Form, ließen es aushärten und trennten das Material anschließend vorsichtig von der Vorlage. Nach Aussagen der Forscher stellte die Herstellung der Form, mit ihren empfindlichen Mikrostrukturen, eine unglaubliche Herausforderung dar. Die Einzelheiten des Verfahrens bleiben ein streng gehütetes Betriebsgeheimnis. Aber auch die Herstellung der Polymermischung gestaltete sich als schwierig. Zu flüssige Mischungen flossen einfach aus der Form heraus, wohingegen zu viskose Mischungen nicht in die feinen Mikrostrukturen vordringen konnten. Eine Reihe von Tests hat ergeben, dass fünf Quadratzentimeter des Materials notwendig sind, damit Objekte mit einem Gewicht von bis zu 100 Gramm an einer glatten Wand haften bleiben. Das Material kann mehrfach benutzt werden ohne an Adhäsionsfähigkeit einzubüßen, und regeneriert sich vollständig von Verschmutzungen durch einfaches Waschen mit Seife. Darüber hinaus hinterlässt es keine sichtbaren Spuren, wenn es von einer Oberfläche entfernt wird. Das Material eignet sich nicht so gut für raue Unterlagen, was die Forscher nicht sonderlich überrascht. "Aber Insekten haben auch Schwierigkeiten an Oberflächen mit feiner Rauigkeit zu laufen", erklärte der Projektleiter der Max-Planck-Gesellschaft Stanislav Gorb, "dies ist ein grundsätzliches Problem des Haftmechanismus." Die Forscher begründen den Erfolg ihres Verfahrens mit einer Reihe von Faktoren. Die dünne Platte an der Spitze des "Pilzes" ist flexibel genug, um sicheren Kontakt mit der Oberfläche herzustellen, sogar wenn sich dort kleine Schmutzpartikel befinden. Gleichzeitig können größere Teilchen in den Zwischenraum der Stäbchen ausweichen, wo sie die Hafteigenschaft der Platten an der Oberfläche nicht beeinträchtigen. Der dünne Hals des Stabes bietet zudem eine gewisse Flexibilität bei ungleichmäßigen Oberflächen. Schließlich haben defekte Stäbchen keinen negativen Einfluss auf die Wirksamkeit benachbarter Stäbchen. Die Wissenschaftler beschreiben ihre Arbeit als "einen beträchtlichen Schritt in Richtung der Entwicklung eines industriellen kleberfreien Haftmaterials". Das neuartige Material könnte als Schutzfolie für empfindliche Glasoberflächen oder in wiederverwendbaren Klebeunterlagen für das Anbringen kleiner Gegenstände an glatten Oberflächen Verwendung finden. So konnte bereits ein 100 Gramm schwerer Roboter eine senkrechte Glaswand hochklettern, nachdem das Material an seinen Fußsohlen angebracht worden war. Die Forscher versuchen nun, die Haftung dieses Materials durch eine Verfeinerung der Strukturen noch weiter zu verbessern.

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