Wissenschaftler zuversichtlich für 2007
Wie Antworten auf die Frage "Welche Bereiche lassen Sie hoffnungsvoll in Bezug auf die künftige Entwicklung sein?" erkennen ließen, blicken Wissenschaftler selbst angesichts Bedrohungen wie Klimawandel und Vogelgrippe nach wie vor optimistisch in die Zukunft. Das Diskussionsforum Edge.org bittet alljährlich weltweit führende Wissenschaftler um Antwort auf eine einzige Frage. Die Antworten auf die diesjährige Frage ließen in so unterschiedlichen Bereichen wie Sonnenenergie und Transparenz, Funktionsweise von Hörhilfen, Verschmelzung wissenschaftlicher Disziplinen und Kampf gegen die Armut ein hohes Maß an Optimismus erkennen. Rund 160 Wissenschaftler nahmen an der Diskussion teil. Nach Ansicht von Carlo Rovelli, Physiker an der Universität des Mittelmeeres in Marseille, Frankreich, nimmt die "Diskrepanz zwischen rationalem wissenschaftlichem Denken und dem Rest unserer Kultur immer mehr ab". "In der kleinen akademischen Welt ist zu beobachten, dass die sinnlose Spaltung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften immer mehr an Bedeutung verliert. Intellektuelle beider Lager erkennen langsam aber sicher, dass wir unser derzeitiges Wissen in seiner ganzen Komplexität nicht vollständig erfassen können, solange wir uns nur auf Teilbereiche konzentrieren", schreibt Rovelli. Laut Chris Dibona, Open Source Programs Manager bei Google Inc., "werden die weite Verbreitung ständig aktualisierter, hoch auflösender Bilder der Erde Konflikten und ökologischer Zerstörung, wie sie heute an der Tagesordnung sind, ein Ende bereiten". Ernst Pöppel, Neurowissenschaftler an der Universität München, zeigt sich zuversichtlich, was den Kampf gegen monokausale Sichtweisen angeht, der Neigung, Phänomene und Ereignisse auf eine einzige Ursache zurückzuführen. "Mit einem multikausalen Ansatz als Leitprinzip könnten wir biologische Phänomene besser verstehen", so Pöppel. Die mit Spannung erwartete Inbetriebnahme des Hadron-Beschleunigers ist laut Maria Spiropulu, Physikerin am CERN, ein Hoffungsträger für das Jahr 2007. "Der Large Hadron Collider (großer Hadron-Beschleuniger), der in der Grenzregion von Frankreich und der Schweiz unter dem Jura entsteht, gibt Grund zur Zuversicht hinsichtlich der Fortschritte der experimentellen Wissenschaft. Erstmals wird es dem Menschen gelingen, dank Forschung und Technologie beliebig wiederholbare, menschengesteuerte Proton-Proton-Kollisionen zu erzeugen, bei denen eine Energie von 14 TeV freigesetzt wird. 2007 werden wir mehr über die physischen Vorgänge erfahren, die bei solchen Interaktionen ablaufen, und die Daten aus den Überresten solcher Kollisionen [mit denen die bisher größte Energie erzeugt wird] auswerten", schreibt Dr. Spiropulu. Colin Blakemore, Chief Executive des britischen Medical Research Council und Professor für Physiologie an der Universität Oxford, sieht Grund zum Optimismus in zwei der "großen" wissenschaftlichen Themen des Jahres 2006: Klimawandel und Stammzellenforschung. "Beim Kampf gegen den Klimawandel sind die Hindernisse in kurzsichtigen kommerziellen Interessen und kurzfristigen politischen Interessen begründet", schreibt Professor Blakemore. Seiner Ansicht nach wird der Wendepunkt 2007 erreicht sein, nämlich dann, wenn sich die Auswirkungen des Klimawandels noch deutlicher manifestieren und daher nicht länger ignoriert werden können. "Dann werden jene Politiker, die heute noch zweifeln, zu vehementen Kämpfern für den Klimaschutz werden und mahnen, dass wir mit Blick auf die Zukunft der Menschheit in der Pflicht stehen, uns dem Unausweichlichen zu stellen." Professor Blakemore ist überzeugt, dass, wer heute Schaden verursacht, dann zu einem überzeugten Klimaschützer werden wird. In der Stammzellenforschung sind die Barrieren für den Fortschritt weniger wirtschaftlicher als vielmehr moralischer Natur. "Obgleich sich die Argumente hier anders als beim Klimawandel aufzuwiegen scheinen, besteht das Problem auch bei der Stammzellenforschung interessanterweise darin, dass wir der Intuition den Vorzug vor kühler wissenschaftlicher Rationalität geben", schreibt Professor Blakemore. Er begründet seinen Optimismus wie folgt: "Die moralische Entrüstung von gestern ist dazu angetan, das notwendige Übel von heute und das Allgemeinwohl von morgen zu werden. Ebenso wie beim Klimawandel wird der Meinungsumschwung am Wendepunkt einer mathematischen Funktion eintreten, in diesem Fall dem Verhältnis zwischen wahrgenommenem Nutzen und theoretischen Kosten."