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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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Neutronenforschung mit verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten

Außerhalb der kleinen flämischen Stadt Geel schlängeln sich mehrere große Metallrohre mit bis zu 400 m Länge durch den Wald, die alle einem zentralen Gebäude entspringen. Dieses merkwürdig aussehende Gebilde trägt die Bezeichnung GELINA. Es handelt sich um einen Linearelektr...

Außerhalb der kleinen flämischen Stadt Geel schlängeln sich mehrere große Metallrohre mit bis zu 400 m Länge durch den Wald, die alle einem zentralen Gebäude entspringen. Dieses merkwürdig aussehende Gebilde trägt die Bezeichnung GELINA. Es handelt sich um einen Linearelektronenbeschleuniger am Institut für Referenzmaterialien und -messungen (IRMM) der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) der Europäischen Kommission. "Wir sind die Nukleartypen!", spaßt Dr. Peter Rullhusen, als CORDIS-Nachrichten die Einrichtungen des IRMM besichtigt. Dr. Rullhusen ist Leiter des Referats Neutronenphysik. Dr. Rullhusen erklärt, dass sich im Kern eines Atoms positiv geladene Protonen sowie Neutronen befinden, die keine elektrische Ladung tragen. In der zentralen Anlage des Beschleunigers wird ein Elektronenstrahl auf ein Urantarget abgefeuert. Dies führt zur Produktion von Neutronen mit unterschiedlicher Energie, die mit hoher Geschwindigkeit eine Flugroute entlangzischen, wo sich in regelmäßigen Abständen Teststationen mit einer Reihe von Instrumenten befinden, um verschiedene Messungen und Analysen durchzuführen. Zu verstehen, wie sich Neutronen verhalten, ist von entscheidender Bedeutung, um die Sicherheit von bestehenden Atomkraftwerken zu gewährleisten und neue sichere Reaktoren zu entwickeln. In der Erstellung exakter Neutronendaten mit hoher Auflösung ist GELINA eine der führenden Einrichtungen weltweit. Auch der Atommüll ist ein Thema, das vom Team um Dr. Rullhusen behandelt wird. Die Wissenschaftler untersuchen diesbezüglich u. a. die Möglichkeit der Transmutation, einer Methode, bei der die "übelsten Isotope" aus dem Atommüll entfernt und in Isotope umgewandelt werden, die entweder stabil sind oder eine kürzere Halbwertszeit haben. Darüber hinaus sind exakte Neutronendaten notwendig, um Methoden zu entwickeln, mit denen die Menge an Atommüll, die in den Reaktoren produziert wird, reduziert werden kann. Das Referat Neutronenphysik befasst sich jedoch nicht ausschließlich mit dem Thema Nuklearenergie, sondern hier werden auch Untersuchungen für den medizinischen und archäologischen Bereich durchgeführt. Bei dem Projekt "Ancient Charm", in dessen Rahmen die Elemente antiker Objekte analysiert werden, kommt GELINA für archäologische Tests mit der Methode "Neutron Resonance Capture Analysis (NRCA)" zum Einsatz. Bei dieser Methode wird das zu untersuchende antike Objekt im Neutronenstrahl des Beschleunigers platziert. Da jedes Element Neutronen mit einer bestimmten Energie aufnimmt, können die Forscher anhand der Energie der Neutronen, die von dem Objekt aufgenommen werden, herleiten, aus welchen Elementen das Objekt besteht. Hierbei handelt es sich um ein zerstörungsfreies Verfahren, weshalb es anderen analytischen Methoden, bei denen häufig eine Probe des Objekts entnommen werden muss, eindeutig vorzuziehen ist. Dieses Verfahren soll Archäologen Aufschluss darüber geben, wie unsere Vorfahren Objekte hergestellt haben, und ihnen bei der Bestimmung der besten Methoden zur Erhaltung antiker Objekte helfen. Außerdem kann die Technik zum Aufdecken von Fälschungen eingesetzt werden. In einer Studie wurde das Material von Bronzestatuen analysiert, die man der Zeit der Etrusker zuschrieb, und angeblich etruskische Kunstwerke, die man für Fälschungen hielt. Hier kommt es insbesondere auf die Bestimmung des Zinkgehalts an, da man weiß, dass echte etruskische Kunstobjekte einen sehr geringen Zinkanteil haben, verglichen mit später von den Römern hergestellten Bronzeobjekten. Mit Analysen in der Einrichtung GELINA konnte dies bestätigt werden. Bei vielen Objekten, bei denen es sich nach Meinung von Experten um wahrscheinliche Fälschungen handelte, konnte tatsächlich ein relativ hoher Zinkgehalt bestimmt werden. Die Arbeit in der Einrichtung GELINA wird durch Messungen in einem zweiten Beschleuniger des Referats, dem Van-de-Graaff-Beschleuniger, ergänzt, in dem quasi-monoenergetische Neutronen produziert werden. Diese werden zur Untersuchung von Kernspaltungsprozessen genutzt - der Spaltung von großen Zellkernen durch Neutronenbeschuss, der Quelle für Kernenergie. Ein weiterer sehr wichtiger Bereich befasst sich mit der Nutzung der Kenntnisse über Atomreaktionen, z. B. die Interaktion von Neutronen mit dem Isotop Bor-10. Diese Reaktion, die größtenteils vom Institut für Energie der GFS im niederländischen Petten entwickelt wurde, findet im medizinischen Bereich mit der Bor-Neutronen-Einfang-Therapie Anwendung: Bei dieser Therapie werden einem Krebspatienten Bor-10-Isotope injiziert. Anschließend werden die Isotope mit einem Neutronenstrahl beschossen, sobald sich die Boratome in den bösartigen Zellen angesammelt haben. Dies führt zur Spaltung des Boratoms, wodurch wiederum ein Alphateilchen freigesetzt wird, das die Krebszellen zerstört. Die Tatsache, dass die von GELINA durchgeführten Messungen extrem hoch auflösend sind, macht die Einrichtung interessant für Forscherteams aus ganz Europa und darüber hinaus. Dank des von der EU geförderten Projekts NUDAME (Neutron Data Measurements) können Forscherteams aus ganz Europa das IRMM nutzen, um Experimente in unterschiedlichen Bereichen wie z. B. Atommüllentsorgung, Kerntechnik und Kernreaktorsicherheit durchzuführen.

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