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Forscher spüren der Evolution des Zentralnervensystems nach

Obwohl es dem ungeübten Auge vielleicht erscheint, dass Würmer und Menschen nicht viel oder gar nichts gemeinsam haben, bestätigten Forscher des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL), dass unsere Gehirne von demselben Vorfahren abstammen. Die Ergebnisse der...

Obwohl es dem ungeübten Auge vielleicht erscheint, dass Würmer und Menschen nicht viel oder gar nichts gemeinsam haben, bestätigten Forscher des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL), dass unsere Gehirne von demselben Vorfahren abstammen. Die Ergebnisse der teilweise von der EU finanzierten Studie werden in der aktuellen Ausgabe des Magazins Cell veröffentlicht. Der Bericht behauptet, dass dieser gemeinsame Vorfahre nichts anderes ist, als ein primitiver Meereswurm, genannt Platynereis dumerilii, dessen Nervensystem über Milliarden von Jahren unverändert geblieben ist. Wissenschaftler wissen seit einiger Zeit, dass Wirbeltiere, Insekten und Würmer von denselben, Urbilateria genannten Vorfahren abstammen. Aber ihre Zentralnervensysteme sind unterschiedlich und man nahm an, dass sie im Laufe der Evolution erst nach der Teilung ihrer Abstammungslinien aufgetreten sind. Während Wirbeltiere ein Zentralnervensystem in Form eines am Rücken verlaufenden Rückenmarks haben, verfügen Insekten und Ringelwürmer wie der Regenwurm über eine strickleiterartige Kette von Nervenzellenklustern auf ihrer Bauchseite. Andere wirbellose Tiere besitzen diffus über ihren Körper verteilte Nervenzellen. Hatten also die Urbilateria am Anfang ein Zentralnervensystem? Wenn ja: Wie könnte es ausgesehen haben? Und wie sind die unterschiedlichen Nervensysteme bei den heutigen Tieren aus ihm entstanden? Diese Fragen wollten die Forscher am EMBL mit ihrer Studie beantworten. Dafür haben sie die molekulare Architektur des Rumpfnervensystems des Ringelwurms Platynereis dumerilii untersucht. "Den Platynereis kann man als lebendes Fossil ansehen", sagt Detlev Arendt, der die Studie leitete. "Er lebt immer noch in derselben Umwelt wie der letzte gemeinsame Vorfahre und hat viele Eigenschaften seines Vorfahren behalten, einschließlich eines Prototyps des ZNS [Zentralnervensystem]." Mithilfe von in-vivo Zeitrafferaufnahmen beobachteten die Forscher, wie sich beim Platynereis dumerilii das Neuroektoderm - der Bereich bei Embryonen, aus dem sich Gehirn, Rückenmark und Nervenfasern des peripheren Nervensystems entwickeln - anfänglich herausbildet. Bei Verwendung neuraler Differenzierungsmarker untersuchten sie auch den zeitlichen Verlauf und die räumliche Ausdehnung der frühen Neurogenese - der Prozess, bei dem Nervenzellen im Gehirn gebildet werden. Dies ermöglichte den Forschern, den molekularen Fingerabdruck der Nervenzelle des Platynereis mit dem Wissen über Wirbeltiere zu vergleichen. Dabei kamen einige überraschende Ähnlichkeiten ans Licht. "Unsere Ergebnisse waren überwältigend", sagt Alexandru Denes, einer der an der Arbeit beteiligten Forscher. "Es stellte sich heraus, dass die molekulare Anatomie des sich entwickelnden ZNS bei Wirbeltieren und Platynereis nahezu identisch war. Sich entsprechende Regionen bilden Neuronenarten mit ähnlichen molekularen Fingerabdrücken und diese Neuronen formen daraufhin dieselben neuralen Strukturen beim Ringelwurm und beim Wirbeltier." Die neuen Ergebnisse unterstützen eine Theorie, die der Zoologe Anton Dohrn 1875 zuerst aufgestellt hatte, und nach der die Nervensysteme von Wirbeltieren und Ringelwürmern einen gemeinsamen Vorfahren hätten. Außerdem hätten sich die Wirbeltiere im Verlauf der Evolution selber umgestülpt. "Dies erklärt vollständig, warum wir an der Rückseite der Wirbeltiere und an der Vorderseite der Platynereis dasselbe zentralisierte ZNS finden", erklärt Dr. Arendt. "Wie die Umkehrung passiert ist und wie andere wirbellose Tiere das ZNS der Vorfahren im Lauf der Evolution modifiziert haben, sind die nächsten spannenden Fragen für Evolutionsbiologen."

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