Bericht fordert umfassendes HIV/AIDS-Forschungsprogramm
Europa muss ein gemeinsames HIV/AIDS-Forschungsprogramm auflegen, das dem Ausmaß des Problems entspricht. Das ist das Fazit eines Gesundheitsberichts der Gruppe European Action on Global Life Sciences (EAGLES). HIV/AIDS ist eine der zerstörerischsten Pandemien in der Geschichte der Menschheit. Rund 39 Millionen Menschen sind mit HIV infiziert und 17 Millionen starben an den Folgen der Infektion, die meisten davon in Entwicklungsländern. Statistiken der UN zufolge ist AIDS keineswegs auf dem Rückzug. Jahr für Jahr kommen fast fünf Millionen Neuinfizierte hinzu. Die Krankheit stellt somit eine immense Herausforderung für die weltweite Gesundheit dar. "Global gesehen entspricht der Umfang der HIV/AIDS-Forschung jedoch in keiner Weise den beispiellosen Gesundheits-, wissenschaftlichen, technologischen, sozialen und politischen Problemen, die diese Krankheit auslöst", so Ismail Serageldin, Vorsitzender von EAGLES, einem von der EU geförderten Projekt, das die europäischen Antworten auf die Folgen armutsbedingter Krankheiten in den Entwicklungsländern stärken will. Der Bericht weist insbesondere auf die starke Zersplitterung hin, unter der die europäische AIDS-Forschung leidet. Er beklagt auch, dass europäische Politiker und andere Beteiligte kaum wissen, wie viel Zeit und Geld erforderlich sind, bis eine Neuentdeckung aus einem Universitätslabor in die klinische Testphase gehen kann. Sogar große Forschungsräte und gemeinnützige Organisationen schrecken vor den Summen zurück, die dieser Prozess verschlingt. Die Europäische Kommission unterliegt enormen finanziellen Beschränkungen. "Politisch wird sie von dem Mitgliedstaaten angehalten, breite und intensive Aktivitäten im gesamten Bereich der HIV/AIDS-Forschung zu unternehmen�aber sie wird nicht mit ausreichenden Mitteln ausgestattet, um diese Aufgabe erfüllen zu können", heißt es in dem Bericht. Ein Beispiel, das die finanziellen Zwänge illustriert, ist die Partnerschaft für klinische Studien zwischen Europa und den Entwicklungsländern (European and Developing Countries Clinical Trials Partnership - EDCTP), die Kapazitätsaufbau und klinische Studien finanziert. Unter dem Sechsten Rahmenprogramm (RP6) hatte die Europäische Kommission ursprünglich 200 Mio. EUR für die EDCTP vorgesehen. Weitere 200 Mio. EUR sollten von den Mitgliedstaaten und 200 Mio. EUR vom Privatsektor beigesteuert werden. Aufgrund administrativer Schwierigkeiten und verschiedener Managementprobleme wurden jedoch bisher lediglich 40 Mio. EUR aus dem EU-Haushalt und nur 37 Mio. EUR von den Mitgliedstaaten bereitgestellt. Die Autoren des Berichts empfehlen Maßnahmen, die die europäische Forschungsantwort auf die Pandemie schärfen sollen. So wird zum Beispiel ein europäisches HIV-Forschungsprogramm für Entwicklungsländer vorgeschlagen. Dieses Programm könnte zum Teil aus dem EU Budget und zum Teil aus den Budgets der Mitgliedstaaten finanziert und von einer Organisation nach dem Vorbild des Europäischen Forschungsrats (EFR) verwaltet werden. "Europa mit seiner einzigartigen Geschichte und seiner globalen Verantwortung sowie mit seiner starken Wirtschaft hat die Pflicht, ein solches umfassendes Forschungsprogramm aufzulegen, das dem Ausmaß der Herausforderung entspricht", so Dr. Serageldin. Das Programm sollte umfangreiche Mittel für Grundlagen- und für angewandte Forschung auf der Basis von wissenschaftlicher Exzellenz vergeben. Sowohl öffentliche als auch private Institutionen könnten Zuwendungen erhalten, unter der Voraussetzung, dass die Ergebnisse veröffentlicht werden. Das Programm sollte auch in der Lage sein, öffentlich-private Partnerschaften zu bilden, die sich auf translationale Forschung, Produktionssysteme und klinische Studien konzentrieren. Die Autoren des Berichts betonen ausdrücklich, dass mehr in Impfstoff- und Mikrobizidforschung investiert werden muss. "Wenn es einen wirkungsvollen Impfstoff für die Menschen gäbe, die am stärksten dem Risiko ausgesetzt sind, oder einen einfachen Schutz, den eine Frau vor dem Geschlechtsverkehr anwenden kann - das wäre schon ein enormer Fortschritt!", so die Autoren. Die Herausforderung ist nach wie vor gewaltig und verlangt umfassendes Engagement sowohl seitens der Europäischen Kommission als auch der Mitgliedstaaten, damit Ideen in wirkungsvolle Produkte umgewandelt werden können. "Kurz, wir müssen industriell denken, wie ein Unternehmen, das unbedingt Gewinne erzielen will, mit dem Unterschied, dass wir Leben retten wollen", heißt es in dem Bericht. Er empfiehlt weiterhin, dass Europa Projektfinanzierungsmechanismen in ausreichendem Umfang und mit ausreichender Laufzeit schafft, damit Impfstoff komplett entwickelt und einem Peer Review unterzogen werden können. In einer zweiten Runde sollte dann der vielversprechendste Anwärter weiterentwickelt werden. Diese Aktivitäten sollten mit der Initiative Global HIV Vaccine Enterprise verlinkt sein, damit die besten Kandidaten ausgesucht werden. Darüber hinaus sollten politische Anreize gesetzt werden, damit sich der Privatsektor in der AIDS-Impfstoffforschung engagiert. Anreize könnten auch die Forschungsmaßnahmen zu neuen antiretroviralen Medikamenten fördern.