Weiterer Anstieg der HIV-Infektionen in Europa
Im Jahr 2006 gab es in 50 der 53 Mitgliedstaaten der Europäischen Region der WHO (Weltgesundheitsorganisation) insgesamt 86 912 HIV-Neuinfektionen, so der jüngste EuroHIV-Bericht, der am 23. November in Tallinn, Estland, veröffentlicht wurde. 30 % dieser Fälle traten in EU-Mitgliedstaaten auf. Die meisten EU-Mitgliedstaaten verzeichnen mit durchschnittlich 67 neuen Fällen pro einer Million Einwohner eine Verlangsamung der Ansteckungsraten. Nimmt man die europäischen Länder hinzu, die nicht Mitglied der EU sind, so steckten sich 2006 rund 111 Menschen pro einer Million Einwohner mit dem humanen Immundefizienzvirus an, heißt es in dem vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) vorgelegten Bericht. Die Übertragungsmuster und -zahlen variieren erheblich zwischen den einzelnen Regionen des europäischen Kontinents: Zwei Drittel aller neuen HIV-Diagnosen wurden in Ländern der ehemaligen Sowjetunion gestellt. Häufigste Ansteckungsursache in diesen Ländern war der intravenöse Drogenkonsum (IDU), zumindest in den Fällen, in denen Informationen zum möglichen Übertragungsweg vorlagen. Von fast 60 000 Infektionen sind über 22 000 darauf zurückzuführen. Über ein Viertel der Neuinfizierten sind zwischen 15 und 24 Jahren alt, und bei 41 % der Neuinfizierten handelt es sich um Frauen. Bei Weitem die höchste Neuinfektionsrate (504 Menschen pro eine Million Einwohner) wurde in Estland registriert. "Estland hat aufgrund der hohen HIV-Infektionsraten einen ehrgeizigen langfristigen Plan für den Zeitraum von 2006 bis 2015 aufgelegt", erklärte Zsuzsanna Jakab, Direktorin des ECDC, bei der Vorstellung des Berichts "HIV/AIDS Surveillance in Europe". "Dieser Plan umfasst neue Initiativen zu Überwachung, Prävention und Behandlung. Wir vom ECDC unterstützen die von der estnischen Regierung eingeleiteten Maßnahmen, die den Trend steigender HIV-Infektionsraten umkehren sollen. Im Namen des ECDC habe ich mich für eine Unterstützung Estlands in einer Reihe von vorrangigen Bereichen ausgesprochen, darunter Überwachung, Austausch von Erfahrungen zwischen Ländern und Hilfestellung vonseiten Europas bei HIV-Tests." In Westeuropa, darunter in Belgien, Frankreich, Deutschland, Skandinavien, im Vereinigten Königreich und in weiteren Ländern, wurden fast 25 500 neue Fälle gemeldet - dies entspricht 82,5 HIV-Neuansteckungen pro einer Million Einwohner. Über die Hälfte der Neuinfektionen in diesen Ländern sind schätzungsweise auf heterosexuelle Kontakte zurückzuführen. Zum Großteil handele es sich hierbei um Kontakte zwischen Personen aus Ländern, in denen HIV weitverbreitet sei, wie Subsahara-Afrika, so der Bericht. Die niedrigste Infektionsrate wurde in Mitteleuropa, u. a. in Bulgarien, Kroatien, der Tschechischen Republik, Polen und anderen Ländern, festgestellt: Hier wurden insgesamt 1 805 neue Fälle (9,4 pro einer Million Einwohner) gemeldet. Am häufigsten wurde das Virus über heterosexuelle Kontakte (572 Fälle) übertragen. Der Bericht schlägt eine Reihe verschiedener Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Infektion vor: So sollten beispielsweise im Osten Präventions- und Versorgungsprogramme umgesetzt werden, die sich in erster Linie an intravenöse Drogenkonsumenten richten. Im Westen dagegen müssten die Kampagnen auf Heterosexuelle - insbesondere solche mit Migrationshintergrund - abzielen, während Programme für andere Gruppen fortgeführt werden müssten. Ein ausführlicherer Artikel ist auf der Website von Eurosurveillance abrufbar, der von Experten begutachteten wissenschaftlichen Online-Fachzeitschrift des ECDC zu ansteckenden Krankheiten. Ab Januar 2008 wird das ECDC zusammen mit dem WHO-Regionalbüro für Europa (WHO EURO) für den Jahresbericht zuständig sein und damit das Europäische Zentrum für die epidemiologische Überwachung von Aids, EuroHIV, ablösen.
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