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Die Physik des Reißens

Die Erforschung des Banalen kann manchmal zu recht nützlichen Ergebnissen führen. Ein internationales Forscherteam hat jüngst das Geheimnis gelüftet, weshalb Klebeband in einer ganz bestimmten Weise reißt. Ihre Ergebnisse sollen vor allem in den Bereichen der Mikro- und Nanote...

Die Erforschung des Banalen kann manchmal zu recht nützlichen Ergebnissen führen. Ein internationales Forscherteam hat jüngst das Geheimnis gelüftet, weshalb Klebeband in einer ganz bestimmten Weise reißt. Ihre Ergebnisse sollen vor allem in den Bereichen der Mikro- und Nanotechnologien von Nutzen sein. Die Situation ist bekannt: Man ist gerade dabei ein Geschenk für einen Freund einzupacken, mit einer Hand hält man das Geschenkpapier fest, während die andere versucht, einen Streifen Klebeband abzureißen. Und dann, man ist fast fertig, reißt das Klebeband plötzlich schief ab und man versucht, mit dem Fingernagel das Ende auf der Rolle zu finden und gleichzeitig das Papier zusammenzuhalten. Will man es glauben oder nicht, dieses frustrierende Szenario ist jetzt Thema einer seriösen Forschung von Wissenschaftlern am französischen nationalen Forschungszentrum (CNRS), der Universität von Santiago in Chile und dem Massachusetts Institute of Technologie (MIT) in den USA geworden. Ihre Arbeit, in der die physikalischen Mechanismen hinter dem Phänomen des von den Forschern sogenannten "Tapetenproblems" erklärt wird, ist in der Fachzeitschrift Nature Materials erschienen. "Sie wollen ihr Schlafzimmer neu tapezieren, dafür müssen erst einmal die alten Tapeten runter. Sie hoffen, dass die Bahn in einem Stück abgezogen werden kann, aber sie nimmt die Form eines Dreiecks an und so müssen sie wieder von vorn beginnen", erklärt Pedro Reis, einer der Autoren dieser Arbeit und Lehrkraft für angewandte Mathematik am MIT. Um die Gründe dafür besser zu verstehen, entwickelten die Forscher ein System, mit dem sie kontrollierte Reißexperimente durchführen können. Das System besteht aus einem Klebefilm oder Klebeband mit zwei eingeschnittenen Schlitzen, das auf eine Oberfläche geklebt wird. Anschließend wird an dem Band gleichmäßig gezogen. Die Forscher hielten die Formen der entstehenden Risse und die mechanischen Kräfte für Klebebänder mit unterschiedlichen adhesiven und mechanischen Eigenschaften fest. Die Physiker fanden heraus, dass diese Risse normalerweise eine dreieckige Form haben. Das Team entdeckte auch, wie diese Risse zunächst entstehen. Wenn an dem Klebeband gezogen wird, baut sich in der Falte, die sich an der Stelle bildet, wo das Band von der Oberfläche abhebt, Energie auf. Das Band kann diese Energie auf zwei Weisen abgeben - entweder indem es sich von der Oberfläche ablöst oder indem es enger wird. Die Wissenschaftler konnten zwischen drei inhärenten Eigenschaften von adhäsivem Material unterscheiden: ihre Elastizität, die Adhäsionsenergie (mit der der Klebstoff an der Oberfläche klebt) und die Bruchenergie (die man benötigt, um das Material zu zerreißen). Die Wissenschaftler haben eine Formel erstellt, mit der die Charakterisierung einer dieser Eigenschaften auf der Basis der anderen beiden und einer einfachen Winkelmessung des Dreiecks möglich ist. Man erwartet, dass ihre Ergebnisse wichtige Auswirkungen auf die Werkstofftechnologie haben werden. Zum Beispiel könnten sie Ingenieuren bei der Kalkulation einer von drei Eigenschaften helfen, wenn die anderen beiden bekannt sind. Dies könnte vor allem bei der Entwicklung ultra-dünner Filme von Nutzen sein, die zu den grundlegenden Elementen in vielen Mikro- oder Nanosystemen gehören. Diese Filme, deren Eigenschaften sehr schwer zu manipulieren sind, sind bereits in Alltagsgegenständen in der Form von Aufpralldetektoren in Airbags und Mikro-Spiegeln in Videoprojektoren der zweiten Generation anzutreffen.

Länder

Frankreich, Vereinigte Staaten

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