Mathematisches Modell überbrückt Lücke zwischen Labor und der "realen" Welt
Britische und US-amerikanische Wissenschaftler haben ein mathematisches Modell entwickelt, welches das Ergebnis von laborgestützten Studien zur Biodiversität vorhersagen kann. Sie wollten herausfinden, ob die Ergebnisse von Experimenten zur Biodiversität, die in künstlich geschaffenen Miniatur-Ökosystemen durchgeführt werden, auch auf Phänomene in der realen Welt übertragen werden können. Um herauszufinden, weshalb die Biodiversität mancherorts vielfältiger ist als an anderen, könnte man Jahrzehnte damit verbringen, die Entwicklung von Teilen eines sehr komplexen Systems vor Ort zu beobachten. Effizienter ist es allerdings, ein Ökosystem im Miniformat im Labor zu schaffen, in dem viele Bakteriengenerationen unter unterschiedlichen Bedingungen beobachtet werden können. Allerdings birgt dieser vereinfachte Ansatz auch einige Probleme. Eines davon ist der nur sehr dürftige Zusammenhang zwischen Laborexperimenten und den allgemeineren Fragestellungen, die diese beantworten sollen. Es ist schwer zu sagen, ob die Ergebnisse einem bestimmten Labor oder einem bestimmten Experiment zugeschrieben werden können, oder ob sie "real" sind und sich allgemein anwenden lassen. Dr. Laurence Hurst von der Universität Bath, Vereinigtes Königreich, und seine Kollegen versuchten diese Frage zu beantworten, indem sie eine Theorie überprüften: die so genannte "geographic mosaic co-evolution hypothesis" (Hypothese der geografischen mosaikartigen gemeinsamen Evolution). Diese besagt, dass wenn ein Wirt, ein Parasit und Nährstoffe vorhanden sind, dies zur Biodiversität führt. Wird einer dieser Bestandteile verändert, dann verändert sich auch das Niveau der Biodiversität: Erhöht oder senkt man die dem Wirt zugeführten Nährstoffe, wird die daraus folgende Diversität entsprechend steigen oder zurückgehen. Im ersten Teil des Versuchs züchteten die Wissenschaftler der University of California in Santa Cruz, USA, eine Bakterienart (E. coli) gemeinsam mit einem Virus (T7) und beobachteten, wie sich die beiden bei einer unterschiedlich hohen Zuckerzufuhr über 150 Generationen (17 Tage) hinweg verhalten. Die gemeinsame Züchtung der Bakterie und des Virus zwang diese dazu, sich aneinander anzupassen: Drei neue Bakterienstämme entstanden bei dem Versuch, das Virus zu vertreiben und auch dieses mutierte mehrere Male. Die Ergebnisse unterstützten die Hypothese einer geografischen mosaikförmigen gemeinsamen Evolution. In diesem System wurde mehr Diversität beobachtet, je weniger Nährstoffe diesem zugeführt wurden. In einer nährstoffreichen Umgebung wurden weniger resistente Stämme ausgelöscht, während in einer nährstoffarmen Umgebung durch die geringere Zahl an Viruspartikeln mehr Bakterienstämme überleben konnten. Anders gesagt, die größte Biodiversität wurde beobachtet, wenn dem Mini-Ökosystem weniger Nährstoffe zugeführt wurden. Dr. Ivana Gudelj und Dr. Robert Beardmore vom Imperial College London, Vereinigtes Königreich, entwickelten anschließend ein elegantes, technisch schwieriges mathematisches Modell dieses Miniatur-Ökosystems. "Dieses Modell konnte den Ausgang des Versuchs voraussagen, was recht spannend war", erklärte Dr. Hurst CORDIS-Nachrichten gegenüber. Es sagte voraus, welche Bakterienstämme am häufigsten vorkommen und wie hoch die Diversität je nach Zuckermenge sein wird. Der nächste Schritt bestand in der Untersuchung, ob dasselbe Ergebnis erzielt werden könnte, wenn ein anderer Virus verwendet wird. Das Ergebnis fiel völlig anders aus: Mehr Zucker führte zu mehr Diversität. Die Studie ergab, dass in jedem System die genetischen Details der Wirt-Parasit-Interaktion dafür ausschlaggebend sind, ob die Diversität bei veränderter Nährstoffzuführung wächst oder zurückgeht. Anders gesagt, Biodiversität hängt nicht einfach nur von der Verfügbarkeit von Nährstoffen in einer Umgebung ab, sondern auch von winzigen Veränderungen der genetischen Zusammensetzung von Wirten und Parasiten. Dr. Hurst erklärte, dass es innerhalb "eines mathematischen Modells immer Variation gibt. Unabhängig davon, welche Stelle des mathematischen Modells wir uns ansehen, die Diversität verändert sich, und ob diese steigt oder zurückgeht, hängt einzig und allein von dem verwendeten Bakterium oder Virus ab." Das Fazit dieser Studie über die Übertragung von Laborergebnissen ist, dass keine Annahmen über Nährstoffwerte und Biodiversität gemacht werden können. Für jedes Ökosystem ist eine genaue Kenntnis der Genetik der beteiligten Spezies erforderlich, um festzustellen, wie Nährstoffe ihre Evolution beeinflussen.
Länder
Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten