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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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Das Phänomen der invasiven Ameisen: Superkolonien von Gartenameisen in Europa sehr erfolgreich

Eine groß angelegte interdisziplinäre Studie eines internationalen Teams aus Forschern hat ergeben, dass die Gartenameise Lasius neglectus schon invasive Züge an sich hatte, bevor sie anfing, in Europa Superkolonien zu bilden. Die von Menschen geschaffenen Verkehrsnetze haben ...

Eine groß angelegte interdisziplinäre Studie eines internationalen Teams aus Forschern hat ergeben, dass die Gartenameise Lasius neglectus schon invasive Züge an sich hatte, bevor sie anfing, in Europa Superkolonien zu bilden. Die von Menschen geschaffenen Verkehrsnetze haben ihr nur den nötigen Impuls gegeben, um zu einem erfolgreichen Eindringling zu werden. Die Studie wurde unter dem Fünften Rahmenprogramm der EU (RP5) als Teil des Forschungsausbildungsnetzes INSECTS ("Integrated studies of the economy of insect societies") und durch ein separates innereuropäisches Marie-Curie-Stipendium finanziert. Die späteren Ergebnisse werden im Magazin PLoS ONE veröffentlicht. Die Forscher verglichen die invasive Ameise L. neglectus, die zum ersten Mal 1990 bei der Vereinnahmung eines Stadtviertels in Budapest, Ungarn, beschrieben wurde, mit ihrer Schwesterart L. turcicus, einer nichtinvasiven, in der Türkei beheimateten Ameise. Sie verglichen die "invasiven" und die "präinvasiven" Merkmale dieser zwei Ameisenarten miteinander und untersuchten ihre Anfälligkeit für Krankheiten, ihren Genfluss, ihre Fähigkeit zur Erkennung ihrer Nestgenossen und die Angriffe auf Ameisen anderer Nester. Die invasiven Ameisen leben in kleinen Gruppen aus miteinander verbundenen Nestern. Sie haben mehrere Königinnen, bewegen sich frei zwischen den Nestern und paaren sich unter der Erde. Dieses zwanglose Miteinander ist ausschlaggebend für ihren Erfolg. Ihre nichtinvasiven Verwandten dulden keine Vertreter anderer Nester und scharen sich alle um eine einzige Königin, was ihre Ausbreitung einschränkt. In der Studie heißt es, die Vermischung von L. neglectus mit Ameisen anderer Nester liege unter anderem daran, dass sie nur schwer die eigenen Nestgefährten erkennen können. Weniger Feindschaft, so heißt es weiter, vereinfache die Bildung von Superkolonien. Das Team konnte bei der nichtinvasiven Ameise L. turcicus viele Merkmale beobachten, die sie als "Präumwandlung zur Invasivität" bezeichnen. Sie glauben, dass sich diese Merkmale entwickelt hatten, noch bevor die Ameisen ihren ursprünglichen Lebensraum verließen. Der Invasionserfolg von L. neglectus ist laut Studie größtenteils auf diese Präumwandlungen zurückzuführen, aber auch auf die Tatsache, dass sie sich durch ihr Nomadenleben gemeiner Parasiten entledigen. "Es scheint, als hätten viele invasive Arten ihren natürlichen Erfolg zumindest teilweise ihrer Fähigkeit zu verdanken, sich von Parasiten befreien zu können. Nicht alle natürlichen Feinde folgen nämlich ihren Wirten in ein neues Gebiet, wenn die Gründungspopulationen klein sind", heißt es weiter in der Studie. Die Forscher haben zwei Parasiten analysiert, von denen diese Ameisen gewöhnlich heimgesucht werden. Dabei fanden sie heraus, dass L. neglectus diese Erreger bei einer Umsiedlung so lange fernhalten kann, bis sie einen neuen Ableger dieser Kolonie gegründet hat. Abschließend heißt es in der Studie, dass sich die Ameisen verändert hätten, noch bevor sie sich aus Kleinasien zurückgezogen haben und invasiv geworden sind. "Dies bedeutet, dass die derzeit unentdeckte einheimische nichtinvasive L. neglectus wahrscheinlich noch immer irgendwo in Westasien vorkommt, sofern sie nicht in jüngster Zeit ausgestorben ist. Sollte dieses Szenario der Realität entsprechen, wären der menschliche Verkehr und die Entledigung von Parasiten ausreichende Bedingungen zum Entstehen der ausgedehnten Superkolonien gewesen, die für die noch vorhandenen invasiven Populationen so charakteristisch sind." Die Forscher weisen gleichzeitig darauf hin, dass die Entdeckung dieser einheimischen, nichtinvasiven Ameise L. neglectus eine dringliche Angelegenheit ist. "Aus unseren Ergebnissen geht hervor, dass die Populationen der invasiven L. neglectus ein potenzielles Problem mit weltweitem Ausmaß und besonders bedrohlich für künstliche Ökosysteme in den kalt-gemäßigten Klimazonen sind, die bisher nur selten von invasiven Ameisen heimgesucht wurden", so ihre Schlussfolgerung. Mit der Entdeckung der verschwundenen Ameise, so hoffen sie, werden sie diese schädliche Plage verstehen und bekämpfen können. Invasive Schädlinge werden beim Schutz der natürlichen Artenvielfalt immer mehr zum Problem. "Jetzt wird deutlich, dass ziemlich viele Ameisenarten in dieser Weise leben. So ist es keine Überraschung, dass unzählige von ihnen zu invasiven Schädlingen geworden sind, die in riesigen, auf dem gleichen Prinzip beruhenden Superkolonien leben", erklärt Dr. Sylvia Cremer von der Universität Kopenhagen in Dänemark. Dr. Jes Pedersen fügt hinzu: "In Zukunft wird es viele weitere invasive Ameisen geben. Daher ist es an der Zeit, dass wir ihre Biologie verstehen, und diese Studie ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung." In Nordeuropa gab es bis vor kurzem keine invasiven Schädlingsameisen mehr. Die Gartenameise wurde jedoch in mehr als 100 Standorten in ganz Europa gefunden, unter anderem in Jena (Deutschland), in Gent (Belgien) und in Warschau (Polen). Ihr macht Kälte nichts aus, sie gründet Kolonien, die ganze Parks und Gärten vereinnahmen, und rottet so einheimische Insekten und Spinnen aus und beschädigt Bäume. Sie sieht wie eine normale schwarze Gartenameise aus, allerdings kommen auf der gleichen Fläche 10 bis 100 Mal mehr Exemplare vor.