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Inhalt archiviert am 2024-04-17

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Vor- und Nachteile von Nano-Lebensmitteln

Die Nanotechnologie hat durchaus das Potenzial, unsere tägliche Nahrung zu verbessern; sie schmackhafter, gesünder und nahrhafter zu machen. Es ist jedoch eher wenig darüber bekannt, wie sich Nanopartikel im Körper verhalten oder ob sie gar toxische Auswirkungen haben könnten....

Die Nanotechnologie hat durchaus das Potenzial, unsere tägliche Nahrung zu verbessern; sie schmackhafter, gesünder und nahrhafter zu machen. Es ist jedoch eher wenig darüber bekannt, wie sich Nanopartikel im Körper verhalten oder ob sie gar toxische Auswirkungen haben könnten. Hermann Stamm arbeitet für die Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Union (Joint Research Centre, JRC) an diesem Thema. Er hielt auf der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Naturwissenschaften in Chicago, USA, einen Vortrag zum Thema Nanofood (Nanotechnologie in Lebensmitteln). Dr. Stamm sprach vor seiner Abreise zu der Veranstaltung mit CORDIS-Nachrichten darüber, auf welche Weise die Nanotechnologie in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz kommt, welche Risiken bestehen und in welche Richtungen geforscht werden muss. Nach Angaben von Experten aus der Lebensmittelindustrie seien künstliche Nanomaterialien enthaltende Lebensmittel in Europa nicht im Handel, allerdings über das Internet erhältlich, erklärte er. Die Nanotechnologie kann zum Einsatz kommen, um den Geschmack und die Beschaffenheit von Lebensmitteln zu verbessern, den Fettgehalt zu reduzieren oder um Nährstoffe wie etwa Vitamine einzukapseln, damit sie nicht während der Haltbarkeitsdauer eines Produkts abgebaut werden. Hinzu kommt, dass Nanomaterialien zur Herstellung von Verpackungen verwendet werden können, die das verpackte Produkt länger frisch halten. So könnten intelligente Nahrungsmittelverpackungen mit Nanosensoren den Verbraucher sogar über den Zustand der Ware im Inneren informieren. Das Anreichern von Lebensmitteln mit Nanomaterialien sei jedoch nicht risikolos. "Man weiß, dass Nanomaterialien aufgrund ihrer winzigen Größe Barrieren wie das Darmepithel überwinden und in den Blutkreislauf gelangen können", gab Dr. Stamm zu bedenken. "Sie können dann sekundäre Zielorgane erreichen und sich dort ansammeln." Wir wissen bereits, dass ultrafeine Partikel aus Dieselmotoren in die Lunge gelangen können. In einer Reihe von Studien hat man einen Zusammenhang zwischen dieser Tatsache und Herz-Kreislauf-Erkrankungen festgestellt. Auch Untersuchungen an Tieren haben bestätigt, dass Nanopartikel durchaus in der Lage sind, die Darmwand zu durchdringen. Dr. Stamm war Mitglied einer Arbeitsgruppe der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit), die kürzlich eine vorläufige Stellungnahme zum Thema Nanotechnologien in Lebensmitteln und Futtermitteln herausgeben hat. Die Gruppe fand heraus, dass die derzeitigen Ansätze zur Risikobewertung bei den Nanomaterialien zum Einsatz kommen können, warnte allerdings deutlich, dass die Daten der nicht in Nanogröße vorliegenden Substanzen nicht auf die Nanoversionen übertragen werden können. Diese Einschränkung ergibt sich aus dem Fakt, dass sich die Nanopartikel aufgrund ihrer sehr kleinen Größe auf eine völlig andere Weise als größere Partikel in unserem Körper bewegen können, während die große Oberfläche der Nanopartikel deren Reaktionsfähigkeit erhöht. Aus diesem Grund sollten Risikobewertungen von Fall zu Fall mit großer Sorgfalt vorgenommen werden. Dr. Stamm zufolge ist noch viel mehr Forschungsarbeit erforderlich, um zu verstehen, wie Nanopartikel sich im Körper bewegen, und welche Tests ausgeführt werden sollten, um ihre Toxizität zu bestimmen. Laut des EFSA-Gutachtens sei zum Beispiel wenig darüber bekannt, wie Nanopartikel vom Körper absorbiert, im Körper verteilt sowie aus dem Körper ausgeschieden werden. "Die Materialien müssen außerdem sehr gewissenhaft charakterisiert werden, sodass man ganz genau weiß, warum das Nanomaterial potenziell toxischer als andere Materialien ist", fügte Dr. Stamm hinzu. Eine weitere Schwierigkeit bestehe darin, dass klare Definitionen für Nanotechnologien oder Nanomaterialien fehlten. "In Nahrungsmitteln gibt es natürliche Nanomaterialien", kommentierte Dr. Stamm. "Homogenisierte Milch hat beispielsweise eine Nanostruktur mit Tröpfchen von 100nm Größe." So müssen bei möglichen Definitionen Verwechslungen mit natürlichen Materialien in Nanogröße vermieden werden.