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Inhalt archiviert am 2023-03-06

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Erstmals wissenschaftliche Bohrungen in seismogenen Zonen

Nicht einmal extreme Wetterbedingungen und stürmische See konnten ein Team von Wissenschaftlern davon abhalten, im erdbebengefährdeten Kumano-Becken vor der Ostküste Japans Bohrungen bis zu einer Tiefe von 1.603,7 m unter dem Meeresboden durchzuführen. Die von der EU unterstüt...

Nicht einmal extreme Wetterbedingungen und stürmische See konnten ein Team von Wissenschaftlern davon abhalten, im erdbebengefährdeten Kumano-Becken vor der Ostküste Japans Bohrungen bis zu einer Tiefe von 1.603,7 m unter dem Meeresboden durchzuführen. Die von der EU unterstützten Wissenschaftler der IODP -Expedition 319 (Integrated Ocean Drilling Program - Integriertes Tiefseebohrprogramm) bohren tief in den oberen Teil der Nankai Trog-Subduktionszone, um Einblicke in die geologischen Formationen und das Spannungs- und Dehnungsverhalten dieses Gebiets zu erhalten. Das internationale Team von Wissenschaftlern an Bord des Tiefseebohrschiffs Chikyu - das erste Bohrschiff der Welt, das in der Lage ist, Riser-Technik für Bohrungen in bisher unzugänglichen seismogenen Zonen einzusetzen - dürfte in der ersten Augustwoche die erste Bohrmission dieser Expedition abgeschlossen haben. Das Projekt steht unter der Leitung der Japanischen Behörde für Meeres- und Erdwissenschaft und -technologie (JAMSTEC), einem der IODP-Partner. An der Finanzierung des Projekts ist auch das European Consortium for Ocean Research Drilling (ECORD) beteiligt, das über das ERA-Net-System des Sechsten Forschungsrahmenprogramms (FP6) unterstützt wird. ECORD ist die europäische Dachorganisation für wissenschaftliche Tiefseebohrungen im IODP, einem internationalen integrierten Tiefseebohrprogramm, das sich mit der Erforschung der Geschichte und Struktur unseres Planeten anhand von Meeresbodenablagerungen und Gesteinsformationen und der Beobachtung von Meeresböden befasst. Das japanische Forschungsschiff CHIKYU arbeitete erstmals mit der "Riser"-Technik, einem neuartigen Bohrverfahren, bei dem Schlammproben an die Oberfläche gehoben werden können, ohne dass sie aus rund 700 m unter dem Meeresboden erst an den Boden des Bohrlochs befördert werden müssen. Die Riser-Technik arbeitet mit einem geschlossenen Spülungskreislauf, in dem ein Spezialschlamm zirkuliert, der den Druck im Bohrloch stabilisiert. Dank dieser neuesten Technik war erstmals die dynamische Untersuchung von Gesteinsformationen unter gleichzeitigem Einsatz von Messtechnologie möglich. Mit Hilfe dieser Messtechnologie, so erläutern die Wissenschaftler, ist es möglich, während des Bohrens Spannung, Wasserdruck und Permeabilität des Gesteins zu messen. Das Team hat Proben der Bohrflüssigkeit ausgewertet, um Aufschluss über Veränderungen tief im Bohrloch zu erhalten; diese bilden Veränderungen in den Bohrlochbedingungen wie Alter oder Art des Mineralgehalts ab. Dem Team ist es auch gelungen, erstmals Kernproben aus einer Tiefe von 1.593,3 m unter dem Meeresboden zu gewinnen. "Diese hochmoderne Technik ermöglicht Wissenschaftlern erstmals den Zugang zu bisher unbekannten Zonen. Sie wird uns jede Menge wichtiger Informationen liefern über das, was sich in der Erdbebenzone in der Vergangenheit abgespielt hat, und Aufschluss geben über die gegenwärtigen Verhältnisse", erklärte Dr. Lisa McNeill vom National Oceanography Centre der Universität Southampton im Vereinigten Königreich, wissenschaftliche Co-Leiterin der Expedition. "Ich bin glücklich, an einer Expedition teilnehmen zu können, die die erste Riser-Bohrung in der Nankai Trog-Subduktionszone durchführt." Und Professor Timothy Byrne von der Universität Connecticut, USA, ebenfalls wissenschaftlicher Co-Leiter, fügte hinzu: "Diese beiden Parameter - Spannungsmagnitude und Porendruck im Gestein - sind wichtige Daten, um die Entstehung von Erdbeben zu verstehen." Als nächstes werden die Wissenschaftler Bohrungen in dem flachen Teil der so genannten Megasplay-Bruchzone durchführen, einer Art Abzweigung von der seismogenen Zone, diesmal mit "Riser-less"-Technik. Die Wissenschaftler vermuten, dass Megasplay-Bruchzonen, d.h. sehr lange Störungszonen, die von der Subduktionsplatte ausgehen, bei der Entstehung von Tsunamis eine Rolle spielen können. Sie werden ihre "Logging-while-drilling" (LWD)-Technik einsetzen, um Gesteinseigenschaften, die Besonderheiten von geologischen Formationen und die geophysikalischen Eigenschaften des Gebiets zu erforschen. Die Wissenschaft erhofft sich von der Arbeit des Chikyu-Teams Bahn brechende neue Erkenntnisse über Erdbebenaktivitäten in der Vergangenheit und Entwicklungsprozesse des Nankai Trog-Akkretionskeils, einem Keil, der aus Sedimenten entstanden ist, die sich an einer nicht abtauchenden Kontinentalpatte gebildet haben. Darüber hinaus erhofft man sich neue Einblicke in die Prozesse, die für die Entstehung von Tsunamis und großer Erdbeben verantwortlich sind. "Dank des Engagements der Bohrmannschaft und des Wissenschaftlerteams ist es uns gelungen, mehrere faszinierende Experimente durchzuführen, die ohne die Riser-Technik nicht möglich gewesen wären", erklärte Demian Saffer von der Pennsylvania State University in den USA, wissenschaftlicher Co-Leiter der Expedition. "Unser Ziel ist, ein Langzeitbeobachtungssystem in den Bohrlöchern zu installieren. Auf diese Weise werden wir in der Lage sein, die geologische Formation während eines Erdbebenzyklus zu beobachten."

Länder

Vereinigtes Königreich

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