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Wissenschaftler entdecken ein springendes Gen im menschlichen Gehirn

Wissenschaftler haben entdeckt, dass das menschliche Gehirn eine große Zahl so genannter "springender Gene" beherbergt. Diese Erkenntnisse haben Auswirkungen auf unser Verständnis der Entwicklung des Gehirns und der Individualität und könnten neues Licht auf die Ursachen neuro...

Wissenschaftler haben entdeckt, dass das menschliche Gehirn eine große Zahl so genannter "springender Gene" beherbergt. Diese Erkenntnisse haben Auswirkungen auf unser Verständnis der Entwicklung des Gehirns und der Individualität und könnten neues Licht auf die Ursachen neurologischer Erkrankungen werfen. Die Arbeit, die in der Online-Ausgabe des Magazins Nature veröffentlicht wurde, wurde zum Teil über Marie-Curie-Mobilitätsstipendien aus dem Siebten Forschungsrahmenprogramm der EU (RP7) gefördert. Springende Gene, auch bekannt als bewegliche Elemente, sind kleine DNA(Desoxyribonukleinsäure)-Abschnitte, die in der Lage sind, sich selbst zu kopieren und an anderen Stellen im Genom einzubauen. "Es ist bekannt, dass diese mobilen Elemente bei niedrigen Organismen wie Pflanzen und Hefe eine wichtige Rolle spielen, aber bei Säugetieren werden sie in der Regel als Überreste unsrer Vergangenheit angesehen", kommentiert Professor Fred Gage vom Salk-Institut für biologische Studien in den USA. "Sie kommen jedoch in extrem großer Zahl vor. Etwa 50 % des gesamten menschlichen Genoms besteht aus den Überresten mobiler Elemente. Wenn das alles Müll wäre, wären wir ihn sicherlich schon längst losgeworden." Bisher war nur bekannt, dass die Zellen des Immunsystems die einzigen menschlichen Zellen sind, die ihre Gene auf Wanderschaft schicken. Immunzellen bewegen die Gene, die für Antikörper kodieren, so dass die Zelle die Varietät von Antikörpern produzieren kann, die erforderlich ist, um eine Vielzahl von Antigenen zu erkennen. Bereits vor einigen Jahren hatten Professor Gage und sein Team herausgefunden, dass mobile DNA-Sequenzen, auch LINE-1-Elemente (oder Long interspersed element 1) genannt, zufällig um das Genom in den Gehirnzellen von Mäusen springen. In seiner jüngsten Studie wollte er herausfinden, ob dies auch für menschliche Gehirnzellen gilt. Studien an menschlichen Gehirnzellen, die in der Petrischale kultiviert wurden, ließen vermuten, dass dies der Fall sein könnte. Das Team isolierte DNA aus dem Hirngewebe, der Leber und dem Herzen von Erwachsenen Menschen und verglich die Intensität der LINE-1-Aktivität. Wie erwartet, fanden die Wissenschaftler in den Gehirnzellen sehr viel mehr Kopien von LINE-1 pro Zelle als im Herz- oder Lebergewebe desselben Menschen, von dem die Probe entnommen worden war. "Dies war der Beweis dafür, dass diese Elemente tatsächlich in Neuronen springen", kommentierte die Hauptautorin der Studie, Nicole Coufal vom Salk-Institut. Weitere Untersuchungen ergaben, dass der genetische Schalter, der die LINE-1-Elemente an- und ausschaltet, in den meisten Körpergeweben permanent auf "aus" steht, im Gehirn dagegen scheint der Schalter ständig auf "an" zu stehen. "Dies ist ein möglicher Mechanismus, um die neurale Vielfalt zu schaffen, die jeden Menschen so einzigartig macht", stellte Professor Gage fest. "Das Gehirn besteht aus 100 Milliarden Nervenzellen mit 100 Billionen Verbindungen, aber mobile DNA-Abschnitte könnten einzelnen Zellen zusätzlich unterschiedliche Fähigkeiten verleihen." Die Wissenschaftler vermuten auch, dass diese mobilen Elemente eine Rolle bei der Evolution spielen können, und zwar indem sie mehr Vielfalt schaffen als mit normaler Zellteilung erreicht wird, wenn die DNA genau kopiert wird. "Es ist eine andere Art, Vielfalt zu betrachten. Das Gehirn lebt 80 Jahre, ohne dass seine Entwicklung vorhersagbar wäre, und dies ist ein zusätzliches Element der Anpassungsfähigkeit", erklärt Professor Gage. "Es ist sinnvoll, dass es diese zusätzliche Ebene der Komplexität gibt." Die Erkenntnisse könnten auch unser Verständnis neurologischer Erkrankungen verbessern, von denen einige durch ungesteuerte springende Gene verursacht werden könnten. Die Wissenschaftler wollen als nächstes die Unterschiede in der Aktivität der springenden Gene bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen untersuchen.

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