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Inhalt archiviert am 2023-03-06

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Neue Erkenntnisse stellen herkömmliche Gedächtnistheorie in Frage

Britische und deutsche Forscher untersuchten Patienten mit Gedächtnisstörungen und entdeckten, dass ein bislang mit dem Langzeitgedächtnis assoziierter Gehirnabschnitt auch für das Kurzzeitgedächtnis eine Rolle spielen könnte. Den Forschern zufolge stellt dies die klassische T...

Britische und deutsche Forscher untersuchten Patienten mit Gedächtnisstörungen und entdeckten, dass ein bislang mit dem Langzeitgedächtnis assoziierter Gehirnabschnitt auch für das Kurzzeitgedächtnis eine Rolle spielen könnte. Den Forschern zufolge stellt dies die klassische These über funktionelle und anatomische Unterschiede zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis in Frage. Gegenstand der Studie war der Hippocampus, ein Gehirnabschnitt, der für Langzeitgedächtnis, räumliches Vorstellungsvermögen und Orientierung zuständig ist. Dieser Bereich ist auch der primäre Angriffspunkt für Alzheimer und damit verbundene Symptome, z.B. schwindendes Erinnerungsvermögen und Desorientierung. Um den Zusammenhang zwischen Arbeitsgedächtnis und Erinnerungen an länger zurückliegende Ereignisse herzustellen, untersuchten die Forscher Patienten mit Temporallappenepilepsie. Die Störung beeinträchtigt die Funktion des Hippocampus und damit das Kurzzeitgedächtnis. In den Tests schauten sich die Patienten Fotos von Alltagssituationen an, um sich beispielsweise die Anordnung von Stühlen in einem Zimmer zu merken. Nach dem Test wurde die Gehirnaktivität der Probanden gemessen, einmal kurz hinterher, ein andermal nach einem längeren Zeitraum. "Das Arbeitsgedächtnis ist für die vorübergehende Speicherung von Ereignissen und deren aktive Repräsentation im Gehirn zuständig", schreiben die Forscher in ihrer Studie. "Dies ist die Grundlage für zielgerichtetes Verhalten wie Entscheidungsfindungsprozesse oder das Abrufen von Informationen über den vorübergehenden sensorischen Reiz hinaus." Wie sich herausstellte, war es den Patienten nicht möglich, die Lage mehrerer dargestellter Objekte zueinander wiederzugeben, d.h. ob Stühle rechts oder links neben einem Tisch standen. Die dafür nötige Gehirnleistung beruht auf der koordinierten Aktivität miteinander vernetzter Gehirnareale, die sowohl visuelle als auch zeitliche Informationen verarbeiten. Bei den Patienten waren diese Hirnregionen aufgrund epilepsiebedingter Sklerose im Hippocampus geschädigt. "Wie wir bereits vermutet hatten, konnten die Patienten 60 Sekunden später die zuvor angeschauten Bilder nicht mehr von neuen Bildern unterscheiden. 5 Sekunden später war dies allerdings noch möglich", erklärte der an der Studie beteiligte Professor Emrah Duzel vom University College London, Vereinigtes Königreich. "Jedoch konnten die Patienten auch 5 Sekunden danach die Anordnung der Gegenstände auf den Bildern nicht mehr detailliert wiedergeben." Anschließend führten die Forscher die Tests und Hirnstrommessungen an gesunden Probanden durch. Ein Vergleich der beiden Gruppen ergab, dass der Hippocampus "entscheidend die verhaltens- und funktionsorientierte konfigural-relationale Funktionstüchtigkeit beeinflusst, indem er Schläfen- und Hinterhauptslappenregionen im Theta-Frequenzbereich koordiniert." Besonders wichtig war hierbei, dass diese Funktion des Hippocampus von einem ähnlichen Prozess abgegrenzt werden konnte, der in anderen Hirnregionen stattfindet. Das heißt, das Gehirn verfügt über zwei gänzlich unterschiedliche Kurzzeitnetzwerke. Das Hippocampus-unabhängige Netzwerk wird durch Schädigungen des Hippocampus nicht beeinträchtigt. "In letzter Zeit durchgeführte Verhaltensanalysen stellen inzwischen die ein halbes Jahrhundert alte klassische Unterscheidung zwischen Lang- und Kurzzeitgedächtnis infrage", sagte Nathan Cashdollar, ebenfalls Forscher am University College London. "Hiermit liefern wir den ersten funktionellen und anatomischen Nachweis, welche Mechanismen sowohl Kurz- als auch Langzeitgedächtnis betreffen und welche unabhängig voneinander funktionieren."

Länder

Deutschland, Vereinigtes Königreich

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