Gitterstruktur im Gehirn ermöglicht räumliches Denken
Eine teilweise von der EU finanzierte Studie identifizierte erstmals eine besondere Art von Zellen, die im menschlichen Gehirn wie eine räumliche Karte fungieren. Die im Fachblatt Nature veröffentlichten Ergebnisse könnten klären, auf welche Weise Menschen gedanklich Karten von ihnen unbekannten Umgebungen erstellen. Um diese Zellen zu identifizieren, untersuchte die Forschungsgruppe am University College London, Vereinigtes Königreich, das Gehirn mit Bildgebungsverfahren und einer computergenerierten virtuellen Umgebung. Wie es scheint, beeinflussen die als "Gitterzellen" bezeichneten spezialisierten Neuronen das Ortsgedächtnis und wurden bereits in Gehirnen von Nagern entdeckt. Im menschlichen Gehirn konnten sie erst jetzt nachgewiesen werden. "Offensichtlich dienen diese Gitterzellen der Erstellung einer kognitiven Karte der räumlichen Umgebung. Die Strukturierung der Zellen gleicht den waagerechten und senkrechten Linien herkömmlicher Landkarten, allerdings beruht ihre Anordnung nicht auf Quadraten, sondern auf Dreiecken", so Dr. Caswell Barry, einer der Studienautoren. Die Studie wurde zum Teil durch das Projekt SPACEBRAIN (Space coding in hippocampo-entorhinal neuronal assemblies) unter dem Themenbereich "Gesundheit" des Siebten Rahmenprogramms (RP7) gefördert. Ziel des Projekts war die Erforschung komplexer Gehirnfunktionen und der Frage, wie diese durch elektrische und chemische Prozesse in Gehirnzellen in Gang gesetzt werden. Um die Prinzipien der Mikroverschaltung im räumlichen Abbildungssystem von Nagergehirnen zu klären, wurden neue Berechnungsmethoden mit elektrophysiologischen, optischen und molekularbiologischen Analyseverfahren kombiniert, die zum ersten Mal für die Erforschung von Verschaltungen im Gehirn eingesetzt wurden. Gitterzellen vermitteln dem Tier eine Vorstellung über seinen Standpunkt im Raum - was die Forscher mit einem Satellitennavigationssystem im Gehirn vergleichen. Die Zellen feuern in regelmäßigen geometrischen Mustern, die als dreieckige Gitterstrukturen erscheinen, wenn man sie auf einer Navigationskarte darstellt. Entdeckt wurden die Zellen 2005 in einem norwegischen Labor, dessen Forschungsergebnisse darauf hindeuteten, dass sich Ratten mithilfe virtueller Gitter in ihrer Umgebung orientieren und neue Plätze in unbekanntem Territorium im Gedächtnis behalten können. Im Verlauf der Studie mussten 42 Probanden eine Aufgabe in einer "virtuellen Umgebung" lösen. Per Computer hatten die Forscher eine einfache, flache, von Bergen umgebene Graslandschaft generiert, in der die Teilnehmer Alltagsgegenstände aufsammeln und ersetzen sollten, wobei sie ihren Blick nach vorn, nach rechts und nach links wenden konnten. Professor Neil Burgess, Studienleiter, erklärte hierzu: "Von bestimmten Teilen des Gehirns, in denen Gitterzellen vermutet werden - also Hippocampus und damit assoziierte Hirnregionen - ist bereits bekannt, dass sie die räumliche Orientierung und vor allem auch das autobiographische Erinnerungsvermögen beeinflussen. Das heißt, dass Gitterzellen sowohl für das Erinnern von Ereignissen als auch von Orten zuständig sind. Daher sind diese Hirnareale auch der erste Angriffspunkt für Alzheimer, was erklären könnte, warum eine solche Erkrankung häufig mit einem Orientierungsverlust einsetzt."
Länder
Vereinigtes Königreich