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Inhalt archiviert am 2023-03-07

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Neue Erkenntnisse zur Evolution von Vielzellern

Bei der Evolution vielzelligen Lebens spielten möglicherweise weniger genetische Veränderungen eine Rolle als bislang angenommen, so das Ergebnis einer neuen Studie. Der jetzt im Fachblatt Science von einem internationalen Forscherteam veröffentlichte Artikel vergleicht die Ge...

Bei der Evolution vielzelligen Lebens spielten möglicherweise weniger genetische Veränderungen eine Rolle als bislang angenommen, so das Ergebnis einer neuen Studie. Der jetzt im Fachblatt Science von einem internationalen Forscherteam veröffentlichte Artikel vergleicht die Genome zweier eng verwandter Algenarten: des Vielzellers Volvox carteri und des Einzellers Chlamydomonas reinhardtii. Vielzelliges Leben hat sich auf verschiedenen Wegen entwickelt - in Tieren, Pflanzen, Pilzen und auch in roten und braunen Meeresalgen. Da diese Evolution jedoch meist vor sehr langer Zeit stattfand, ist es heute schwierig, den genetischen Veränderungen bei der Entwicklung vom Ein- zum Vielzeller auf den Grund zu gehen. Die Grünalge Volvox stellt die rühmliche Ausnahme dar, da V. carteri und C. reinhardtii beide von einem gemeinsamen einzelligen Vorfahren abstammen, der vor mehr als 200 Millionen Jahren lebte. V. carteri besitzt zwei Arten von Körperzellen: 2000 kleine, in die äußere extrazelluläre Matrix eingebettete Körperzellen, die jeweils zwei Geißeln tragen und somit für die Fortbewegung von V. carteri sorgen, sowie 16 große, reproduktive Zellen, die direkt unter dieser äußeren Hülle liegen. Wie die Forscher erläutern, ist der genetische Unterschied zwischen beiden Algengenomen nicht wesentlich größer als der zwischen Mensch und Huhn. "Wir waren davon ausgegangen, dass sich Volvox und Chlamydomonas hinsichtlich der Länge des Genoms, der Anzahl der Gene und der Größe der Genfamilien sehr viel deutlicher unterscheiden", erklärt Professor James Umen vom Salk Institute, Vereinigte Staaten. "Aber dies stellte sich mehr oder weniger als Irrtum heraus." Stattdessen entdeckten die Forscher auffallend viele Ähnlichkeiten bei beiden Genomen, was wiederum darauf hindeutet, dass Volvox für seine Entwicklung zum Vielzeller bereits vorhandenes genetisches Material verwenden konnte statt neue Proteine zu bilden. "Dies hat uns etwas überrascht, da Weiterentwicklungen auf Proteinebene bislang als eine der Voraussetzungen für die Entstehung vielzelligen Lebens bei Pflanzen und Tieren galten", so Professor Umen. "Wenn man sich Proteine als Legobausatz vorstellt, besaß Chlamydomonas bereits einen beachtlichen Vorrat an Bausteinen. Volvox musste sich keine neuen Bausteine zulegen, da ihm sein Vorfahre ein gut ausgestattetes Experimentier-Set vererbt hatte." In Genanalysen stellten sich trotzdem gewisse Unterschiede zwischen beiden Genomen heraus. Volvox etwa besitzt wesentlich mehr extrazelluläre Matrixgene. Die extrazelluläre Matrix von Volvox ähnelt der Zellwand von Chlamydomonas, Unterschiede in Größe und Komplexität bei beiden Strukturen sind auf die Anzahl und Vielfalt der Volvox-Gene für die Produktion extrazellulärer Matrixproteine zurückzuführen. Bei Volvox sind vergleichsweise mehr Proteine an der Zellteilung beteiligt, offensichtlich wurden hier vorhandene Gene umfunktioniert und neuen Aufgaben angepasst. Zum Beispiel steuern einige Subtypen einer Genfamilie, die ursprünglich am Bau der extrazellulären Matrix beteiligt war, nun die Hormonausschüttung bei der geschlechtlichen Differenzierung. "Der Vergleich von Volvox und Chlamydomonas lässt den Schluss zu, dass [...] bei der Evolution der Volvox-Linie im Erbmaterial der Vorfahren auf Proteinebene keine wesentlichen Veränderungen stattfanden", heißt es in der Studie. "Dies bestätigt frühere Forschungen, die davon ausgingen, dass bei neuen Entwicklungsprozessen das Erbmaterial der Vorfahren integriert wird." Demnächst wollen sich die Forscher mit der Genregulierung in Volvox näher befassen in der Hoffnung, neue Aufschlüsse über die ursächlichen Faktoren für die Evolution von Vielzelligkeit in diesen Organismen zu erlangen.

Länder

Kanada, Deutschland, Japan, Vereinigte Staaten

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