Liebling, ich habe den Synchrotron geschrumpft
Bei dem Wort "Synchrotron" denken wohl nicht nur die meisten Wissenschaftler an eine riesige, äußerst teure und eher seltene Anlage, die zum Erzeugen hochintensiver Lichtstrahlen dient. Und die Diamond Light Source im Vereinigten Königreich mit ihren 500 Metern Umfang und Baukosten in Höhe von 263 Mio. GBP (297 Mio. EUR) entspricht ganz genau dieser Vorstellung. Allerdings könnte sich dieses Bild durchaus bald ändern, da EU-finanzierte Wissenschaftler ein Tischgerät entwickelt haben, das Synchrotron-Röntgenstrahlen erzeugen kann, die genau so intensiv wie die von einigen der weltweit größten Röntgenanlagen erzeugten Strahlen sind. Der in der Fachzeitschrift Nature Physics beschriebene Apparat könnte demnächst in so verschiedenen Gebieten wie der Medizin und der Luftfahrttechnik für einfachere und billigere Materialanalysen sorgen. Die EU unterstützte die Forschungsarbeit innerhalb des LASERLAB-EUROPE-Projekts ("The integrated initiative of European laser research infrastructures II"), das unter der Haushaltslinie für Forschungsinfrastrukturen des Siebten Rahmenprogramms (RP7) 10 Mio. EUR erhielt. Seitens der Forscher heißt es dazu: "Jede neue Generation von Röntgengeräten hat bestehende Grenzen der Wissenschaft gesprengt; man denke nur an die ersten Röntgenaufnahmen überhaupt und die Bestimmung der Struktur der DNA [Desoxyribonukleinsäure]." Heute bieten Synchrotrone Forschern aller Disziplinen extrem helle Röntgenstrahlen, die bildgebende Systeme mit immer höheren Auflösungen ermöglichen. Allerdings gibt es aufgrund ihrer Größe und Kosten weltweit nur ein paar Synchrotrone. Die Folge: Die Nachfrage nach Zeit zum Forschen an diesen Anlagen ist weit größer als das Angebot. Das von Wissenschaftlern in Frankreich, Portugal, im Vereinigten Königreich und in den USA entwickelte neue Tischsynchrotron funktioniert auf ähnliche Weise wie ein normales Synchrotron, allerdings in einem viel kleineren Maßstab. Das gesamte Gerät ist tatsächlich in einer Vakuumkammer untergebracht, die nur ungefähr ein Meter breit ist. Die Forscher merken an, dass die von ihrem System erzeugten Röntgenstrahlen eine äußerst kurze Impulsdauer haben und einem sehr kleinen Punkt im Raum entspringen, wodurch ein sehr schmaler Röntgenstrahl entsteht. Diese Eigenschaften erzielt man an anderen Röntgenquellen nicht so einfach, und so könnte das neue System zur Weiterentwicklung der fortgeschrittenen Röntgenbildgebung beitragen, behaupten die Forscher. Ultrakurze Impulse könnten es den Forschern beispielsweise ermöglichen, atomare und molekulare Wechselwirkungen zu untersuchen, die in der Größenordnung von Femtosekunden stattfinden (eine Femtosekunde ist ein Billiardstel einer Sekunde). Der schmale Röntgenstrahl enthüllt allerfeinste Details einer Materialprobe. "Wir glauben, auf ein System wie dieses warten viele Einsatzgebiete", kommentiert Dr. Zulfikar Najmudin von Imperial College London im Vereinigten Königreich, der die Studie leitete. "Es könnte zum Beispiel die Auflösung medizinischer bildgebender Systeme unter Nutzung hochenergetischer Röntgenstrahlen dramatisch erhöhen sowie eine leichtere Überwachung mikroskopischer Risse in Flugzeugtriebwerken ermöglichen. Auch spezielle wissenschaftliche Anwendungen sind denkbar, bei denen der ultrakurze Impuls dieser Röntgenstrahlen von Forschern genutzt werden könnte, um Bewegung in beispiellos kurzen Zeitspannen 'einzufrieren'". Dr. Najmudin und sein Team erzielten ihre Ergebnisse unter Einsatz eines der mächtigsten Laser der Welt. "Hochleistungslaser sind derzeit ziemlich schwierig in der Anwendung und auch noch teuer, was bedeutet, dass wir noch nicht in der Lage sind, ein preiswertes neues Röntgensystem verfügbar zu machen", erklärt er. "Die Lasertechnologie schreitet jedoch zügig voran - wir sind optimistisch, dass in ein paar Jahren zuverlässige und einfach zu bedienende Röntgenquellen zur Verfügung stehen werden, die unsere Ergebnisse nutzen." In einem Kommentar zu den Ergebnissen der Studie sagt Dr. Stefan Kneip vom Imperial College London: "Wir haben erste Schritte zu einer viel einfacheren und billigeren Erzeugung sehr energiereicher Röntgenstrahlen von hoher Qualität unternommen. Die unserem relativ einfachen System innewohnenden Eigenschaften erzeugen auf wenigen Millimetern einen außergewöhnlich hochwertigen Röntgenstrahl, der es durchaus mit den Strahlen aus den hunderte Meter langen Synchrotronquellen aufnehmen kann. Unsere Technik wird nun allerdings nicht direkt mit den wenigen großen Röntgenquellen weltweit konkurrieren. Für manche Anwendungen wird sie jedoch wichtige Messungen ermöglichen, die bisher nicht realisierbar waren."
Länder
Frankreich, Portugal, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten