1 000-Genom-Projekt ebnet den Weg für besseres Verständnis genetischer Veränderungen
Im Rahmen des 1 000-Genom-Projekts, einer internationalen Initiative zur Erforschung von Genveränderungen bei Menschen, sind nun die Ergebnisse der Pilotphase veröffentlicht worden. Diese ersten Ergebnisse werfen bereits (ein?) neues Licht auf die Ursachen genetischer Veränderungen und auf deren Einfluss auf Krankheiten sowie auf die Geschichte und Evolution des Menschen. Die Studie, deren Ergebnisse auf der Webseite des 1 000-Genom-Projekts zur Verfügung stehen, wurde in der Zeitschrift "Nature" veröffentlicht. Die Untersuchung wurde von der EU über die Projekte ADAMS ("Genomic variations underlying common behavior diseases and cognition trait in human populations") und READNA ("Revolutionary approaches and devices for nucleic acid analysis") teilfinanziert, zwei Projekte, die im Rahmen des Themenbereichs "Gesundheit" des Siebten Rahmenprogramms für Forschung und technologische Entwicklung (FP7) gefördert werden. Übergeordnetes Ziel des 1 000-Genom-Projekts ist eine Katalogisierung der Genveränderungen durch Sequenzierung und Vergleich der Genome von 2 500 Personen mit Herkunft aus Europa, Ostasien, Südasien, Westafrika und aus Amerika. Ziel der Pilotstudie war es, verschiedene Strategien der Genomsequenzierung zu entwickeln und zu vergleichen, und zwar in bisher ungekanntem Umfang. Wärend der Pilotphase sequenzierten die Forscher sämtliche Genome bei 179 Teilnehmern der Untersuchung sowie die proteinkodierenden Gene weiterer 697 Teilnehmer. Dieser Forschungsaufwand generierte die beeindruckende Datenmenge von 4,9 Billionen DNA-Basen (Gen-Buchstaben). Für die Datenverarbeitung mussten eine spezifische Computerplattform sowie innovative Software entwickelt werden. Die Auswertung der Daten ergab Millionen von Genvarianten, deren überwiegender Teil dem Forscherteam nicht bekannt war. "Der Umfang der Daten aus diesem ersten Projektabschnitt ist erstaunlich", kommentiert Richard Durbin vom Sanger Institute (VK) "In nicht einmal zwei Jahren haben wir 15 Millionen Positionen, an denen einzelne Basen ausgetauscht sind, eine Million kleinere Deletionen oder Insertionen und 20 000 strukturelle Varianten identifiziert. Ein Großteil dieser Varianten - ungefähr 8 Millionen - war zuvor noch nicht entdeckt." Die Ergebnisse waren zum Teil überraschend. Beispielsweise stellte sich heraus, dass bei keinem einzigen Teilnehmer die Gesamtheit aller Gene fehlerfrei war; bei den meisten Menschen lassen sich 250 bis 300 genetische Veränderungen nachweisen, die dazu führten, dass das jeweilige Gen nicht mehr richtig arbeitete, und bis zu 100 Genveränderungen, die einer Erbkankheit zugeordnet werden konnten. Die Forscher wiesen jedoch darauf hin, dass die meisten Gene beim Menschen doppelt vorliegen. Solange das zweite Gen also problemlos funktioniert, bleibt man in der Regel gesund. Bestandteil der Pilotphase war auch die eingehende Untersuchung einer kleinen Gruppe von Familien (Mutter, Vater und Kind). Anhand des Genomvergleichs bei Eltern und Kind konnte das Forscherteam ermitteln, wie viele Genmutationen bei jeder neuen Generation voraussichtlich entstehen werden. Die Untersuchung ergab, dass bei allen Beteiligten rund 60 Mutationen auftraten, die die Kinder nicht von den Eltern geerbt hatten. Vor allen Dingen aber konnte mit der Pilotphase die Effektivität der angewandten Sequenzierungstechnik unter Beweis gestellt werden. "Wir haben erstmalig zeigen können, dass ein neuer Ansatz bei der Sequenzierung - niedriger Abdeckungsgrad bei einer großen Anzahl von Fällen - effizient und gut funktioniert. Nach diesem Drchführbarkeitsnachweis (Proof-of-Principle) der vor Ort entwickelen Methode wird diese nunmehr nicht allein im Rahmen des 1 000-Genom-Projekts angewendet, sondern ebenso in der krankheitsorientierten Genomforschung", sagt Professor Gil McVean von der Universität Oxford. Die Projektergebnisse fließen bereits in Genuntersuchungen ein, bei denen so unterschiedliche Merkmale wie Rauchen, Multiple Sklerose oder Krebs erforscht werden. "Indem wir der Forschergemeinschaft freien Zugang zu Projektdaten ermöglichen, beeinflusst unsere Studie schon jetzt Forschungsvorhaben im Bereich sowohl seltener wie auch häufig auftretender Krankheiten," erklärt David Altshuler vom Broad Institute of Harvard und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT). Mit Blick in die Zukunft befasst sich unsere Forschungsgruppe bereits mit der nächsten Phase des Projekts, das 2012 abgeschlossen sein soll. "Die Pilotstudie des 1 000-Genom-Projekts hat ein entscheidendes Fundament für die Erforschung genetischer Veränderungen bei Menschen zur Verfügung gestellt", stellt Dr. Durbin fest. "Proof-of-Principle-Studien erlauben wissenschaftlichen Arbeitsgruppen, eine umfassende, öffentlich zugängliche Karte der genetischen Veränderungen zu erstellen, die letztlich die Gensequenzen von 2 500 Menschen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen weltweit entziffert und zur Unterstützung zukünftiger Genforschung beitragen wird.