Wie die Bildung männlicher und weiblicher Blüten funktioniert
Botaniker der Universität Leeds haben Neuigkeiten zu den unergründlichen Wegen der Evolution. Sie konnten nachverfolgen, wie eine vor mehr als 100 Millionen Jahren aufgetretene Genmutation Blüten dazu bringt, männliche und weibliche Teile auf unterschiedliche Weise auszubilden. Könnte unsere heutige biologische Vielfalt tatsächlich Ergebnis solcher genetischen "Fehler" sein? Hier sollte die Forschung weitere Untersuchungen zu der Frage anstellen, auf welche Weise Pflanzen Blüten hervorbringen; schließlich handelt es sich um die Herkunft der Früchte, von denen wir essen. Die teilweise durch eine Marie-Curie-Finanzbeihilfe für Forschungsausbildung des Siebten EU-Rahmenprogramms (RP7) finanzierte Forschungsarbeit wurde kürzlich in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) vorgestellt. Etliche Pflanzen können das an der Ausbildung männlicher und weiblicher Blütenorgane beteiligte Gen doppelt vorweisen, und zwar handelt es sich um zwei sehr ähnliche Kopien. Bei der Ackerschmalwand (Arabidopsis) ist zum Beispiel eine Kopie für die Erzeugung männlicher und weiblicher Blütenteile zuständig. Die andere Kopie hat allerdings eine völlig neue Aufgabe übernommen: Sie sorgt für das Aufplatzen der Samenkapseln. Beim Löwenmäulchen (Antirrhinum) haben dagegen beide Gene mit der Geschlechtsidentität zu tun. Die eine Kopie produziert hauptsächlich weibliche Blütenorgane, während die andere Kopie nur männliche Blütenorgane kodieren kann. "Die Löwenmäulchen stehen sozusagen an der Schwelle einer Arbeitsteilung zur Ausbildung der männlichen und weiblichen Organe zwischen diesen beiden Genen und das ist ein Schlüsselmoment in der evolutionären Entwicklung", wie der leitende Forscher Brendan Davies betont, Professor für Pflanzenentwicklung an der Fakultät für Biowissenschaften in Leeds. "Mehr Gene mit unterschiedlichen Rollen geben einem Organismus zusätzliche Komplexität und öffnen die Tür zur Diversifikation und zur Schaffung neuer Arten." Durch eine Rückverfolgung des evolutionären "Baums" der Blütenpflanzen stellten die Forscher fest, dass die Genverdopplung vermutlich vor rund 120 Millionen Jahren stattgefunden haben muss. Die Mutation, die zu einer verschiedenartigen Nutzung dieses duplizierten Extragens bei Löwenmäulchen und Ackerschmalwand führte, tauchte vor etwa 20 Millionen Jahren auf. Das unterschiedliche Verhalten des Gens in den Pflanzen hängt, wie die Forscher entdeckten, mit einer einzelnen Aminosäure zusammen. Die Gene sehen zwar sehr ähnlich aus, jedoch fehlt einigen der durch sie kodierten Proteine genau diese Aminosäure. Ist sie vorhanden, ist die Aktivität des Proteins darauf begrenzt, nur männliche Blütenteile zu bilden. Fehlt die Aminosäure, kann das Protein mit einigen anderen an der Blütenbildung beteiligten Proteinen interagieren, so dass dann männliche und weibliche Blütenorgane entstehen können, so die Wissenschaftler. "Eine kleine Mutation in dem Gen trickst den gesamten Mechanismus der Pflanze aus und reicht, um eine zusätzliche Aminosäure einzubauen. Und diese winzige Veränderung veränderte dramatisch die Art und Weise, wie Pflanzen ihre Blütenbildung kontrollieren", erklärt Professor Davies. Er bezeichnet diesen Prozess als "Evolution pur", weist allerdings darauf hin, dass "wir noch nicht wissen, ob sich diese Mutation als eine Sackgasse erweisen und nicht weiter fortschreiten wird, oder ob sie möglicherweise zu weiterer Komplexität führt." Dennoch, so Professor Davies, sei die Forschung "ein exzellentes Beispiel dafür, wie eine zufällige Unvollkommenheit einen evolutionären Wandel auslösen kann. Würden wir aber in einer perfekten Welt leben, so wäre das viel uninteressanter - ohne biologische Vielfalt und ohne die Chance auf die Entwicklung neuer Arten." Die Forscher planen die Untersuchung von Proteinwechselwirkungen, welche die Ausbildung sowohl männlicher als auch weiblicher Blütenteile ermöglichen, als Teil der weiteren Erforschung der genetischen Grundlagen, nach denen Pflanzen Blüten erschaffen.
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